Alle Zweihänder, die sich bisher Anarchisten nannten oder so genannt
wurden, vom auserlesensten Edelanarchisten bis zum unadeligsten Bombenschmeißer,
waren einschließlich Krapotkins Gewaltdenker, Unmenschen, Blutvergießer,
Massenmörder, Hetzer, Hasser, Rächer, Quasselköpfe,
Maulhelden, Lebenszerstörer oder Grundfalschdenker.
Sie bekämpften den Staat mit seinen eigenen Gewaltmitteln, die doch immer
wieder nur gegen die Menschheit gerichtet sind: Hunger, Lustsperre,
Lebensfurcht, Mord. Erringen sie den Sieg, so gründen
sie sofort auf den Trümmern des alten einen neuen, noch garstigeren Schinderschwindel.
Sie sind ganz genau solche Staatskutscher, Staatslümmel
und Staatsnarren, genau solche Gewaltfatzken, Faulquatscher
und Falschleber wie ihre übermenschlichen
Gegner. Es ist ein tiefst untermenschlicher Irrtum,
daß durch die Hinwegräumung eines besonders blutgierigen Übermenschen
der Menschheit geholfen werden könnte. Wer sich ohne Gesetz nicht denken
kann, ist ein Volksschinder (s. Verbrecher, Staatsmann).
Nur der Räuber braucht den Staat. Nur ein einziger Mensch
hat bisher den Gedanken der freien, staatsräuberlosen Menschheit
ausgesprochen, der Jude Jesus von Nazareth. Er ist der einzige Anarchist,
der vollkommen richtig gedacht hat. Und die von ihm gefundene Wahrheit
lautet: Richtet nicht, auf daß auch ihr nicht gerichtet werdet. Oder: Die
Freiheit aller ist das
Ende jeder Gewalt. - (se)
- (
hob
)
Anarchismus (3) Die armen Leute vom Aquädukt Felix glaubten, der Tabakhändler, der Metzger und die Händler, die Kühlschränke und Fernsehapparate und andere Dinge verkaufen, seien die wirklich Reichen, weil sie am Abend Geld in der Kasse haben.
- Die wirklich Reichen, die wirklichen Bonzen, haben ihr Geld nicht in der Schublade, sie berühren es nicht einmal mit den Händen, sagte Mozziconi. Man gab ihm zur Antwort, solche Reichen habe man noch nie gesehen und Mozziconi sei ein rebellischer und anarchistischer Aufschneider.
- Ich bin was ich bin, sagte Mozziconi. Tatsache ist, daß die Anarchisten niemandem passen. Vor allem passen sie den Herren nicht, weil sie dann nicht mehr befehlen können. Sie passen aber auch den Armen nicht, weil die, wenn die Herren verschwinden, niemanden mehr haben, auf den sie schimpfen können.
- Einfaltspinsel, sagte Mozziconi, laßt uns eine Revolution machen und dann sind wir die Herren!
- Und wem befehlen wir dann?
- Niemandem.
- Aber was für Herren sind wir dann?
- Wir sind Herr über unser Leben.
- Können wir dann umlegen, wen wir wollen?
- Wen wollt ihr denn umlegen?
- Die Herren.
- Aber die Herren sind wir dann ja selbst.
Ein armer Kerl, der sich für schlauer als die andern hielt, sagte, das sei
alles ein großer Betrug von Mozziconi, und Anarchisten wie er wollten die armen
Leute nur zu Herren machen, um sie dann umzulegen oder sich gegenseitig umlegen
zu lassen. Am Ende fehlte nicht viel, und sie hätten Mozziconi umgelegt, doch
es gelang ihm, wie durch ein Wunder sich zu retten, indem er sich in einem Kaninchenstall
versteckte. -
Luigi Malerba, Geschichten vom Ufer des Tiber. Frankfurt am Main 1997
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