Botho Strauß, Paare, Passanten. München 1984
(dtv 10250, zuerst 1981)Entblößung
(2)
Was hätte wohl auch Entblößung
mit Rüstung zu tun? Und wenn wir auch das Zittern des Herzens noch in seinen
feinsten Fibrillen spüren wollen, so verlangen wir doch zugleich, daß es dreifach
gepanzert sei. Daher ist auch alles, was die Russen schreiben, für uns ganz
unerträglich, und weder die nachtwandlerische Feinheit des Zugriffes noch seine
Unerbittlichkeit können darüber trösten, wie hier dem Leben ein Lumpen nach
dem anderen vom Leibe gezogen wird, bis dann endlich die ganze Erbärmlichkeit
erscheint. Es kann sich hier natürlich nur um eine Grundwertung handeln, um
eine Wertung und Ablehnung des intelligiblen Charakters, die mit allem, was
Gestaltung heißt, gar nichts zu schaffen hat und die doch selbst vom naiven
Gemüte mit Sicherheit empfunden werden kann. Der jämmerliche Aufmarsch der Erniedrigten
und Beleidigten — das ist der Aufmarsch gegen alles, was vornehm ist und was
gerade niemals eine Erniedrigung und Beleidigung zu dulden sich herablassen
würde. Hier aber schleicht alles, was sich ins Gesicht treten läßt, um den Blick
eines schmählichen Einverständnisses zu erbeuten, an uns heran. Wie geschäftig
und mit welch unsauberer Wärme das, sowie man mit ihm allein ist, sich auszuziehen
beginnt, und mit welcher Geschicklichkeit es gerade die edelsten Herzen auf
die schärfste Folter legt!
Hier tröstet das Märchen von jenem Magier, der,
um eine innerste Schatzkammer zu erschließen, einer Reihe von Trugbildern zu
widerstehen hatte, deren letztes ihm in Gestalt seiner eigenen Mutter
erschien, die er mit dem Schwerte in Stücke hieb. - (
ej
)
Entblößung
(3) Wenn er lügt,
entblößt er seine Reißzähne; man sieht sie oft. - Maurice
Renard, nach: Ernst Jünger,
Zwei Mal Halley. Stuttgart 1987