-
(ser)
Wut (2) Ein anderer von irgendwo tötete seine Frau vor versammeltem Hofe, nachdem er ihr fünfzehn Jahre hindurch alle Freiheiten von der Welt gelassen hatte und nachdem er ziemlich unterrichtet von ihrem Leben war, so daß er sie sogar warnte und ermahnte. Dennoch ergriff ihn die Wut, und eines Morgens suchte er sie in ihrem Bett auf, gerade als sie aufstehen wollte, und nachdem er mit ihr geschlafen, mit ihr geschwatzt und gelacht hatte, versetzte er ihr vier oder fünf Dolchstiche, dann ließ er ihr von einem ihrer Liebhaber den Rest geben, sie in eine Sänfte legen und vor aller Welt in dessen Haus tragen, um sie begraben zu lassen. Hierauf kehrte er zurück und zeigte sich am Hofe, als hätte er die beste Tat von der Welt getan, und triumphierte darüber.
Er hätte es gerne mit ihren Liebhabern ebenso gemacht; aber damit hätte er
zuviel Scherereien gehabt, denn sie hatte deren so viel besessen, daß sie daraus
eine kleine Armee hätte bilden können. - (
brant)
Wut (3) Einen gab es, der bei einem großen
Schimpf in eine solche Wut geriet, daß er kein einziges Wort herausbrachte;
dies war der verratene Roland. Sein ganzes Blut stieg ihm empor und gelangte
bis zum Kopfe; seine Augen sprühten Blitze, sein stummer, plötzlich fürchterlich
beredter Mund ließ die ganze Versammlung erblassen, ... Sie wichen zurück, er
aber war tot, seine Adern waren gesprungen; seine Arterien spritzten das rote
Blut bis an die Stirn seiner Meuchelmörder. - Jules Michelet, Die Hexe,
nach: Alexander Kluge, Die Patriotin. Texte/Bilder 1-6. Frankfurt
am Main 1979
Wut (4)
Kaum wird der wilde Mohr am Fell des Drachen, Doch wen'gen will's der Degen zugestehen, So wie der Tiger auf des Ganges Wiesen, Wie viel' er auch durchbohrt, sticht, haut in Stücke, Dem heil'gen Amt darf nicht der Priester trauen, Doch nicht allein aufs Volk der Menschen richtet Tobt auch die Flamme schlimmer stets und schlimmer, |
- (
rol
)
Wut (5) Gut für den Blutdruck; gesund,
bisweilen in solche zu geraten. - (
fla
)
Wut (6) Ich hatte jedesmal, wenn
ich durch die Stadt ging,Jesus,eine verrückte Wut,so nach allen Seiten
wegspritzende,wilde Aufruhrgedanken, die mir durch den Kopf flogen, sobald
ich diese vielen, muffigen Gesichter sah, die die Gegenwart bestimmten
und jeden Augenblick genaugenommen kaputt machten, ich kann gar nich so
schäbig denken, wie das,was ich sah, und hätte am liebsten diese Visagen
mit einem gezückten Kamm angefallen und die Zinken
dadurch gezogen,das ging mir überall so,in den verschiedendsten Situationen,da
sah ich so wieder zwei, er muß sie stützen,sonst fällt sie offensichtlich
hin,und beide sehen sich stumm eine Anbauküche Kentucky an, er hat die
westdeutsche gepflegte Zuhälterfrisur ,sie trägt Zapfen an den Ohren und
träumt von Eiern in der Teflonweltraumpfanne. ich frag mich,was hab ich
überhaupt damit zu tun,aber die Wut ist da.!/ -
Rolf Dieter Brinkmann, Erkundungen
für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand: Reise Zeit Magazin
(Tagebuch). Reinbek bei Hamburg 1987