amiliensinn
Als Enkel Agrippas wollte Caligula weder gelten noch so bezeichnet
werden, weil er sich dessen geringer Herkunft schämte. Er geriet in heftigen
Zorn, wenn einer jenen in Prosa oder Versen in die kaiserliche Familie einreihte.
Statt dessen behauptete er, seine Mutter verdanke ihr Dasein einem Inzest, den
Augustus mit seiner Tochter Julia begangen haben sollte, und das rechnete er
ihr noch sogar zum Ruhme an. Doch begnügte er sich nicht damit, Augustus auf
diese Weise beschimpft zu haben, er verbot außerdem noch, in Zukunft die Siege
von Aktium und Sizilien festlich zu begehen, da sie für das römische Volk reich
an Trauer und unheilvoll gewesen seien. Seine Urgroßmutter Livia Augusta nannte
er wiederholt "Ulixes im Weiberrock"; er hatte sogar die Frechheit,
ihr in einem Brief an den Senat niedrige Geburt vorzuwerfen. Ihr mütterlicher
Großvater sollte nämlich nur Mitglied des Gemeinderats in Fundi gewesen sein,
während doch durch öffentliche Urkunden bewiesen ist, daß Aufidius Lurco in
Rom Ehrenämter bekleidet hat. Seiner Großmutter Antonia verweigerte er eine
Audienz ohne Zeugen, um die sie nachgesucht hatte. Nur in Gegenwart des Gardepräfekten
Macro wollte er ihr eine Zusammenkunft gestatten. Durch eine derart unwürdige
Behandlung und sonstigen ihr zugefügten Verdruß verursachte Caligula ihren Tod,
den er nach der Ansicht einiger Leute durch Verabreichung von Gift noch beschleunigt
haben sollte. Als sie gestorben war, erwies er ihr auch nicht die geringste
Ehre, sondern sah von seinem Speisezimmer aus ganz gemütlich ihrem in der Ferne
brennenden Scheiterhaufen zu. Seinen Vetter Tiberius ließ er ganz unvermutet
durch einer; zu ihm gesandten Kriegstribunen ermorden. Ebenso veranlaßte er
seinen Schwiegervater Silanus, sich mit einem Rasiermesser
die Kehle durchzuschneiden. Zu seinem Vorgehen gegen beide dienten ihm verschiedene
Tatsachen als Vorwand. Bei Silanus, er habe ihn nicht begleiten wollen, als
er bei stürmischem Wetter auf See ging, er sei vielmehr in der Hoffnung zurückgeblieben,
sich Roms zu bemächtigen, falls ihm, dem Kaiser, im Sturm auf dem Meere ein
Unglück zustoßen sollte. Gegen Tiberius brachte er vor, jener habe, wie der
Geruch verraten, ein Gegengift
eingenommen und dadurch zum Ausdruck gebracht, daß er fürchtete, von Caligula
vergiftet zu werden. Und doch hatte Silanus nur der Seekrankheit, die er durchaus
nicht vertragen konnte, und der Beschwerlichkeit der Seefahrt aus dem Wege zu
gehen gesucht und Tiberius nur gegen einen hartnäckigen und sich verschlimmernden
Husten Medizin eingenommen Seinen Onkel
Claudius ließ er nur am Leben, um seinen Spott mit ihm treiben zu können. -
(
sue
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Familiensinn (2) Nero brachte alle Verwandten
um, mochten sie mit ihm durch Blutsverwandtschaft oder Verschwägerung verbunden
sein. Darunter befand sich der junge Aulus Plautius, den er vor der Hinrichtung
erst noch mit Gewalt mißbrauchte und dann mit den Worten in den Tod schickte:
„Jetzt mag meine Mutter kommen und meinen Nachfolger liebkosen." Dabei
sagte er jedem, der es hören wollte, Plautius sei der Liebhaber seiner Mutter
gewesen, die ihm sogar Hoffnung auf den Thron gemacht habe. Seinen Stiefsohn
Rufius Crispinus, den Sohn der Poppäa, einen noch unreifen Jungen, ließ er
durch dessen eigene Sklaven beim Fischen im Meer ersäufen.
Es hieß nämlich, der Junge mache beim Spielen stets die Feldherrn und Kaiser.
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(
sue
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Familiensinn (3)
Familiensinn (4) Paul III. liebte seine Nachkommenschaft über
alles. Kurz nach seinem Amtsantritt ernannte er zwei seiner Enkel, die vierzehn
und sechzehn Jahre alt waren, zu Kardinälen und stattete sie mit den reichsten
Pfründen aus. Ausgerechnet seinen schlimmsten Zögling,
Pier Luigi -»den widerwärtigsten Sodomiten, der je lebte« -, liebte er am meisten,
ernannte er zum Feldhaupt-des Kirchenstaates und gab das Herzogtum Castro als
erbliches Lehen. Mitten in der Zeit der Verhandlungen des Trienter Reformkonzils
verlieh Paul III. seinem nichtsnutzigen Sprößling noch das Herzogtum Parma und
Piacenza. Dort trieb der derart Beschenkte es wüst, schändete
den jungen schönen Bischof von Faenza, bis schließlich
ein Komplott beleidigter Adliger ihn ermordete. - Albert Christian Sellner,
Immerwährender Päpstekalender. Frankfurt am Main 2006 (Die Andere Bibliothek
260)