eberlegenheit Sollte nicht für die Superioritaet der Frauen der Umstand sprechen, daß die Extreme ihrer Bildung viel frappanter sind, als die Unsrigen. Der verworfenste Kerl ist vom trefflichsten Mann nicht so verschieden, als das elende Weibsstück von einer edlen Frau. Nicht auch der, daß man sehr viel Gutes über die Männer, aber noch nichts Gutes über die Weiber gesagt findet.
Haben sie nicht die Aehnlichkeit mit dem Unendlichen, daß sie sich nicht quadriren, sondern nur durch Annäherung finden lassen? Und mir dem Höchsten, daß sie uns absolut nah sind, und doch immer gesucht - daß sie absolut verständlich sind und doch nicht verstanden, daß sie absolut unentbehrlich sind, und doch meistens entbehrt werden, und mit höhern Wesen, daß sie so kindlich, so gewöhnlich, so müßig und so spielend erscheinen?
Auch ihre größere Hülflosigkeit erhebt sie über uns - so wie ihre größere
Selbstbehülflichkeit - ihr größeres Sklaven- und ihr größeres Despotentalent
- und so sind sie durchaus über uns und unter uns und dabey doch zusammenhängender
und untheilbarer, als wir. - Novalis, Teplitzer Fragmente (1798)
Überlegenheit (2)
Wenn ich beschäftigt bin, schaut
mich der Berg an Wenn ich müßig bin, schaue ich den Berg an Beide Dinge mögen gleich erscheinen Doch gleich sind sie nicht Da Beschäftigung der Muße unterlegen ist |
- Tsai Wen
Überlegenheit (3) Alles Uebertreffen
ist verhaßt, aber seinen Herrn zu übertreffen, ist entweder ein dummer oder
ein Schicksals-Streich. Stets war die Ueberlegenheit verabscheut; wieviel mehr
die über die Ueberlegenheit selbst. Vorzüge niedriger Gattung wird der Behutsame
verhehlen, wie etwa seine persönliche Schönheit durch Nachlässigkeit im Anzuge
verleugnen. Es wird sich wohl treffen, daß Jemand an Glücksumständen,
ja an Gemüthseigenschaften uns nachzustehn sich bequemt, aber an Verstand kein
Einziger; wie viel weniger ein Fürst. Denn der Verstand ist eben die Königliche
Eigenschaft und deshalb jeder Angriff auf ihn ein Majestätsverbrechen. Fürsten
sind sie, und wollen es in dem seyn, was am meisten auf sich hat. Sie mögen
wohl, daß man ihnen hilft, jedoch nicht, daß man sie übertrifft: der ihnen ertheilte
Rath sehe daher mehr aus wie eine Erinnerung an das was sie vergaßen, als wie
ein ihnen aufgestecktes Licht zu dem was sie nicht finden konnten. Eine glückliche
Anleitung zu dieser Feinheit geben uns die Sterne, welche, obwohl hellglänzend
und Kinder der Sonne, doch nie so verwegen sind, sich mit den Strahlen dieser
zu messen. - (
ora
)
Überlegenheit (4) ICH BIN AUCH NICHT DÜMMER ALS ANDERE. Also besitze ich eine Intelligenz, die der jedes beliebigen anderen zumindest gleichwertig ist. Diese Konsequenz erscheint nicht zwingend, aber mit der Logik der BÜRGER ist es wie mit manchen grammatikalischen Gesetzen bestellt, bei denen allein der Gebrauch den Ausschlag gibt. Wenn der alte Regenschirmhändler zu der jungen Telegraphenbeamtin sagte: »Ich bin auch nicht dümmer als andere, und der Beweis dafür ist, daß ich Sie schon von klein auf kenne«, steht fest, daß der Papierwarenhändler und der Schuhfabrikant nicht verfehlen würden, das als handgreiflichen Beweis anzuerkennen.
Die Kraft eines Menschen, der guten Gewissens behaupten kann, er sei auch
nicht dümmer als andere, ist unberechenbar. Es schwebt ein solches Geheimnis
um diesen verteufelten Gemeinplatz, daß man nahezu
versucht ist zu glauben, daß er irgend etwas mit der Erschaffung
der Welt zu tun gehabt haben muß. - (
bloy
)
Überlegenheit (5) Nach dem,
was er von Ehen gesehen hatte, bezweifelte er nicht, daß
die meisten Ehemänner keinen geringen Teil ihres Lebens
damit verbringen, sehnsüchtige Pläne für die Tötung ihrer Frauen auszuhecken,
wenn sie auch nicht den Mut haben, diese Pläne durchzuführen. Seine Überlegenheit
würde sich dadurch zeigen, daß er seine Träume in die Tat umsetzte. -
Francis Iles, Vorsätzlich. München o.J. (Goldmann Taschen-Krimi 3059)
Überlegenheit (6) Man muß stets den Eindruck
erwecken, daß man das, was man sagt, selbst schaffe. Man muß über seine Worte
gebieten. Die Vorstellung, man spreche zu Zuhörern, die an Macht, Glaubwürdigkeit,
vor allem aber an Geist unterlegen sind, gibt Freiheit, Sicherheit und sogar
Anmut. Einmal sah ich d'Alembert im Gespräch in seiner Wohnung oder besser:
in einer Art Elendsquartier, denn sein Zimmer verdiente keinen anderen Namen.
Er war von Rittern des Ordens vom Heiligen Geist, Ministern, Botschaftern umgeben.
Wie groß war seine Verachtung für diese Welt. Ich
war überwältigt von dem Gefühl, das die Überlegenheit des Geistes in der Seele
hervorruft. - (
hds
)
Überlegenheit (7) U e b e r l e g
e n h e i t im Umgang erwächst allein daraus, daß man der Andern in keiner Art
und Weise bedarf, und dies sehn läßt. Dieserwegen ist es rathsam, Jedem, es
sei Mann oder Weib, von Zeit zu Zeit fühlbar zu machen, daß man seiner sehr
wohl entrathen könne: das befestigt die Freundschaft; ja, bei den meisten Leuten
kann es nicht schaden, wenn man ein Gran Geringschätzung
gegen sie, dann und wann, mit einfließen läßt: sie legen desto mehr Werth auf
unsere Freundschaft: chi non estima vien stimato (wer nicht achtet wird
geachtet) sagt ein feines italiänisches Sprichwort. Ist aber Einer uns wirklich
sehr viel werth; so müssen wir dies vor ihm verhehlen, als wäre es ein Verbrechen.
Das ist nun eben nicht erfreulich; dafür aber wahr. Kaum daß Hunde die zu große
Freundlichkeit vertragen; geschweige Menschen. - Schopenhauer, Aphorismen
zur Lebensweisheit
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