ohn   Der Ausdruck, den ich jetzt zu beschreiben beabsichtige, weicht nur wenig von dem ab, den ich bereits beschrieben habe, wo die Lippen zurückgezogen und die grinsenden Zähne exponiert werden. Der Unterschied besteht allein darin, daß die Oberlippe in einer derartigen Weise zurückgezogen wird, daß der Eckzahn allein auf einer Seite des Gesichts gezeigt wird; das Gesicht selbst ist allgemein etwas nach oben gewandt und halb von der den Anstoß erregenden Person abgewendet. Die andern Zeichen der Wut sind nicht notwendigerweise vorhanden.

Dieser Ausdruck kann gelegentlich an einer Person beobachtet werden, welche einer andern Hohn bietet oder sie trotzend herausfordert, obschon kein wirklicher Zorn dabei ist, so zum Beispiel wenn irgend jemand scherzhafterweise irgendeines Fehlers bezichtigt wird und antwortet: »Ich biete der Beschuldigung Trotz.« Die Ausdrucksform ist keine gewöhnliche; doch habe ich gesehen, wie eine Dame dieselbe mit vollkommener Deutlichkeit darbot, welche von einer andern Person gehänselt wurde. Schon im Jahre 1746 hat sie Parsons in einem Kupferstiche geschildert, der den einen unbedeckten Eckzahn der einen Seite zeigt. Mr. Rejlander frug mich, ohne daß ich irgendwelche Andeutung in bezug auf den Gegenstand gegeben hatte, ob ich jemals diese Ausdrucksformen beachtet hätte, und sagte, daß sie ihm sehr aufgefallen sei. Er hat für mich eine

Hohn

Dame photographiert, welche zuweilen unabsichtlich den Eckzahn der einen Seite zeigt und welche dies mit ungewöhnlicher Deutlichkeit willkürlich tun kann. Der Ausdruck eines halb scherzhaften Hohns geht allmählich in den großer Wildheit über, wenn in Verbindung mit stark gerunzelten Augenbrauen und wildem Blicke der Eckzahn exponiert wird. Ein bengalischer Knabe wurde in Gegenwart Mr. Scotts irgendeiner Untat bezichtigt. Der Delinquent wagte nicht, seinem Ärger in Worten Luft zu machen; aber er zeigte sich deutlich in seinem Gesichte, zuweilen in einem trotzigen Stirnrunzeln, zuweilen »in einem durchaus hündischen Fletschen«. Wenn sich dies darbot, »wurde der Winkel der Lippe über dem Augenzahne, »welcher zufällig in diesem Falle sehr groß und vorragend war, nach der Seite des Anklägers gehoben, während ein starkes Stirnrunzeln noch in den Brauen zurückblieb«. Sir Ch. Bell gibt an, daß der Schauspieler Cooke den entschiedensten Haß ausdrücken konnte, »wenn er bei einem schrägen Blicke seiner Augen den äußeren Teil der Oberlippe in die Höhe zog und einen scharfen Eckzahn zeigte«.

Das Entblößen des Eckzahns ist das Resultat einer doppelten Bewegung. Die Ecke oder der Winkel des Mundes wird ein wenig zurückgezogen, und zu gleicher Zeit zieht ein Muskel, welcher parallel und nahe der Nase verläuft, den äußeren Teil der Oberlippe hinauf und entblößt den Eckzahn auf dieser Seite des Gesichts. Die Zusammenziehung dieses Muskels ruft eine deutliche Furche auf der Wange hervor und erzeugt starke Falten unter dem Auge, besonders an seinem inneren Winkel. Die Handlung ist dieselbe wie die eines fletschenden Hundes, und wenn ein Hund sich zum Kämpfen anschickt, so zieht er oft die Lippe auf einer Seite allein in die Höhe, nämlich auf der seinem Gegner zugewendeten. Das englische Wort sneer (höhnen) ist faktisch dasselbe wie snarl (fletschen), welches ursprünglich snar hieß. Das i ist nur »ein Element, welches die Fortdauer der Handlung bezeichnet«.

Ich vermute, daß wir eine Spur dieser selben Ausdrucksform in dem sehen, was wir ein höhnisches oder sardonisches Lächeln nennen. Die Lippen werden dann verbunden oder beinahe verbunden gehalten, aber ein Winkel des Mundes wird auf der Seite nach der verhöhnten Person hin zurückgezogen, und dieses Zurückziehen des Mundwinkels bildet einen Teil des wirklichen Verhöhnens. Obgleich manche Personen mehr auf der einen Seite des Gesichts als auf der andern lächeln, so ist es doch nicht leicht einzusehen, warum im Falle einer Verhöhnung das Lächeln, wenn es ein wirkliches ist, so gewöhnlich auf eine Seite beschränkt sein sollte. Ich habe bei diesen Gelegenheiten auch ein leichtes Zucken in dem Muskel bemerkt, welcher den äußeren Teil der Oberlippe aufwärts zieht, und wäre diese Bewegung vollständig ausgeführt worden, so würde sie den Eckzahn entblößt und ein leichtes Verhöhnen hervorgebracht haben.

Mr. Bulmer, ein australischer Missionar in einem entfernten Teile von Gippsland, sagt in Beantwortung meiner Fragen über das Entblößen des Eckzahns auf der einen Seite: »Ich finde, daß die Eingebornen, wenn sie einander anfletschen, mit geschlossenen Zähnen sprechen, wobei die Oberlippe nach einer Seite aufgezogen ist und das Gesicht einen allgemeinen zornigen Ausdruck annimmt. Sie sehen aber die angeredete Person direkt an.« Drei andre Beobachter in Australien, einer in Abessinien und einer in China beantworten meine Fragen über diesen Gegenstand bejahend. Da aber der Ausdruck ein seltener ist und sie in keine Einzelheiten eingehen, so fürchte ich mich, mich ganz und gar auf sie zu verlassen. Es ist indessen durchaus nicht unwahrscheinlich, daß dieser tierähnliche Ausdruck bei Wilden häufiger ist als bei zivilisierten Rassen. Mr. Geach ist ein Beobachter, dem ich völliges Vertrauen schenken kann, und er hat diese Ausdrucksform bei einer Gelegenheit an einem Malaien im Zentrum von Malakka beobachtet. Mr. S. O. Glenie antwortet: »Wir haben diese Ausdrucksweise bei den Eingebornen von Ceylon beobachtet, aber nicht häufig.« Endlich hat in Nord-Amerika Dr. Rothrock dieselbe bei einigen wilden Indianern und häufig bei einem Stamme, der an die Atnah anstößt, gesehen.

Obgleich die Oberlippe sicherlich zuweilen beim Verhöhnen oder herausfordernden Trotze allein auf einer Seite erhoben wird, so weiß ich doch nicht, ob dies immer der Fall ist; denn das Gesicht ist gewöhnlich halb abgewendet und der Ausdruck häufig nur momentan. Da die Bewegung nur auf eine Seite beschränkt ist, so könnte sie keinen wesentlichen Teil der Ausdrucksform bilden, sondern davon abhängen, daß die gehörigen Muskeln zu einer Bewegung unfähig sind, ausgenommen auf einer Seite. Ich bat vier Personen, es zu versuchen, willkürlich in dieser Weise ihre Muskeln in Tätigkeit zu bringen; zwei konnten den Eckzahn nur auf der linken Seite, eine nur auf der rechten Seite und die vierte weder auf der einen noch auf der andern entblößen. Nichtsdestoweniger ist es durchaus nicht gewiß, daß dieselben Personen, wenn sie irgend jemand im Ernst herausforderten und Trotz geboten hätten, nicht unbewußt ihren Eckzahn auf der Seite entblößt hätten, welche Seite es dann auch sei, die dem Beleidiger zugekehrt ist. Denn wir haben gesehen, daß manche Personen nicht willkürlich ihre Augenbrauen schräg stellen können und doch augenblicklich in dieser Weise handeln, wenn sie durch eine wirkliche, wenn auch äußerst geringfügige Ursache der Trübsal affiziert werden. Das Vermögen, willkürlich den Eckzahn auf einer Seite des Gesichts zu entblößen, ist daher häufig gänzlich verloren worden, und dies deutet an, daß es eine selten benutzte und beinahe abortive Handlung ist.

Es ist in der Tat eine überraschende Tatsache, daß der Mensch diese Fähigkeit oder irgendwelche Neigung zu ihrer eigentlichen Verwendung noch zeigen sollte. Denn Mr. Sutton hat bei unsern nächsten Verwandten, nämlich den Affen, in dem zoologischen Garten niemals eine flerschende Bewegung bemerkt, und er ist sich sicher darüber, daß die Paviane, trotzdem sie mit großen Eckzähnen versehen sind, dies niemals tun, sondern wenn sie wild sind und sich zum Angriff bereitmachen, alle ihre Zähne entblößen. Ob die erwachsenen anthropomorphen Affen, wo beim Männchen die Eckzähne viel größer sind als beim Weibchen, wenn sie sich zum Kampfe vorbereiten, ihre Zähne entblößen, ist nicht bekannt.

Die hier betrachtete Ausdrucksweise, mag es der Ausdruck eines scherzhaften Hohns oder eines wilden Fletschens sein, ist eine der merkwürdigsten, welche bei dem Menschen vorkommt. Sie enthüllt seine tierische Abstammung; denn niemand, selbst wenn er in einem tödlichen Kampfe mit einem Feinde sich auf dem Boden wälzt und versucht, ihn zu beißen, würde versuchen, seine Eckzähne mehr zu brauchen als seine andern Zähne. Wir dürfen wohl nach unsrer Verwandtschaft mit den anthropomorphen Affen glauben, daß unsre männlichen halbmenschlichen Vorfahren große Eckzähne besaßen, und noch jetzt werden gelegentlich Kinder geboren, bei denen sie sich zu ungewöhnlich bedeutender Größe entwickeln, mit Zwischenräumen in den einander gegenüberstehenden Kinnladen zu ihrer Aufnahme.“

Wir können ferner vermuten, nichtsdestoweniger wir keine Unterstützung durch Analogie haben, daß unsre halbmenschlichen Vorfahren ihre Zähne entblößten, wenn sie sich zum Kampfe bereiteten, da wir es immer noch tun, wenn wir wild werden, oder wenn wir einfach irgend jemanden verhöhnen oder ihm herausfordernd Trotz bieten, ohne irgendwelche Absicht, mit unsern Zähnen einen wirklichen Angriff zu machen. - (dar)

Hohn (2) Die Menschen in Mangi sind jähzorniger als andere Völker. Sie legen oft aus Wut und Schmerz Hand an sich selbst. Folgendes kann vorkommen: jemand erhält eine Ohrfeige, oder er wird an den Haaren gezogen oder wird sonst tief und grundlos beleidigt. Ist der Übeltäter eine wichtige und einflußreiche Person und der Angegriffene ein armer, machtloser Mann, dann darf dieser sich nicht wehren. Aus Verzweiflung und Scham über die erlittene Beleidigung erhängt er sich in der Nacht an der Haustüre seines Peinigers. In dieser Weise drückt er seinen Hohn und seine Verachtung aus.    - (polo)

Hohn (3)  Als sie in das Alter kam, in dem die Frauen sonst heiraten, wies sie, Pa-Sini-Jobu, alle Freier zurück. Sie hatte keine Lust zu heiraten. Es waren aber immer viele Freier da, die sie gern erworben hätten. Wenn sie sich irgendwo niederließ, saßen immer zahlreiche junge Leute um sie herum und sprachen mit ihr. Wenn die jungen Männer kamen, setzte Pa-Sini-Jobu ihnen ausgezeichnete Speisen vor, Reis und Hammel, soviel sie nur begehrten. Es konnte aber niemand ohne die Erlaubnis Pa-Sini-Jobus ihr Haus verlassen. Wenn er aufstehen wollte, ohne gefragt zu haben, klebte er an dem kleinen Sitzschemelchen fest und war nicht ohne besondere Genehmigung der klugen Pa-Sini-Jobu von dieser Stelle zu entfernen.  - Leo Frobenius, Schwarze Sonne Afrika. München 1996

Hohn (4)  

Hohn und Spott sind bei dieser Mimik noch gutmütig und mit Lust am Witz gepaart. Das liegt im Ausdruck, besonders im weicheren Blick des Auges und in der Gewebsbil-dung um Augen, Nase und Mund. Typisch für diese Art von Hohn und Spott sind die linksseitig hoch- und rechtsseitig herabgezogenen Mundwinkel.

Oft sind dem Menschen in Form der Satire, des spöttischen Witzes, Wahrheiten gesagt worden, denen man sich sonst verschlossen hätte oder die man übersah. Der Weise wendet den Spott nur mit Maßen und zu guten Zwecken an. Leicht verliert sich der weichere, gutmütige Zug des Spötters, wenn zum Hohne Neid und Mißgunst treten. Diese bewirken nichts Gutes, weder für die Umwelt noch für den zu solcher seelischer Unglücksstimmung Neigenden selbst. Die bösen Energien, weiche durch die feindseligen Gedanken erzeugt werden, stören die Harmonie und schädigen oft mehr den Urheber als das Opfer.

Der höhnende Spötter sieht uns nicht geradeaus und offen von vorne an, sondern er blickt aus den Augenwinkeln seitlich über die Schulter hinweg. Oft hat man Gelegenheit, diesen Zug in seinen mannigfachen Abwandlungen im Leben zu beobachten. So erinnert dieser Mundzug an einen Schriftsteller, der Carl Huter und seine Lehren mit Hohn und Spott überzog, daneben aber dürftige Plagiate daran beging. Hohn und Spott paarten sich in diesem Falle mit einer mephistophelischen Klugheit, die weit entfernt von Weisheit war. Doch der sich selbst weise Dünkende war kurzblickend in seinem schwungvollen, den Laien blendenden Spott, denn er veröffentlichte dazu sein eigenes Bild, das außer diesem typischen Mundzug noch weitere schwere Disharmonien zeigte. Der Menschenkenner wußte diesen Worthelden bald richtig einzuschätzen und durchschaute die Motive. - Mit dieser Lehre hört die Täuschung auf, denn die Psycho-Physiognomik lehrt die Wahrheit in Form und Leben erkennen. Es gibt eine Gerechtigkeit auf Erden, daß die Gesichter wie die Menschen werden!

  - Physiognomik und Mimik. Analytische Geichtsausdruckstudien von und nach Carl Huter. Bearb. und Hg. Siegfried Kupfer. Schwaig bei Nürnberg 1964

Gemütsausdruck Verachtung
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