Toreinfahrt  Man sei nun einmal meistens in Städten, und deshalb laufe man meistens durch Städte und sehe die trostlosen Behausungen, die sich die Menschen an die Zufahrtswege bauten. Diese Trostlosigkeit sei je nach Wetter und Tageszeit manchmal so erdrückend, daß er nur mit gesenkten Augen durch die Straßen gehe, um nicht durch Zufall in eine Toreinfahrt schauen zu müssen, wo jemand einen elektrischen Rollstuhl bis zur Straße geschoben habe, mit einem Schild an diesem elektrischen Rollstuhl, daß dieser elektrische Rollstuhl zu verkaufen sei, ausgerüstet mit zusätzlichen und besonders starken Akkus, aber dennoch zu verkaufen, kaum benutzt, aber zu verkaufen. Denn wenn er so etwas sehe, dann könne er nicht mehr an sich halten, dann wäre es einfach zuviel an Trostlosigkeit, dann müsse er unwillkürlich darüber nachdenken, warum dieser Rollstuhl mit einem Mal verkauft werde, und wenn er darüber nachdenke, warum man auf einmal einen kaum gebrauchten Rollstuhl verkaufe, fielen ihm immer nur noch mehr Grauen und Trostlosigkeit ein und dann würde sich erneut das Rad in ihm drehen, aber deshalb sei er nicht nach draußen gegangen, um das Rad des Herumfeilens gegen ein Rad des Nachdenkens über einen elektrischen Rollstuhl zu ersetzen. Er sei schließlich nach draußen gegangen, damit er sich etwas ablenke und sich beruhige und die Gedanken schweifen lasse. Doch wenn man noch nicht einmal die Blicke schweifen lassen könne, wie solle man dann erst die Gedanken schweifen lassen? Wenn man immer nur mit gesenktem Kopf herumlaufen müsse, um nicht verschlungen zu werden von der ganzen Trostlosigkeit, wie wolle man da seine Gedanken erheben? Und wie solle man einmal  nichts denken, wenn  sich das Grauen in solch vielerlei Gestalt präsentiere und in jeder Toreinfahrt lauere?   - (rev)

Toreinfahrt (2)  „Ich finde, dieses Lied hat auch etwas Unheimliches", hatte er gerade sagen wollen, hielt aber inne, da er im Halbdunkel nur eine regungslose Silhouette ausmachen konnte.

„Was ist denn, Liebling?" rief er und hörte seinen Satz sogleich blechern aus der Garageneinfahrt widerhallen. Ein Zischen ging durch die Luft. Wasser, das in einem Schwall aufklatschte. Dann ein stechender Gestank. Schritte, die näherkamen. Etwas sprang aus der Einfahrt in die Luft. Es sah aus wie die Frau im Stahlkorsett. Nein, eins der Tiere. Er hörte das gurgelnde Bellen der drei Hundemäuler. Die Schneidezähne blitzten in den Scheinwerfern eines vorbeifahrenden Autos auf. Dann rasten sie nieder und senkten sich in die Brust seiner Frau. Die hob die Hände unter einem roten Schleier. So als seien sie sich selbst uneinig, winselten und knurrten die Hundemäuler gleichzeitig. Der rote Schleier sank von Frau Rubinblad und wurde zu einem Flußarm, durch dessen zähes Wasser Dr. Rubinblad auf sie zu watete. Der Hund bleckte seine Zähne, als er Dr. Rubinblad näherkommen sah und sprang ihn an. Dr. Rubinblad hob die Hände, und die Hauer fuhren durch sie hindurch. Er fiel nach hinten auf etwas Weiches, das sich anfühlte wie der Bauch seiner Frau, auf den er manchmal abends seinen Kopf legte. Aber dieser Bauch atmete nicht ruhig und gleichmäßig, sondern zuckte und bebte. Der Hund jaulte ein letztes Mal auf und lief dann mit klackenden Pfoten die Straße hinunter. Dr. Rubinblads Kopf versank in einem blutroten Marshmallow, das ihn schließlich ganz umschloß. Seine Frau summte ihm ein Gutenachtlied ins Ohr, das wie das Zirpen einer fernen Polizeisirene klang.   - (blue)

 

 

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