ultan  Vor drei Jahren, als der Elsaß-Lothringer Dampfer »Saarbrücken« bei geradezu fürchterlich heißem Wetter Kohlen in Aden einnahm, erbat sich Nurkeed, der große, dicke Sansibar-Heizer, der den ungeheuren Kessel rechts unten, dreißig Fuß unter dem Deck, bediente, Urlaub, um ein wenig an Land zu gehen.

Als nüchterner »Sidi-boy« - so heißen die Heizer — verließ er das Schiff, aber zurück kam er als Vollblut-Sultan von Sansibar - als Seine Hoheit Sayyid Burgash, mit einer Flasche in jeder Hand. Dann fläzte er sich auf das Lukengitter des Vorderdecks hin, fraß Salzfisch mit Zwiebel und sang die Lieder eines fernen Landes dazu. Eigentlich gehörte das Mahl Pambé, dem Serang oder Oberhaupt der indischen Matrosen, der es soeben erst für sich selbst gekocht hatte und nur einen Augenblick weggegangen war, um sich das nötige Salz dazu auszuborgen. Als er zurückkehrte, war es zu spät: Nurkeeds schmutzige Finger steckten bereits in der Schüssel!

Ein Serang ist ein Würdenträger, verglichen mit einem Heizer, obgleich er schlechter bezahlt wird. Er leitet den Chor: »Hya! Hulla! Hi-ah! Heh!«, wenn die Gig des Kapitäns an den Davits an Deck gezogen wird; er handhabt sogar das Tieflot! Zuweilen, wenn an Bord nichts zu tun ist, zieht er schneeweißes Musselin an und eine große rote Schärpe und spielt mit den Kindern der Passagiere auf dem Quarterdeck. Dafür bekommt er Trinkgelder, die er sorgfältig zusammenspart für eine Orgie in Bombay oder Kalkutta oder Pulu Penang.

»Ho! Du schwarzes dickes Ofenrohr, du frißt ja mein Essen!« sagte Pambé in dem gewissen Lingua-Franca-Jargon, der dort beginnt, wo die Levantesprache aufhört, um dann vorzuherrschen, von Port Said angefangen ostwärts, bis der Osten zum Westen wird und die Seglerbriggs der Kurileninseln mit den verstreuten Hakodate-Dschunken schwätzen.

»Sohn des Iblis, Affenschnauze, vertrocknete Haifischleber, Schweinekerl, - ich bin der Sultan Sayyid Burgash und Oberbefehlshaber an Bord! - Da hast du deinen Dreck wieder!« schrie Nurkeed und warf Pambé den leeren Topf zu.

Pambé schleuderte ihn verachtungsvoll in ein Wasserschaff über Nurkeeds Wollschädel. Nurkeed zog das Messer und stach damit Pambé ins Bein, worauf Pambé seinerseits ein Messer zückte. Aber Nurkeed ließ sich in die Finsternis hinabfallen und spuckte von unten durch das Gitter nach Pambé, dessen Blut das saubere Vorderdeck besudelte.

Der weiße Mond war der einzige Zeuge dieser Vorgänge, denn die Offiziere des Schiffs standen abseits, um die Verstauung der Kohlen zu überwachen, und die Passagiere drängten sich in ihre Kabinen. »Macht nix«, sagte Pambé und verband sich die Wunde, »wir werden die Sache später schon in Ordnung bringen.«

Als Malaye und in Indien geboren war er einmal in Burma verheiratet, wo seine Gattin einen Zigarrenladen in der Shwe-Dagon-Straße besaß; ein zweites Mal in Singapur mit einem Chinesenmädel, und außerdem noch in Madras mit einer mohammedanischen Geflügelverkäuferin. Ein englischer Seemann kann wegen der Segnungen der Post und des Telegraphen nicht so ausgiebig heiraten, wie er gerne möchte, aber ein eingeborener Matrose kann es, denn er kümmert sich um die barbarischen Einrichtungen des Westens den Teufel.

Pambé war ein solider Ehemann, vorausgesetzt, daß er sich der Existenz einer seiner Gattinnen jeweils bewußt wurde; aber andererseits war er auch Malaye, und es ist nicht ratsam, einen Malayen zu beleidigen, denn er vergißt niemals. Hier, im Fall Pambé, war Blut vergossen und Essen besudelt worden.

Am nächsten Morgen stand Nurkeed mit klarem Kopf auf; er war nicht mehr länger der Sultan von Sansibar, sondern lediglich ein von Kesselglut gequälter Heizer. Als solcher begab er sich auf Deck und öffnete seine Brust der Morgenbrise, da kam ein Messer angesaust wie ein fliegender Fisch knapp an seiner Achselhöhle vorbei und blieb in der Tür der Schiffsküche stecken. - Rudyard Kipling, Serang Pambés Harren und Hoffen, nach (ki)

Sultan (2) Die Audienzen fanden gewöhnlich am Nachmittag statt, manchmal auch früh am Morgen. Der Sultan saß mit übereinandergespreizten Beinen auf seinem Thron unter einem weißbeschlagenen Baldachin, ein großes Kissen hinter sich, zwei andere als Armstützen auf beiden Seiten. Vor ihm stand der Wesir, dahinter die Sekretäre, dann die Kämmerer und so nach der Rangordnung des Hofes weiter. Während der Sultan sich niedersetzte, rufen Sekretäre und Kämmerer so laut sie können: »Bismillah! - In Gottes Namen!« Hundert Waffenträger stehen rechts, hundert links, mit Schildern, Schwertern und Bogen. Die übrigen Beamten und Würdenträger stellen sich zu beiden Seiten der Halle auf. Dann werden sechzig Pferde in königlichem Geschirr hereingebracht; sie werden rechts und links so angeordnet, daß der Sultan sie sehen kann. Als nächstes werden fünfzig mit Seidendecken geschmückte Elefanten hereingeführt; ihre Stoßzähne sind mit Eisen beschlagen, die beim Töten von Verbrechern sehr wirksam sind. Auf dem Nacken jedes Elefanten sitzt sein Führer, er hält eine Art von eiserner Axt, mit der er das Tier straft und lenkt. Auf seinem Rücken trägt jeder Elefant einen geräumigen Kasten, der je nach der Größe des Tieres zwanzig oder mehr Soldaten faßt. Diese Elefanten sind dazu abgerichtet, dem Sultan zu huldigen, und verneigen sich vor ihm. Jedesmal wenn sie sich verneigen, rufen die Kämmerer laut: »In Gottes Namen!« Auch sie werden zur Hälfte rechts und zur Hälfte links hinter den stehenden Personen angeordnet. Jede Person, die eintritt, hat einen bestimmten Platz und macht, sobald sie bei den Kämmerern angelangt ist, ihre Verbeugung. Diese sagen dann: »In Gottes Namen«, und regulieren die Lautstärke ihres Rufs nach dem Rang der betreffenden Person, die sich auf ihren Platz zurückzieht, den sie nie überschreitet. Wenn es einer der ungläubigen Hindus ist, der huldigen kommt, sagen ihm die Kämmerer: »Gott geleite dich!«  - (cane)

Sultan (3) Der Sultan sagte: »Die Strafen, die man damals vorschlug, waren jenem früheren Zustand der Welt angemessen. Heute gibt es viel mehr schlechte und aufsässige Menschen. Ich bestrafe sie auf den bloßen Verdacht oder die Vermutung ihrer rebellischen und verräterischen Absicht, und ich bestrafe den geringfügigsten Akt des Ungehorsams mit dem Tode. Das werde ich weiter tun, bis ich sterbe oder bis die Leute sich anständig benehmen und Rebellion und Ungehorsam aufgeben. Ich habe keinen solchen Wesir, der Regeln macht, um zu verhindern, daß ich Blut vergieße. Ich bestrafe die Leute, weil sie alle auf einmal meine Feinde und Widersacher geworden sind. Ich habe großen Reichtum unter sie verteilt, aber sie sind trotzdem nicht freundschaftlich und loyal geworden. Ihre Stimmung ist mir wohlbekannt, und ich sehe, daß sie unzufrieden und mir feindlich gesinnt sind.«

In einem späteren Gespräch bedauert er, daß er nicht früher alle umbringen ließ, die ihm durch ihre Aufstände dann so viel Scherereien bereitet haben. - (cane)

Sultan (4)

Während Führung durch marokkanischen Palast (Sie haben bei Cook gebucht) verirren Sie sich in Korridor und fragen Eunuchen, wo die übrige Reisegruppe ist. Lächelnder Eunuch führt Sie durch goldverzierte Tür, und Sie befinden sich in üppig ausgestattetem Harem, wo Sie sogleich von Sultan entjungfert werden. Nach Entjungferung sagt er: »Du bist keine von meinen regulären Frauen. Man schlage der Betrügerin den Kopf ab

Sie sagen: »Klasse. Ich hab mal genau so einen Film gesehen, mit Turhan Bey in der Hauptrolle.«

 

Der Versuch einer Schmeichelei in letzter Minute, und vielleicht funktioniert er sogar.    MISS H. P.

 - Hyacinthe Phypps & Edward Gorey, Das jüngst entjungferte Mädchen. Das rechte Wort am unrechten Ort. Zürich 1971 (detebe 101, zuerst 1966)

Sultan (5)  Das kaiserliche Liebesfeuer war es nicht, das die einsetzende Nacht erhellte. Zwar flehte eine Gruppe angesehener Bürger der Stadt Karl V. kniefällig an, Barmherzigkeit zu üben. Aber selbst wenn er gewollt hätte, der entfesselte Kampfgeist und Blutrausch seiner Heerscharen war nicht zu bändigen. Drei Tage und Nächte lang wüteten Plünderung, Vergewaltigung, Mord und Brand in Tunis. Zumal einige Veteranen des Gemetzels von Otranto schwelgten in entsetzlichen Rachetaten. Denn die Sarazenen, von einem Adligen wegen einiger ihm lästigen Steuerschulden gegen Neapel zu Hilfe gerufen, hatten die Stadt zerstört, den Bürgermeister und den Bischof sadistisch gemartert und dann bei noch lebendigem Leibe entzweigesägt. Über zwölftausend Einwohner waren damals erschlagen oder verschleppt worden.

Zu Tunis wurden es gegen rund vierzigtausend. Die Gassen wurden unwegsam durch die Haufen der Leichen beiderlei Geschlechts. In den Moscheen verschwanden die bunten Muster der Fliesen unter den Blutbächen der Schlächterei.

Mit den Siegern hatte sich auch der frühere, von Cheireddin vertriebene tunesische Sultan wieder eingefunden und gelobte dem Kaiser demütige Vasallentreue. Die Soldaten boten ihm lachend seine eigenen Untertanen zum Kauf an, das Stück für zwei Dukaten. Er kaufte aber nur eine seiner Lieblingsfrauen zurück, ohne Preisaufschlag, was auf ihren Zustand und seine Kasse schließen läßt. Ihn schienen die Greuel ringsum nicht zu berühren. Um den Thron besteigen zu können, hatte er seine sämtlichen Brüder umgebracht, vierundvierzig an der Zahl. Als später sein eigener Sohn das gleiche mit ihm vorhatte, floh er nach Neapel, nahm das Christentum an und schlug sich bettelnd bis zum Reichstag zu Regensburg durch, seine Vermögensverluste anzumelden.  - (bord)

Sultan (6)

- N. N.

Sultan (7)  Der Sultan übt über seine Untertanen die despotischste Herrschaft aus. Nach der Lehre der Türken hat ihr Herrscher das Vorrecht, jeden Tag straflos vierzehn seiner Untertanen zu töten, ohne sich dem Vorwurf der Tyrannei auszusetzen; weil dieser Fürst, ihnen zufolge, häufig aus geheimen Regungen, göttlichen Eingebungen heraus handelt, die zu ergründen ihnen nicht erlaubt ist. Indessen schließen sie Vater- & Brudermord aus, den sie sogar bei ihren Sultanen als Verbrechen ansehen. Was nicht verhindert, daß die Brüder der Herrscher oftmals die ersten Opfer waren, die sie ihrer Sicherheit opferten. - (enc)

Sultan (8)  Wissen Sie, was der Sultan glaubte, als er das erste Mal eine Posaune sah? Halten Sie sich fest, denn jetzt kommt wirklich etwas Komisches. Diener Allahs, der er war, meinte er, der Musiker verschlinge das Instrument und spucke es dann wieder aus.  - Javier Tomeo, Unterhaltung in D-Dur. Berlin 1995

Sultan (9)   In Baghdad herrschte vor dem Kalifat des 'Abd el-Melik ibn Merwân ein König, der hieß 'Omar ibn en-Nu'mân; er gehörte zu den gewaltigen Recken, und er hatte die persischen Könige und die oströmischen Kaiser besiegt. Keiner konnte ihm nahen in seines Zornes Glühn; und niemand wagte es, wider ihn auf den Kampfplatz zu ziehn; wenn er ergrimmte, sah man aus seinen Nüstern Funken sprühn. Er war König aller Länder, und Gott hatte ihm alle Menschheit unterstellt, und sein Befehl galt überall in der ganzen Welt. Seine Heere waren bis in die fernsten Länder vorgedrungen; Ost und West und die Länder, die dazwischen lagen, waren seiner Herrschaft untertan: das nahe und das fernere Indien, China, das Land des Hidschâz und das Land Jemen,  die Inseln von Hinterindien und China, das Land des Nordens mit Mesopotamien, der Sudan und die Inseln des Weltmeeres und auch die weitberühmten Ströme der Erde, wie der Jaxartes und der Oxus, der Nil und der Euphrat. Er schickte seine Gesandten in die fernsten Hauptstädte, auf daß sie ihm getreulich Bericht erstatteten. Die kehrten dann heim und brachten ihm Nachricht vom Walten der Gerechtigkeit, von der Botmäßigkeit und Sicherheit und von den Gebeten für den Sultan 'Omar ibn en-Nu'mân. Es war, o größter König unserer Zeit, seine Abkunft von hochedler Vornehmheit; Geschenke, Kleinodien und Tribut wurden ihm gebracht von weit und breit. Nun hatte er einen Sohn namens Scharkân, der von allen Menschen seinem Vater am meisten ähnlich war; denn er wuchs heran als ein Schrecken der Zeit, besiegte die Männer der Tapferkeit und vernichtete die Gegner im Streit. Darum brachte ihm sein Vater eine so große Liebe entgegen, wie sie nicht übertroffen werden konnte, und machte ihn zum Erben des Königreiches nach seinem Tode. Dieser Prinz wuchs also auf, bis er das Mannesalter erreicht hatte und zwanzig Jahre alt war; und Gott unterwarf ihm alle Kreatur, da er wie ein gewaltiges Unwetter im Streite herniederfuhr.  - (1001)

Herrscher Orientale
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