eemann  Man nenne mich Ismael. Es war vor ein paar Jahren — die genaue Zahl ist Nebensache —, ich hatte so gut wie kein Geld im Beutel und eigentlich nichts, was mich an Land beschäftigt hätte, da kam mich die Lust an, wieder einmal ein bißchen unter Segel zu gehen und mich auf der Welt des Wassers umzutun. Es ist dies meine Art, mir den Koller zu vertreiben und den Blutkreislauf anzuregen. So oft etwas Verbissenes in meine Züge kommt und in meinem Innern ein naßkalter November zu nieseln beginnt, so oft es mir widerfährt, daß ich unwillkürlich vor Sargspeichern stehen bleibe und mich jedem Leichenzug, der mir begegnet, hinten anschließe, und namentlich, wenn immer die trüben Anwandlungen dermaßen in mir überhandnehmen, daß nur ein starker sittlicher Halt mich davor bewahrt, mit Bedacht auf die Straße hinauszutreten und den Leuten der Reihe nach den Hut vom Kopfe zu schlagen, dann halte ich es jeweils für geraten, sobald als möglich auf See zu kommen. Dies ersetzt mir die Kugel vor den Kopf.  - (mob)

Seemann (2) Ich vermag kaum zu sagen, wie dieser Mensch mich in meinen Träumen heimsuchte. In stürmischen Nächten, wenn der Wind an den vier Ecken des Hauses rüttelte und die Brandung in der Bucht und an den Klippen brüllte, sah ich ihn in tausenderlei Gestalten und mit tausend teuflischen Grimassen. Bald war das Bein am Knie abgeschnitten, bald an der Hüfte; bald war er eine Art Ungeheuer, mit nur dem einen Bein, das ihm von der Mitte des Körpers ausging. Zusehen, wie er sprang und lief und mich über Hecken und Gräben verfolgte, war der schlimmste aller Albträume.

Aber so sehr mich der Gedanke an den seefahrenden Mann mit einem Bein in Schrecken versetzte, so hatte ich doch vor dem Kapitän selber weit weniger Angst als sonst jemand, der ihn kannte. Es gab Abende, an denen er ein gut Teil mehr Grog trank, als sein Kopf vertrug, und dann pflegte er dazusitzen und seine verrückten alten, wilden Seemannslieder zu singen, ohne auf irgend jemanden Rücksicht zu nehmen. Aber bisweilen bestellte er eine Runde für alle Anwesenden und zwang die ganze zitternde Gesellschaft, seinen Erzählungen zuzuhören oder seine Lieder im Chor zu begleiten. Oft habe ich das Haus unter dem "Johoo — und 'ne Buddel Rum" erdröhnen gehört, wenn alle Nachbarn, Todesangst im Gesicht, ums liebe Leben einstimmten und einer noch lauter sang als der andere, nur um nicht aufzufallen. Denn in diesen Augenblicken war er der unbeherrschteste Geselle, den man sich vorstellen kann. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und kommandierte Ruhe in der Runde. Dann wieder fuhr er in leidenschaftlicher Wut hoch, wenn man eine Frage an ihn richtete oder auch, wenn dies nicht geschah und er glaubte, die Gesellschaft höre seinen Erzählungen nicht zu. Er gestattete auch niemandem, das Gasthaus zu verlassen, ehe er sich müde getrunken hatte und ins Bett taumelte.

Es waren seine Geschichten, vor denen sich die Leute am meisten ängstigten. Schreckliche Erzählungen waren das vom Hängen und Ertränken, von Stürmen auf See und von Tortuga und von wilden Taten und Orten in Westindien. Nach seinen eigenen Worten hatte er sein Leben unter den verruchtesten Menschen zugebracht, denen Gott je gestattet hat, die See zu befahren; und die Sprache, in der er diese Geschichten zum besten gab, erschreckte unsere biederen Landbewohner fast ebensosehr wie die Verbrechen, die er schilderte. Mein Vater sagte immer, die Gastwirtschaft werde zugrunde gerichtet, denn die Leute wür-den es bald satt haben hierherzukommen, nur um sich tyrannisieren und den Mund verbieten und sich schließlich schaudernd ins Bett schicken zu lassen. Ich aber glaubte wirklich, seine Anwesenheit sei uns von Vorteil. Die Leute waren zwar im Augenblick erschreckt, aber wenn sie zurückdachten, mochten sie es ganz gern. Es war eine hübsche Aufregung in dem ruhigen Landleben, und es gab sogar eine Anzahl unter den jüngeren Leuten, die vorgaben, ihn zu bewundern, die ihn einen »richtigen Seebären« und eine »echte alte Teerjacke« oder dergleichen nannten und behaupteten, Leute dieses Schlages hätten England zur See gefürchtet gemacht. - R. L. Stevenson, Die Schatzinsel. Zuerst 1881/83

Seemann (3) bering [vitus], russischer seecapitain, geb. 1680 zu horsens in jütland, wurde, als ein geschickter seemann, von peter dem grossen bei der kaum entstandenen marine zu kronstadt angestellt, seine talente und seine unerschrockenheit, die er in den seekriegen gegen die schweden bewies, erwarben ihm die ehre, zur leitung einer entdeckungsreise ins meer von kamtschatka gewählt zu werden, er reiste von petersburg den 15. februar 1725 nach sibirien. 1728 untersuchte er die nördlichen küsten dieser großen halbinsel und bestätigte, dass asien nicht mit amerika zusammenhänge; ob aber die kamtschatka gegenüberliegenden küsten auch wirklich küsten des festen landes oder nur dazwischen liegende inseln wären, sollte bering durch seine reisen entscheiden. am 4. juni 1741 lief er abermals mit 2 schiffen von ochotzk aus und landete an der nordwestlichen küste von amerika zwischen 35° und 69° n. br. stürme und krankheit hinderten ihn, seine entdeckungen fortzusetzen; er wurde weit ab auf eine wüste insel geworfen. schnee und eis bedeckten das unwirthbare land. bering ward gefährlich krank und starb hier am 8. dec. 1741. man hat der meerenge zwischen asien und amerika den namen beringstrasse [auch anian genannt] und der insel, auf welcher er starb, den namen beringinsel gegeben, [allgemeine deutsche real-encyklopädie für gebildete stände, brockhaus, 1830] - Nach: Konrad Bayer, Der Kopf des Vitus Bering. Frankfurt am Main 1971 (zuerst 1965)

Seemann (verwirrter)

- Paul Flora, nach (gold)

Seemann (5)

Vom Seemann Kuttel Daddeldu

Eine Bark lief ein in Le Haver,
Von Sidnee kommend, nachts elf Uhr drei.
Es roch nach Himbeeressig am Kai,
Und nach Hundekadaver.

Kuttel Daddeldu ging an Land.
Die Rü Albani war ihm bekannt.
Er kannte nahezu alle Hafenplätze.

Weil vor dem ersten Hause ein Mädchen stand,
Holte er sich im ersten Haus von dem Mädchen die Krätze.

Weil er das aber natürlich nicht gleich empfand,
Ging er weiter, – kreuzte topplastig auf wilder Fahrt.
Achtzehn Monate Heuer hatte er sich zusammengespart.

In Nr. 6 traktierte er Eiwie und Kätchen,
In 8 besoff ihn ein neues, straff lederbusiges Weib.
Nebenan bei Pierre sind allein sieben gediegene Mädchen,
Ohne die mit dem Zelluloid-Unterleib.

Daddeldu, the old Seelerbeu Kuttel,
Verschenkte den Albatrosknochen,
Das Haifischrückgrat, die Schals,
Den Elefanten und die Saragossabuttel.
Das hatte er eigentlich alles der Mary versprochen,
Der anderen Mary; das war seine feste Braut.

Daddeldu – Hallo! Daddeldu,
Daddeldu wurde fröhlich und laut.

Er wollte mit höchster Verzerrung seines Gesichts
Partu einen Niggersong singen
Und »Blu beus blu«.
Aber es entrang sich ihm nichts.

Daddeldu war nicht auf die Wache zu bringen.
Daddeldu Duddel Kuttelmuttel, Katteldu
Erwachte erstaunt und singend morgens um vier
Zwischen Nasenbluten und Pomm de Schwall auf der Pier.

Daddeldu bedrohte zwecks Vorschuß den Steuermann,
Schwitzte den Spiritus aus. Und wusch sich dann.

Daddeldu ging nachmittags wieder an Land,
Wo er ein Renntiergeweih, eine Schlangenhaut,
Zwei Fächerpalmen und Eskimoschuhe erstand.
Das brachte er aus Australien seiner Braut.

- Ringelnatz

Seemann (6)  Die Matrosen hatten eine doppelte Portion Pudding und thaten sich mit ihrem Brandtwein gütlich, den sie, aus großer Vorsorge, heute ja recht voll zu werden, schon ganze Monathe her, zusammen gespart hatten. Das ist auch in der That das einzige, wofür sie sorgen, alles übrige kümmert sie wenig oder gar nicht.

Der Anblick so vieler Eismassen, zwischen welchen wir, lediglich durch den Strom, fortgetrieben wurden, und stets Gefahr liefen, daran zu scheitern, war nicht vermögend, sie von ihrer Lieblings-Neigung abzuhalten. Sie versicherten, daß, so lange der Brandtwein noch währete, sie auch den Christtag als Christen feyern wollten, wenn sich gleich alle Elemente gegen sie verschworen hätten. Ihre Gewohnheit ans Seeleben hatte sie längst gegen alle Gefahren, schwere Arbeit, rauhes Wetter und andre Widerwärtigkeiten abgehärtet, ihre Muskeln steif, ihre Nerven stumpf, kurz, ihre Gemüthsart ganz unempfindlich gemacht. Da sie für ihre eigne Erhaltung keine große Sorge tragen, so ist leicht zu erachten, daß sie für andre noch weniger Gefühl haben. Strengem Befehl unterworfen, üben sie auch tyrannische Herrschaft über diejenigen aus, die das Unglück haben in ihre Gewalt zu gerathen. Gewohnt ihren Feinden unter die Augen zu treten, ist Krieg ihr Wunsch. Die Gewohnheit umzubringen und zu morden, ist Leidenschaft bey ihnen geworden, wovon wir leyder nur zu viele Beweise auf dieser Reise haben sehen müssen, indem sie bey jeder Gelegenheit die unbändigste Begierde zeigten, um der geringsten Veranlassung willen sogleich auf die Indianer zu feuern. Ihre Lebensart entfernet sie von dem Genuß der stillen häuslichen Freuden, und da treten dann grobe viehische Begierden an die Stelle besserer Empfindungen.

At last, extinct euch social feeling, fell
And joyless inhumanity pervades
And petrifies the heart. -

THOMPSON.

Ohnerachtet sie Mitglieder gesitteter Nationen sind, so machen sie doch gleichsam eine besondere Classe von Menschen aus, die ohne Gefühl, voll Leidenschaft, rachsüchtig, zugleich aber auch tapfer, aufrichtig und treu gegen einander sind. - (for)

Seemann (7)  Ein perfekter Seemann muß viel von anderen Berufen verstehen. Er muß etwas von einer Stickerin haben, um hübsche Stag-kragen aus hänfener Spitze um die Wanten zu machen, er muß etwas wie ein Weber sein, um Matten aus Kabelgarn als Zurrung auf den Booten zu weben, er muß ein bißchen von einer Modistin haben, um graziöse Schleifen und Knoten wie Taljereepsknoten und Türkenköpfe zu binden. Dann muß etwas von einem Musikanten in ihm stecken, damit er von der Rahe aussingen kann, ein Stück Juwelier muß er sein, um Jungfernblöcke in die stehende Takelung zu setzen; Zimmermann muß er sein, um im Notfall aus einer Spiere einen Ersatzmast zu machen, Näherin, um Segel zu flicken und klarzumachen, Seiler, um Marileinen und Garne zu spinnen, Grobschmied, um Haken und Kausch für Blöcke herzustellen, kurz, er muß in allen Sätteln gerecht sein, um seinen eigenen Beruf zu beherrschen. Und das Ist vielleicht mehr oder weniger mit fast allem genauso, denn man kann nichts, wenn man nicht alles kann; das wiederum ist der Grund dafür, daß wir nie etwas können.  - Herman Melville, Redburn. Seine erste Reise. In: H. M., Redburn. Israel Potter. Sämtliche Erzählungen. München 1967 (zuerst 1849)

Seemann (8)  

See Schiff
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