rätze,
der Aussatz und die Elefantenkrankheit verschaffen
Armen durch Reichtum höheres Ansehen und größere Bedeutung; denn diese
Leiden rücken die mit ihnen Behafteten ins Blickfeld aller. Aus demselben
Grund enthüllen sie Verborgenes, Reichen und Mächtigen aber verschaffen
sie Staatsämter. Immer ist es gut, wenn man sich selbst mit der Krätze,
dem Aussatz, der Elefantenkrankheit oder einem ähnlichen Leiden, wie z.B.
mit Lepra oder mit Flechten, behaftet sieht; erblickt man derlei an einem
anderen, bedeutet es Kummer und Sorgen. Alles nämlich, was ekelhaft und
häßlich anzusehen ist, läßt die Seele des Beschauers erschaudern und erstarren.
Noch unheilvoller ist es, wenn man ein Familienmitglied mit einer solchen
Krankheit behaftet sieht. Ist es ein Haussklave des Träumenden, wird er
zu Dienstleistungen für ihn nicht mehr zu brauchen sein; wenn es der Sohn
ist, so wird er nicht den Lebenswandel führen, der den Grundsätzen des
Vaters entspricht; ist es die Gattin, wird der Ehemann
wegen ihres leichtfertigen Treibens großen Ärger haben. Leuten, die von
der großen Menge leben, bringt es Nutzen; bei anderen Personen muß man
die Deutung nach dem Grundsatz der Ähnlichkeit
treffen.
- (
art
)
Krätze (2) Du bist selbst die
ekstatische Angst; du bist der Hades, wie du es in der Kindheit erahntest,
wenn du den Kot entleertest und dein asthmatisches, unpersönliches Flennen
weintest und dir Furunkel und Krätze aufweichtest; damals schon ahntest
du, daß die begrenzte, örtliche lästige Geschwulst Allegorie, Symbol, semantisches
Zeichen, Unterpfand, Dokument sei eines andren, riesigen Exkrements, einer
Kruste oder Krätze; und daß du selber die Krätze seist und dir deshalb
nichts anderes bleibe, als dich zu verabscheuen weil ekelhaft und abscheulich,
und gleichzeitig dir teuer zu sein und dich anzubeten wegen deiner äußersten
und vorbildlichen Würde.- (nieder)
Krätze (3) Er leitete ein Geschäft im Zentrum des Europäerviertels. Er war vor Müdigkeit schon halb verwest, schmuddlig, immer am Zusammenbrechen. Er scheute das Licht, denn zwei Jahre ununterbrochenen Schmorens unter Wellblechdächern hatten seine Augen grausam ausgetrocknet. Morgens, sagte er, brachte er sie erst nach einer halben Stunde auf, und erst nach einer weiteren halben Stunde konnte er halbwegs deutlich sehen. Jeder Lichtstrahl tat ihm weh. Er war wie ein räudiger Riesenmaulwurf.
Leiden und Erstickungsanfälle waren ihm schon zur zweiten Natur geworden und Stehlen auch. Hätte man ihn plötzlich gesund gemacht und gebessert, wäre ihm das sehr peinlich gewesen. Er haßte den leitenden Generalvertreter dermaßen, daß es mir noch heute, mit dem Abstand vieler Jahre dazwischen, als eine der heftigsten Leidenschaften im Gedächtnis geblieben ist. In all seinen Schmerzen zitterte er vor Wut, wenn er an ihn dachte, und er geriet in wilde Raserei und kratzte sich dabei doch immerfort von oben bis unten.
Er hörte niemals auf, sich um und um zu kratzen, er kratzte sich sozusagen im Kreis herum, vom äußersten Ende der Wirbelsäule bis zum Halsansatz. Er kratzte sich, bis ihm blutige Gerinnsel Haut und Lederhaut durchfurchten, und dabei bediente er die Kunden ruhig weiter, die meist mehr oder minder nackte Neger waren.
Seine freie Hand versank geschäftig in verschiedenen Verstecken auf beiden
Seiten des dämmerigen Ladens. Ohne sich je zu irren, holte er da flink und mit
bezaubernder Geschicklichkeit gerade das heraus, was der Käufer wollte, Tabak
in feuchten Schnitten, Streichhölzer, Sardinenbüchsen oder Zuckersirup mit großen
Schöpflöffeln, überalkoholisiertes Bier in Flaschen, die er plötzlich wieder
fallen ließ, falls die Sucht, sich wütend zu kratzen, ihn wieder packte. Juckte
es ihn beispielsweise in den Tiefen der weitfaltigen Hose, dann steckte er den
ganzen Arm hinein, der beim Hosentürchen wieder herauskam, das er vorsichtshalber
immer halb offen ließ. - (
reise
)
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