arem Berlin 13. Februar 1926. Sonnabend Um eins, nachdem gerade meine Gäste gegangen waren, rief Max Reinhardt an, er sei bei Vollmoeller, sie bäten mich beide, ob ich nicht noch hinkommen könne? Miß Baker sei da, und nun sollten noch fabelhafte Dinge gemacht werden. Ich fuhr also zu Vollmoeller in seinen Harem am Pariser Platz und fand dort außer Reinhardt und Huldschinsky zwischen einem halben Dutzend nackter Mädchen auch Miß Baker, ebenfalls bis auf einen rosa Mullschurz völlig nackt, und die kleine Landshoff (eine Nichte von Sammy Fischer) als Junge im Smoking. Die Baker tanzte mit äußerster Groteskkunst und Stilreinheit, wie eine ägyptische oder archaische Figur, die Akrobatik treibt, ohne je aus ihrem Stil herauszufallen. So müssen die Tänzerinnen Salomos und Tut-ench-Amuns getanzt haben. Sie tut das stundenlang scheinbar ohne Ermüdung, immer neue Figuren erfindend wie im Spiel, wie ein glückliches Kind. Sie wird dabei nicht einmal warm, sondern behält eine frische, kühle, trockene Haut.
Ein bezauberndes Wesen, aber fast ganz unerotisch. Man denkt bei ihr an Erotik ebensowenig wie bei einem schönen Raubtier. Die nackten Mädchen lagen oder tänzelten zwischen den vier oder fünf Herren im Smoking herum, und die kleine Landshoff, die wirklich wie ein bildschöner Junge aussieht, tanzte mit der Baker moderne Jazztänze zum Grammophon.
Vollmoeller wollte für die Baker ein Ballett schreiben, das er noch in dieser
Nacht fertigzumachen und Reinhardt zu geben vorhatte. Eine Kokottengeschichte.
Zwischen Reinhardt, Vollmoeller und mir, die darum herum standen, lagen die
Baker und die Landshoff wie ein junges, bildschönes Liebespaar umschlungen.
- Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918 bis 1937. Hg. Wolfgang Pfeiffer-Belli.
Frankfurt am Main 1982 (it 659)
Harem (2) Über die Jahre meines
langen Junggesellenlebens hatte ich einen unsichtbaren Harem von Verflossenen
oder Verpaßten angesammelt. Allen machte ich Versprechungen. Einige waren noch
verhältnismäßig jung, andere inzwischen alt geworden. Eine hatte Krebs. Verschiedene
hatten geheiratet, manche sogar zum zweiten oder dritten Mal. Ihre Töchter behandelten
mich wie ihren Stiefvater. Man erwartete von mir, daß ich Glückwünsche und Geschenke
zu ihren Geburtstagen und anderen Gedenktagen schickte. Die meisten vernachlässigte
ich und wachte nachts mit schlechtem Gewissen auf. Ich trat oft auf telepathischem
Wege mit ihnen in Verbindung, und sie schienen auf dem gleichen Wege zu antworten.
Telepathie, Hellseherei und Vorahnungen ersetzten Briefe, Telephonanrufe und
Besuche. Ich tat allen Unrecht, und trotzdem überschütteten mich diese Frauen
weiterhin mit Liebe. Vielleicht weil ich - in Gedanken zumindest - ihnen immer
noch ergeben war. Vor dem Einschlafen betete ich für sie. -
Isaac Bashevis Singer, Die Aktentasche. In: I.B.S., Der
Kabbalist
vom East Broadway.
München 1978 (zuerst 1972)
Harem (3) Die
verleumderische Aktivität des Papstes, der erfahren haben mochte, daß sich unter
den Geschenken des Sultans an Friedrich auch sarazenische Tänzerinnen befanden,
ging so weit, daß unter den Pilgern das Gerücht entstand, der Kaiser
habe die Tochter des Sultans und fünfzig Sarazeninnen geheiratet. Tatsache ist,
daß er aus der Verbindung mit einer Orientalin
einen natürlichen Sohn, Friedrich von Antiochien, hatte. Harems hatten schon
seine normannischen Vorfahren unterhalten. Von ihm selbst aber weiß man erst
aus späterer Zeit, daß er in seinem Gefolge Frauen in verschleierten Sänften,
von Eunuchen bewacht, mit sich führte. - Herbert Nette, Friedrich II.
von Hohenstaufen. Reinbek bei Hamburg 1975
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