lond
in seinen verschiedenen Graden hellblond, rotblond, graublond, und die
liebenswürdigere Farbe des cendré, die
den Übergang zum lichtbraunen bildet. Blondes Haar ist eine Eigentümlichkeit
des Nordländers. — Man hat von der Farbe der Haare auch gewisse Eigenschaften
des Gemüts und Geistes abhängig machen wollen, und den Blonden vorherrschende
Züge von Sanftheit, Weichheit und Gutmütigkeit zugeschrieben. Weniger aus
der Luft gegriffen oder doch durch die Beobachtung mehr bestätigt ist die
Behauptung, daß mit dem blonden Haar ein erhöhter Grad von Offenheit und
Naivität verbunden sei, als mit jedem andern. Wenn nun aber wohl nicht
in Abrede zu stellen ist, daß sich zu blondem Haar, wenn nicht immer, doch
sehr häufig ein milderer Ausdruck der Augen wie aller übrigen Gesichtszüge
gesellt, so folgt daraus, daß die blonde Farbe im allgemeinen dem Charakter
des weiblichen Geschlechts eigentümlicher und entsprechender ist, als dem
männlichen. Fast unbestritten ist die Ansicht, daß man unter den Blondinen
mehr ansprechende Gesichter finde, als unter
den Brünetten: schwarze Augen bei blondem Haar werden zu den seltenen Schönheiten
gezählt. Den Blondinen geht zwar häufig das pikante Gepräge ab, welches
dunkeln Augen und Haaren, selbst bei mittelmäßigem Teint, eigen ist; um
so mehr gehört diejenige, die beides verbindet, deren Auge
nicht nur schmachten, sondern auch blitzen kann,
zu den außerordentlichen Erscheinungen.
-
(
conv
)
Blond (2) Ich bin oft an der Schwelle dieser für Männer verbotenen Laden stehengeblieben und habe zugesehen, wie in ihren Grotten die Haarpracht sich entfaltete. Schlangen, Schlangen, ihr fasziniert mich immer wieder. So beobachtete ich eines Tages in der Passage de l'Opéra die langsamen und makellosen Windungen einer blonden Riesenschlange.
Und plötzlich, zum erstenmal in meinem Leben, wurde mir bewußt,
daß die Menschen für das, was blond ist, nur ein Wort des Vergleichs gefunden
haben: wie Stroh, und man hat geglaubt, damit alles gesagt zu haben. Stroh,
elendes Stroh, habt ihr denn nie Farne gesehen? Ich habe ein ganzes Jahr lang
Farnhaar geknabbert. Ich bin Harzhaar, Topashaar, Hysteriehaar begegnet. Blond
wie die Hysterie, blond wie der Himmel, blond wie die Müdigkeit, blond wie der
Kuß. Auf die Palette blonder Farben werde ich setzen die Eleganz der Automobile,
den Duft von Süßklee, die Stille der Morgenstunden, die Verstörtheit des Wartens,
die verheerenden Wirkungen gegenseitiger Berührung. Wie blond ist doch das Geräusch
des Regens, wie blond das Singen der Spiegel! Vom Parfüm der Handschuhe bis
zum Ruf der Eule, vom Herzklopfen des Mörders bis zur Blütenlohe des Goldregens,
von der Bißwunde bis zum Chanson, so viele Blondheiten wie Lider: Blondheit
der Dächer, Blondheit der Winde, Blondheit der Tische oder der Palmwedel, es
gibt ganze Tage der Blondheit. Warenhäuser für Blond, Galerien für das Verlangen,
Orangeadepulverkammern. Blond, wohin man blickt: ich gebe mich dieser Besenkiefer
der Sinne anheim, diesem Konzept von der Blondheit, die nicht die Farbe selbst
ist, sondern sozusagen ihr Wesen, innig verbunden dem Liebesgeflüster. Von Weiß
über Gelb bis hin zu Rot gibt das Blond sein Geheimnis nicht preis. Das Blond
gleicht dem Gestammel der Wollust, den Freibeutereien der Lippen, dem Erschauern
klarer Gewässer. Das Blond entzieht sich dem, der es definieren will, entwischt
ihm auf einer Art von Schlangenpfad, auf dem ich Blumen und Muscheln finde.
Ein Abglanz von Frau liegt auf den Steinen, die Luft gemahnt sonderbar an Liebkosungen,
das Scheitern der Vernunft weht mich an. Blondheiten wie die Macht der Umarmung,
das Haar wurde also im Laden der Passage gelöst und ich, seit ungefähr einer
Viertelstunde verging ich hier. Mir war, als könnte ich mein Leben nicht fern
von diesem Wespenschwarm, von diesen schimmernden Fluten verbringen. Wie auch
sollte man an diesem unterseeischen Ort nicht an jene Kinoheldinnen denken,
die, auf der Suche nach einem verlorenen Ring, ihr ganzes perlmutternes Amerika
in eine Taucherglocke stecken? Dieses gelöste Haar hatte die elektrische Fahlheit
von Gewittern, die blaße Farbe eines Atemhauchs auf Metall. Es glich einem müden
Tier, das im Wagen schlummerte. Man wunderte sich, daß es nicht mehr Geräusch
machte, als bloße Füße auf einem Teppich. Was gibt es blonderes als Moos? Ich
habe oft geglaubt, Champagner auf dem Waldboden zu sehen. Und die Pfifferlinge!
Die Reizker! Die fliehenden Hasen! Die Aufnahme von Fährten! Das Herz des Waldes!
Die Farbe Rosa! Das Blut der Pflanzen! Die Augen der Hindinnen! Das Gedächtnis:
fürwahr das Gedächtnis ist blond. An seinen äußersten Rändern, dort wo Erinnerung
und Täuschung einen Bund eingehen, die heblichen Trauben der Klarheit! Das glanzlose
Haar bekam plötzlich einen Schimmer von Portwein: der Friseur begann mit dem
Ondulieren à la Marcel. -
(ara)
Blond (3)
Manschette 7 Es ist nicht schwierig blond zu sein Schau mir ins Auge Je te crache sur la tête Ist es so schwierig blond zu sein |
- Walter Serner, Das Hirngeschwür. Hg.
Thomas Milch. München 1988
![]() ![]() |
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
![]() ![]() ![]() |
||
![]() ![]() |
![]() ![]() |