lüstern  Zenon hieß auch der Philosoph, der dem Tyrannen Nearchos nach dem Leben getrachtet hatte. Als man ihn marterte, um ihn zu strafen und zum Verrat seiner Mitwisser zu zwingen, gab er dem Schmerz nicht nach und dachte nur an Rache. Er sagte deshalb, es gebe etwas, was der Tyrann insgeheim von ihm erfahren sollte. Man schnallte ihn von der Folterbank los, und als er sah, daß Nearchos nicht auf einen Angriff gefaßt war, biß er diesen ins Ohr und ließ nicht mehr los, bis er sein Leben und jener das Ohr verloren hatte. - Valerius Maximus, nach (gsv)

Flüstern (2)  Seine Taschen waren leer, sein Blut war in Wallung, und er entflammte, wenn er die Herumtreiberinnen streifte, die an den Straßenecken flüsterten: "Kommst du mit, hübscher Junge?" Aber er wagte nicht, ihnen zu folgen, er konnte sie ja nicht bezahlen; und er erwartete auch etwas anderes, andere, weniger feile Küsse.

Dennoch liebte er die Orte, wo es von Dirnen wimmelte, ihre Tanzlokale, ihre Cafés, ihre Straßen; er liebte es, sie zu streifen, sie anzusprechen, sie zu duzen, ihre starken Parfüms zu wittern, ihre Nähe zu fühlen. Immerhin waren es Frauen, Frauen für die Liebe. Er empfand keineswegs jene angeborene Verachtung für sie wie die Männer mit Familiensinn. - Maupassant, Bel-ami. Hattingen 1961 (zuerst 1885)

Flüstern (3)  ein anfall von melancholie hat goldenberg befallen, da sitzt er mit zitternden händen, hilflos, seine zahne beissen in die lippen als ob er schmerzen litte, sein atem keucht unter einer imaginären anstrengung. das erbrechen steigt bis zur zungenwurzel, goldenberg ist gelähmt, sein verstand erklärt ihm die details, leitet die wirkungen von irgendwelchen fiktiven und harmlosen ursachen ab, zeigt sich in bester laune, aber sein körper behauptet das gegen teil, die organe flüstern: goldenberg, es geht zu ende, und goldenberg will wissen warum und die organe sagen, das ist egal, es gibt keine ursachen, die kannst du dir erfinden, es gibt nur erscheinungen.  - Konrad Bayer, der sechste sinn. Roman. Reinbek bei Hamburg 1969

Flüstern (3) Nachmittags, während es draußen dämmert, die Möbel im Zimmer versinken, zieht mich der Hausherr beiseite und flüstert mir folgendes zu. Dabei klingt er heiser, und indem er flüstert und sich seine und meine Ohren ans Flüstern gewöhnt haben, wird seine Stimme noch leiser, so daß nach einigen Minuten das anfängliche Flüstern verglichen mit dem jetzigen Flüstern Geröhr und Gebrüll war. Jetzt also leiser, und je leiser, desto schneller, die Endsilben schon unhörbar, Einhalten zum Atemholen inmitten der Sätze, sind es Sätze? Wörter gleich in Paaren, bald nur Summton, auf- und abschwellend, von Atem übertönt, so sitzen wir, mit geblähten Nasenflügeln, bei der Gardine, im Sofa, hinter den Händen, die Standuhr schlägt, es betäubt uns, wir finden uns erwachend am Boden, die Hände schützend vor den Ohren. - Reinhard Lettau, In der Umgebung. In: R. L., Feinde. München 1968

 

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