atan  Die Christen tappten bei der Frage nach dem Aussehen Satans lange Zeit im dunkeln. Noch im 6. Jahrhundert u. Z. bildet ein Mosaik in Ravenna, auf dem das Jüngste Gericht dargestellt ist, Satan mit einem Heiligenschein ab, wie er allen Himmelswesen zustand.

Außerdem hat der Satan von Ravenna gefiederte Schwingen und steht links neben Christus. Der einzige Hinweis des Künstlers auf seine Verworfenheit ergibt sich aus der Farbe seines Gewandes — es ist blau statt rot. Rot war die Farbe der Engel, die Gott am nächsten standen; Blau hingegen war für jene Engel bestimmt, die als Boten allzeit bereit waren, auf die Erde herabzusteigen.

Die Ikonographie jener Zeit hatte den einstigen Erzengel Luzifer noch nicht dauerhaft in die Gestalt des bösen Tiers verbannt, das sich am Höllenfeuer wärmt.

Im Mittelalter jedoch hatte sich Satan zum Ungeheuer ausgewachsen. Jetzt besaß er Hörner, Hufe und einen struppig behaarten Körper. Der einstige »Lichtträger« war nun ein Mischwesen, halb Mensch, halb Ziegenbock


Goya, Hexensabbat

— eine Bildidee, zu der der griechische Gott Pan die christlichen Künstler inspirierte.

Während der nächsten Jahrhunderte griffen die Künstler immer wieder auf die Ikonographie heidnischer Dämonen zurück, wenn es darum ging, neue Attribute für den Teufel zu finden: langer, schlangenartiger Schwanz mit herzförmiger Spitze, lange krallenartige Fingernägel, ledrige Fledermausflügel und Dreizack. Satan wurde zu einer Collage aus uralten Schreckbildern.

Selbst die Ketzersekten, die den Teufel anbeteten, bevorzugten diese abstoßenden Darstellungen. - (pan)

Satan (2) Eigentlich ist es nicht überraschend, daß die alten Israeliten einen einzelnen, in einer Unterwelt residierenden Erzfeind Gottes nicht kannten, denn als Volk hatten sie noch keine klare Vorstellung von einer Hölle entwickelt.

Die alten Israeliten brauchten auch deshalb keinen Satan, der den Menschen Plagen und Pest, Hungersnot und Kummer schickte, weil ihr Gott, der zornige Gott Abrahams, alles das selbst besorgte. - (pan)

Satan (3) Samuel Spades Unterkiefer war lang und knochig. Sein Kinn sprang  in scharfer V-Form unter dem sanfter geschwungenen V seines Mundes vor. Die Nasenflügel, wie sie sich nach rückwärts zogen, bildeten ein weiteres, ein kleineres V. Seine gelbgrauen Augen standen waagrecht. Die buschigen Brauen, die von der Doppelfalte über die Hakennase sich auswärts wölbten, nahmen noch einmal das V-Motiv auf, und sein blaßbraunes Haar wuchs von hohen, flachen Schläfen spitz in die Stirn. Auf eine eigentlich ganz nette Weise sah er aus wie ein blonder Satan.

Hammett
Bild aus: Dashiell Hammett, Der Fluch des Hauses Dain. Zürich 1976 (detebe 20293) 

Er sagte zu Effie Perine: »Na, mein Schatz?« - Dashiell Hammett, Der Malteser Falke. München o. J. (Goldmann, ca. 1966, zuerst 1930)

Satan (4)   Nach einiger Zeit bemerkten Vathek und Nuronihar einen Schimmer, der durch die Vorhänge drang, und traten in einen weiten, weihevollen Raum ein, der ringsum mit Leopardenfellen behängt war. Greise mit wallenden Bärten und Afriten in voller Rüstung lagen kniend vor den Stufen eines steilen Thronaufbaus, darauf auf einer Feuer kugel der gefürchtete Eblis saß. Er hatte das Aussehen eines jungen Mannes, dessen edle und regelmäßige Züge durch böse Dünste angewelkt sind.

 Verzweiflung und Stolz malten sich in seinen großen Augen, und sein flutendes Haar erinnerte noch an einen Engel des Lichts. In seiner von Gewittern versengten Hand schwang er das eherne Zepter. das das Ungeheuer Uranabad, die Afriten und alle Mächte des Abgrunds zittern macht. Bei diesem Anblick verlor der Kalif seine ganze Beherztheit und fiel nieder auf sein Angesicht. Nuronihar jedoch, obwohl sie ebenso fassungslos war, konnte nicht umhin, die Person des Eblis zu bewundern, denn sie hatte sich ihn als einen grausigen Riesen vorgestellt. Da begann Eblis mit einer Stimme, die so mild war, wie man es von ihm nicht hätte erwarten können, aber doch so, daß sie ganz zu Herzen drang und die Seele mit tiefster Schwermut erfüllte, und sprach: «Geschöpfe aus Ton, Wir empfangen euch in Unserm Reich, ihr zählt zu Unsern Anbetern. Genießt alles, was dieser Palast euch bietet: die Schätze der präadamitischen Sultane, ihre flammenden Säbel und jene Talismane, die die Diven zwingen, euch die Gewölbe unter den Kaf zu öffnen, die mit diesen Gewölben verbunden sind. Da werdet ihr, so unersättlich eure Neugier auch sein möge, genug Dinge finden, die sie befriedigen. Es wird euch der seltene Vorrang zuteil, in die Festung Aherman und die Hallen von Argenk einzudringen, wo die Abbilder aller wissenden Wesen zu sehen sind und der zahlreichen Tiere, die die Erde bewohnten vor der Erschaffung dieses Nichtswürdigen, den ihr den Vater der Menschheit nennt.»  - William Beckford, Vathek. Stuttgart 1983 (Bibliothek von Babel, Bd.3, Hg. J. L. Borges)

Satan (5) Sie wanderten. Abraham löste mühsam die heimlich geballten Fäuste und seufzte tief. Da ahnte Isaak, daß sein Vater einen Auftrag des Herrn erhalten haben mußte. Er wurde von Mitleid überwältigt und sprach schnell und aus gläubigem Herzen: »Wenn du mich für würdig erachtest, Vater, werde ich dir folgen, wohin du auch willst!«

Diese Antwort war Gott, und sie war dem Erzvater ein Wohlgefallen. Jedoch der Satan, dem es noch aus seiner einstigen Engelszeit verliehen ist, jede Rede auf dem Erdenrund zu hören und alle Zweifler an Gottes Güte und Gerechtigkeit zu versuchen -: der Satan führ in der Gestalt eines pilgernden Greises aus dem Schwefelbrodem und Torffeuer der Hölle zur Erde auf, trat, Tropfen im Barthaar, als habe er sich gerade an einem nahen Wasserloch gelabt, den Wanderern in den Weg, beugte sich vor Abraham bis zum Boden und sprach: »Erzvater, Strahlender und Glänzender, Gebieter über tausend Kamele, Knechte und Weiber, sag, bist du des Weges verlustig geworden? Du folgst einer Richtung, die nur wüstenwärts führt. Oder reisest du etwa zu den heidnischen Stämmen nach Morija, Die alle dem Herren ein Greuel sind?«

»Ich gehe den Weg, den ich gehe«, erwiderte Abraham mürrisch.
Sie wanderten schweigend. Der Satan hinkte.
»Und wohin führst du deinen schönen schwarzgelockten Sohn«, fragte er plötzlich, »nach Morija oder zu dem rostroten Stein?«
Abraham bezwang seinen Zorn. Er war der Erzvater und hätte das Recht gehabt, den Frechling für diese unverschämte Frage zu züchtigen. Da er aber im Dienste des AUgütigen stand, zerblies er die Unmutswolken, die sich in seiner Seele sammelten, und sprach gelassen: »Ich führe meinen Sohn Isaak auf den Berg, der mitten im Winter von Blütenschnee überquillt!«

Isaak sah auf. Die Sonne brach mit Getöse durch den sandfarbnen Horizont.

»Es gibt hier hundert Stunden im Umkreis nur einen Hügel, und der starrt von Steinen, und auf seinem runden Gipfel liegt eine rostrote Platte, doch das weißt du ja selbst«, entgegnete der Satan und zeigte in das tosende, seinen ersten Entzünder grüßende Licht, in dem sich winzig schwarz eine Erdfalte bäumte.

Da begann Abraham den Verführer zu erkennen. »Hebe dich hinweg, böser Feind, abtrünniger Engel und Bringer des gleißenden, sinnenverwirrenden Lichtes!« rief er leise, denn er fürchtete, sein Sohn Isaak könne Verdacht schöpfen und aus seiner Auserwähltheit — denn nichts anderes war ja seine Bestimmung zum Opfertod — zu den Heiden hinter dem Hügel fliehen, die alle dem Herren ein einziger stinkender Greuel sind.

»Erzvater«, flüsterte der Satan mit solch leiser Stimme, daß Isaak nur einen Hauch im Windsirren hörte, »Erzvater, ich weiß, daß du deinen Sohn zur Schlachtbank führest wie zehn Väter vor dir, um Den da oben durch das Opfer des liebsten Besitzes zu erfreuen. Man nennt dich den Weisesten unter den Weisen und den Kundigsten im Rate - belehre darum deinen Knecht aus der Fülle deines vielhundertjährigen Wissens: Ist es gerecht, daß ein Oberer solch eine Untat von einem Vater verlangt?«

O wie plump, wie tölpelhaft, wie stinkend nach Torffeuer war dies gesprochen, und Abraham erbleichte auch vor Empörung ob solcher Lästerei. »Gott ist Gott und Gott ist der Herr und sein Name sei gepriesen in Ewigkeit«, erwiderte er mit fester Stimme, »wie stünde es mir an, den Ratschluß des Allmächtigen überprüfen und in meiner Knechtseligkeit bekritteln zu wollen!«

Da er dies, das Gewohnte, das oftmals Gesagte und fest Erprobte aussprach, begriff er sein Schwanken zur Morgenfrühe nicht mehr.

»Er ist nicht allmächtig, das weiß ich«, erwiderte der Satan, »ich habe mit ihm gekämpft und kenne die Stelle, da er verwundbar ist. Hätte ich nur mehr Mitstreiter gehabt, ich wäre durch die Phalanx der Michaeliten gebrochen und hätte den bebenden urbösen Greis vom Throne gestoßen!«  - Franz Fühmann, Erzvater und Satan. In: ders.: Der Mund des Propheten. Späte Erzählungen. Berlin 1991 (atv 75)

Satan (6)   Der romantische Held fühlt sich gezwungen, das Böse zu tun aus Sehnsucht nach einem unmöglichen Guten. Satan steht gegen seinen Schöpfer auf, weil dieser Gewalt anwandte, um ihn zu bezwingen. «Gleich an Verstand», sagt Satan bei Milton, «hat er sich mit der Gewalt über seine Ebenbürtigen erhoben.» Die göttliche Gewalttätigkeit wird so ausdrücklich verurteilt. Der Revoltierende entfernt sich von diesem aggressiven und unwürdigen Gott, «je weiter weg, um so besser», und herrscht über alle der göttlichen Ordnung feindlichen Kräfte. Der Fürst des Bösen hat seine Bahn nur deshalb gewählt, weil das Gute ein von Gott für seine ungerechten Ziele definierter und verwendeter Begriff ist. - Albert Camus, Der Mensch in der Revolte. Reinbek bei Hamburg  1969 (zuerst 1951)

Satan (7)   

- Botticelli

Hölle
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