ntstehen heißt in die Welt treten. Wenn man eine ganz genaue Definition der zwei Wörter »entstehen« und »vergehen« geben müßte, würde man vielleicht auf Schwierigkeiten stoßen. Was wir darüber sagen wollen, ist rein systematisch.

Eigentlich entsteht und vergeht man nicht; man war schon am Anfang der Dinge da und wird bis zu ihrer Vollendung dasein. Ein lebender Punkt hat durch die allmähliche Anlagerung unzähliger lebender Teilchen oder Moleküle zugenommen und sich bis zu einer gewissen Grenze entwickelt. Wird diese Grenze überschritten, so nimmt das Ganze ab und löst sich in einzelne Moleküle auf, die sich in der allgemeinen und gemeinsamen Masse verteilen. Das Leben kann nicht das Ergebnis des organischen Baus sein. Stellen Sie sich die drei Moleküle A, B, C vor. Wenn sie in der Verbindung A, B, C leblos sind: warum sollten sie dann in der Verbindung B, C, A oder C, A, B wohl Leben bekommen? Das wäre unbegreiflich.

Mit dem Leben verhält es sich nicht wie mit der Bewegung; beides sind verschiedene Dinge. Hat etwas Leben, so hat es Bewegung; doch was sich bewegt, lebt deshalb noch nicht. Wenn Luft, Wasser, Erde und Feuer sich verbinden, so bekommen sie, obgleich sie vorher inaktiv waren, ein unbezwingbares Bewegungsvermögen, erzeugen aber kein Leben.

Das Leben ist eine wesentliche und ursprüngliche Eigenschaft des Lebewesens; dieses gewinnt sie nicht und verliert sie nicht. Man muß inaktives und aktives Leben unterscheiden: sie verhalten sich zueinander wie die lebendige Kraft zur toten Kraft. Heben Sie den Widerstand auf, so wird die tote Kraft zur lebendigen Kraft; heben Sie den Widerstand auf, so wird das inaktive Leben zum aktiven Leben. Es gibt ferner das Leben des Elements und das Leben des Aggregats oder der Masse. Nichts nimmt dem Element sein Leben und kann es ihm nehmen; doch das Aggregat oder die Masse wird im Laufe der Zeit des Lebens beraubt. Man lebt in einem Punkt, der sich bis zu einer gewissen Grenze ausdehnt, innerhalb deren das Leben nach allen Seiten hin seinen bestimmten Umfang hat; dieser Raum, in dem man lebt, wird allmählich kleiner; das Leben wird in jedem Punkt dieses Raums weniger aktiv; es gibt sogar Punkte, in denen es seine ganze Aktivität schon vor der Auflösung der Masse verloren hat, und schließlich lebt man nur noch in einer Unmenge von isolierten Atomen.

Die Ausdrücke Leben und Tod haben nichts Absolutes; sie bezeichnen nur die aufeinanderfolgenden Zustände ein und desselben Wesens. Für denjenigen, der in dieser Philosophie zu Hause ist, ist die Urne, welche die Asche eines Vaters, einer Mutter, eines Gatten, einer Geliebten enthält, wahrhaftig ein rührender Gegenstand: es ist noch Leben und Wärme in ihr; vielleicht kann diese Asche unsere Tränen spüren und darauf reagieren; wer weiß, ob die Bewegung, die sie in ihr hervorrufen, während sie sie nässen, nicht mit irgendeiner Empfindung verbunden ist?

Entstehen hat zahlreiche verschiedene Bedeutungen:  der Mensch, das Tier, die Pflanze entsteht; die größten Wirkungen entstehen oft aus den kleinsten Ursachen; die Leidenschaften entstehen in uns, die Gelegenheit entwickelt sie usw. - (enz)

Entstehen (2) Bis zur Erfindung des Mikroskops im 17. Jahrhundert glaubten Ärzte und Theologen, das Kind entstehe allein aus dem Sperma des Mannes; die Gebärmutter der Frau biete dem Sperma während der Schwangerschaft gleichsam nur eine Unterkunft. Wenn ein Kind seiner Mutter ähnelte, so führte man dies auf den »Einfluß« der Gebärmutter zurück. Das Mikroskop bewies, daß die Mutter einen wesentlichen Beitrag leistet, die Eizelle.

Im 13. Jahrhundert hatte Thomas von Aquin noch gelehrt, vollkommenes Sperma bringe stets männliche Kinder hervor; weibliche Kinder dagegen würden aus mangelhaftem Samen des Vaters hervorgehen.

Es kamen auch andere Ursachen für die Entstehung weiblicher Embryos in Frage: Krankheit der Mutter in der Frühphase der Schwangerschaft oder Beischlaf bei kaltem, nassem Wetter. - (pan)

Entstehen (3) Knaben und Mädchen entstehen annähernd auf folgende Weise: die Mädchen entwickeln sich mehr aus Wasser, von kalten, feuchten und weichen Speisen und Getränken und entsprechender Lebensweise. Die Knaben mehr vom Feuer, d. h. von trockenen, warmen Speisen und entsprechender Lebensweise im übrigen. Wünscht man sich also ein Mädchen, so muß man die wässerige Lebensweise anwenden, wünscht man aber einen Knaben, so muß man nach der feurigen Weise leben, und das muß nicht nur der Mann tun, sondern auch die Frau. Denn nicht nur das, was vom Mann abgeschieden wird, trägt zur Entwicklung bei, sondern auch, was von der Frau kommt, und zwar aus folgendem Grunde: Jeder von beiden Teilen hat für sich nicht eine für die Menge des Feuchten hinreichende Bewegungsfähigkeit, um das, was zufließt, zu verbrauchen und sich konsolidieren zu lassen, und zwar wegen der Schwäche des Feuers. Wenn aber beides an derselben Stelle zusammenkommt, so fügt es sich zueinander, das Feuer zum Feuer und das Wasser in entsprechender Weise. Wenn nun beides sich an einer trockenen Stelle befindet, so überwältigt das Feuer das miteingedrungene Wasser und wächst davon, so daß es nicht von dem eindringenden Schwall erstickt wird, sondern das hinzukommende aufnimmt und an das bereits vorhandene angliedert. Wenn es aber ins Feuchte fällt, so wird es gleich zu Anfang von dem eindringenden Schwall erstickt und aufgelöst und gemindert. An einem Tage in jedem Monat aber kann es sich konsolidieren und die Oberhand über das Hinzukommende gewinnen, und zwar dann, wenn etwas von beiden Geschlechtern an derselben Stelle zusammentrifft.  - (hi)

Entstehen (4) Die Erde bildet sich durch die Ablagerung des toten Körpers und der Mond durch das Eis, und die Sonne durch das Feuer, und der Stern durch das Sein, und das Wasser durch das Blut und das Eis durch die Kälte und die Erde durch das Fleisch und der Stein durch die Knochen, und die Luft durch den Hauch und der Himmel durch die Unendlichkeit, und durch den Wind das Wetter, die Ruhe, das Heitere, die Feuchtigkeit, der Nebel, die Wolke, der Regen, der Schnee, der Hagel, die Infusion der Lüfte, der Donner, der Blitz des großen Destillatoriums. - (lim)

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