- Filmp
lakat
zu John Carpenters "Dark Star"
Surfer (2)
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DR
Surfer (3)
Damals schlug er sich als Aushilfsarbeiter an Baustellen durch, und abends spielte
er mit den Corvairs, nie irgendwo in der Nähe der Küste, sondern weiter
im Landesinneren, denn in diesem sonnenverbrannten Farmland waren sie immer
willkommen gewesen - die Biersurfer dieser Täler hatten eine merkwürdige innere
Verwandtschaft mit den Wellenreitern der Brandung und deren Musik entdeckt.
Neben der gemeinsamen Vorliebe für Bier teilten die Anhänger beider Subkulturen,
ob sie auf dem Surfbrett standen oder hinter dem Steuer eines 409ers saßen,
der Nervenkitzel und die Ekstase der passiven Bewegung, des Ausgeliefertseins,
so als wäre in den Motoren der Autos eine gleichermaßen ozeanische und mächtige
Kraft verborgen - eine Technowoge, die greifbaren anderen gehörte wie die Brandung
dem Meer, und von den Biersurfern ohne Widerrede, zu den Bedingungen dieser
anderen, akzeptiert wurde. Die Wellenreiter ritten auf Gottes Ozean, die Bierreiter
ritten ein Drehmoment durch von der Autoindustrie zugemessene Jahre. Daß bei
ihrem Freizeitvergnügen der Tod häufiger im Spiel war als bei den Freunden der
Brandung, trug allerdings zu einer Lebenseinstellung bei, die auch den Corvairs
ihr Päcklein an Klo- und Parkplatztraumata, Zusammenstößen mit der Polizei und
überstürzten Aufbrüchen mitten in der Nacht beschert hatte. -
Thomas Pynchon, Vineland. Reinbek bei Hamburg 2015
Surfer (4) Seit einigen Wochen ließ sich St. Flip von Lawndale, für den Jesus Christus nicht nur persönlicher Erlöser, sondern auch Surfberater war und der ein knapp zehn Fuß langes Redwood-Board alter Schule mit einem eingelegten Perlmuttkreuz auf der Ober- und zwei grell rosafarbenen Plastikskegs auf der Unterseite fuhr, nun schon von einem Freund mit einem kleinen Fiberglas-Motorboot weit nach draußen mitnehmen, um auf dem, wie er schwor, kniffeligsten Break der Welt zu surfen, mit Wellen, größer als in der Waimea Bay, größer als die des Maverick oben in der Half Moon Bay oder bei Todos Santos in Baja.
Stewardessen in Maschinen auf der Transpazifikroute, die zur Landung in LAX ansetzten, berichteten, ihn unten beim Surfen gesehen zu haben, wo gar keine Brandung hätte sein dürfen, eine Gestalt in weißen Schlabberhosen, weißer, als es das herrschende Licht eigentlich erklären konnte ... Abends, den Sonnenuntergang im Rücken, stieg er dann wieder zum säkularen Groove des schrägen Gordita Beach hinauf, schnappte sich ein Bier, hing wortlos rum, lächelte einen an, wenn er musste, und wartete auf das erste Tageslicht, um zurückzukehren.
In seiner Strandbude hing ein Bild von Jesus, wie er, den rechten Fuß vorn,
auf einem grob behauenen Brett mit Auslegern, das an ein Kruzifix gemahnen sollte,
durch Wellen fuhr, wie man sie im Roten Meer selten beobachtete, obwohl das
Flips Glauben kaum anfocht. Was war das «Auf-dem-Wasser-Gehen» anderes als Bibelsprache
für Surfen? In Australien hatte ihm sogar einmal ein einheimischer Surfer, in
der Hand die größte Bierdose, die Flip je gesehen hatte, einen Splitter vom
Wahren Brette verkauft. -
Thomas Pynchon, Natürliche Mängel. Reinbek bei Hamburg 2010
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