Diese Lektion gilt für alles. - (
bush
)
Regen (2)
Alle ab. NARR singt Und als ich ein winzig Bübchen war, Und als ich vertreten die Kinderschuh,
Und als ich, ach! ein Weib tät frein, Und als der Wein mir steckt‘ im Kopf,
Die Welt steht schon eine hübsche
Weil, Narr ab |
-
Shakespeare
,
Was ihr wollt
Regen (3) SINTFLUT
Es regnete.
Ein Diluvium.
Etwas mehr als strömend. Es goß ozeanmäßig: Keiner konnte erwarten, daß ein Meer derart reisen würde, wie ein Flugzeug, von einem Planeten zum anderen. Die Atmosphäre hatte sich in ein Meer ohne Fische verwandelt. Der Zeitpunkt war nahe, daß diese in aller Ruhe die Teiche verlassen konnten, um durch die große Wasserkugel der ehemaligen Atmosphäre zu spazieren. Viele zogen bereits ihre Köpfe aus dem einen Wasser, um sie ins andere zu tauchen und glichen so, mit der Zutraulichkeit von Kindern, halbuntergetauchten Krokodilen.
Die ganze Stadt mit ihren großen ausgeräumten Türmen war eine riesige Brigg, die zum ersten Mal im Regen Schiffbruch erleidet.
Es regnete.
Die Fische glichen vom feuchten Licht der Straßenlaternen angezogenen Schmetterlingen, und auf den Dächern öffneten sich einen Spalt weit die Ziegel wie Muscheln.
In den Schaufenstern suchten ganze Kolonien von Büchern mit zitternden und wogenden Blättern wie Polypengeschlechtsteile noch etwas im Wasser.
Die Kinder schwammen durch das von den Stockwerken beleuchtete Aquarium, sie näherten sich, diese Dummköpfe, den Scheiben mit weitaufgerissenen Augen, wobei sie aus ihren runden Mündern eine Säule von Luftbläschen entweichen ließen.
Es regnete. Regnete. Regnete.
Alles hatte oder ahnte ein polypenartiges Zappeln. Alles war abstoßend für den Blick und für den Tastsinn.
Die Alleen begannen sich mit aufgeblähten Bäuchen zu füllen, mit auf gedunsenen Bäuchen, auf die sich mit unerhörter Gefräßigkeit in Schwärmen hungrige Hände, hungrige Zungen, hungrige Haare stürzten.
In tausend Metern Höhe zog das gespenstische Licht einer verwundeten, von Delphinen gehetzten Straßenbahn vorbei, die von Millionen sehr weißer Zähne blankgenagt worden war.
Es regnete. Regnete. Regnete.
Überall zwischen Wasserspalten und hellgrünem Schimmer lauerten graue Augen mit metallischem Blick, von verwahrloster Grausamkeit, die Augen aller Einwohner der Stadt, alles Augen, alles Grausamkeit.
Meine zehn Finger hatten keine Knochen, und meine Augen, auch meine Augen belauerten mich aus der Ferne, größer denn je, grau für immer, mit der Grausamkeit der anderen Augen.
Neben mir schwamm meine Braut vorbei, erwürgt vom Zittern ihres Brautschleiers, Meduse der Liebe und des Todes.
Es regnete. Regnete. Regnete. Regnete.
Auf der Uhr der Kathedrale schlugen die zwölf Wasserblasen der Mitternacht.
Es regnete. - (
bun
)
Regen (4) Paris war für ihn die Stadt von
Apollinaire, André Breton, Max Jacob, Pierre Reverdy ... und so
blieb es auch: als er endlich wieder abfuhr, war Paris irrealer denn je.
Es war für ihn eine Stadt, verwaschen und in graukalte Dämpfe getaucht,
wo die Straßen - oder eigentlich nur eine Straße - immer nur ausschnittweise,
in wechselnden Bruchstücken, ineinander verschoben oder gespiegelt, wahrzunehmen
gewesen waren. Es war in einem jener Übergangsmonate (er wußte es gar nicht
mehr genau), es war nicht mehr Herbst, oder es war noch nicht Frühling,
die Temperaturen wechselten extrem und völlig überraschend, man verlor
jedes Zeitgefühl auf dem Montparnasse mit seinen kahlen Bäumen, der von
kaum einmal aussetzender Nässe, von Regen, von nassem Schnee oder nassen
Nebeln, überflossen und entfärbt war. Am Morgen noch splitterte Eis im
Rinnstein an den breiten Trottoirs, wenig später hatte es sich verflüssigt
und war eingegangen in das allgemeine Zerfließen alles Gegenständlichen
und seiner Konturen und Farben. Der Regen hatte mit seiner Ankunft begonnen,
das Traufen, das ohne Vorankündigung mit einem Mal da war, sank und stieg
ohne Unterlaß durch das Luft- und Gasgemisch, und die Bevölkerung dieses
Kontinents von verschachtelten Gebäuden hatte sich binnen einer Stunde
in ein Millionenheer von seltsamen Schalentieren verwandelt, unter ihren
triefenden schwarzen Schirmen quollen sie auf und bewegten sich ruckartig
und hüpfend, sie wehten durch das Wasser wie unheimliche dunkle Rochen
oder schlängelten sich voran wie merkwürdig aufgerichtete Schnecken. Die
leichenfarbene Seine schien ihrem Flußbett entstiegen und durch die Straßenschluchten
zu treiben, samt ihres zerweichten, sich auflösenden Unrats, und manchmal
schien aus den graugrünweißen, zwischen den Dächern hängenden Wasserschleiern
ein Grinsen von surrealen und mutierten Kadavern hervorzutreten, das mit
ihm Zwiesprache halten wollte. Vier Tage lang, Regentage und Regennächte,
ging er den Montparnasse auf und ab, in den Cafés und Bistros trank er
ununterbrochen bitteres dänisches Bier, das nach Schwefel und Urin schmeckte,
das er in einem erbärmlichen Mischmasch aus Englisch und Französisch bestellte
und das ihm die Kellner angewidert hinstellten. Mehr konnte er sich nicht
leisten, das Honorar für seine Lesung, die längst vorbei war, ließ es nicht
zu; die Flugverbindung nach Nürnberg war schlecht, es gab nur zwei Flüge
in der Woche, und er mußte warten. Er wartete, seine Kleider waren nicht
mehr zu trocknen, sie rochen nach Moder und verschimmeltem Tabak; er selber
roch längst wie seine sich zersetzenden Jeansklamotten, die man hier in
Frankreich nicht trug; ihr Stoff, kalt wie Holz, das lange im Wasser gelegen
hatte, schien sich mit seiner gewellten Haut legiert zu haben, mit seiner
zu einer dauernden Gänsehaut aufgerauhten Epidermis, die sumpfig roch und
dampfte; und selbst das Bett in dem kleinen Hotel auf dem Montparnasse
roch schon nach Moor und Kohle, als wäre er ausgekocht worden während seiner
kurzen Schlafstunden, in denen er krumm und entgleist auf der ungewohnt
eingerichteten französischen Bettstatt lag und wüst von seinen sächsischen
Wäldern träumte und glaubte, gesotten zu werden, vom elektrischen Licht,
das draußen vor dem Fenster die Regensträhnen in Brand setzte; und während
er schwitzte, kohlefarbene Tränen, die ihm aus allen Poren drangen, fühlte
er, wie all seine innere Substanz ihn verließ und unter ihm in der Matratze
versickerte. - Wolfgang Hilbig, Das Provisorium. Frankfurt am Main
2001 (Fischer-Tb. 15099, zuerst 2000)
Regen (5) Im Januar scheint der Regen in São Paulo
nicht zu »fallen«, sondern vielmehr durch die herrschende Feuchtigkeit
erzeugt zu werden, so als ob sich der Wasserdampf, der alles durchtränkt,
in dicht fallende Perlen materialisierte, die jedoch aufgrund ihrer Affinität
mit jenem Nebel, durch den sie gleiten, gleichsam
gebremst würden. Der Regen strömt nicht in Fäden wie in Europa, sondern
kullert in vielen kleinen, blaß glitzernden Wasserkügelchen durch eine
feuchte Atmosphäre: eine Kaskade aus heller Sagosuppe.
Und er hört auch nicht auf, wenn die Wolke vorbeigezogen ist, sondern erst
dann, wenn sich die Luft von dem Überschuß an Feuchtigkeit gereinigt hat.
Dann klärt sich der Himmel auf, und zwischen den hellen Wolken erspäht
man ein sehr blasses Blau, während sich alpine Sturzbäche durch die Straßen
ergießen. - (
str2
)
Regen (6) Der Regen fiel auf das Land, vor dem Fichtenwald
im Hintergrund, ein einzelner schwerer Fall. Nicken
der Grashalme, Orgeln in der Dachrinne. Zuvor rauschte ein Wind in der
Linde, der noch kein Regen war, aber den Regen vorwegnahm. Das Gras
wehte nicht im Regen, beugte sich auch nicht, sondern ruckte nur hin und
her. Der Donner war ein Gefühl am Ohrknochen. Vor dem Geschütte draußen
glänzten die trockenen Lippen eines Kindes im Hausinnern. Dann begann es
zu hageln, und die Gräser bewegten sich wie bei einem Boxkampf. Man sah
den Hagel nicht fallen, sondern erst, als er aus dem Gras bogenförmig aufsprang,
viel weniger hoch als von dem Holztisch und der Autokarosserie. Wolken
trieben auf den Feldern, die Felderoberfläche entlang. Der Regen fiel immer
schneller, als würde er im Lauf der Zeit schwerer, und die Blätter bewegten
sich jetzt nicht mehr vom Wind, sondern nur noch
vom darauffallenden Regen. Ein einzelnes Blatt erzitterte zweimal, von
einem Doppelschlag, der es fast gleichzeitig traf, und dann fiel ein Tropfen
auf den Blattstiel, unmittelbar am Blattansatz, als ein ganz starker Hieb.
Manchmal geschah eine Zur-Seite-Bewegung des Baums im ganzen, ein Auspendeln
der Zweige unter den Tropfenschlägen: große Anmut des jungen Baums im geschwindfallenden
Regen. Allmählich war auch die Rinde des Baums völlig durchnäßt: »Landregen«.
Überall im Gras schnellte es wie von dort hüpfenden Insekten: »Grashüpfer«.
In jedem der Fenster des Hauses zeigte der Regen sich anders, mit anderen
Geräuschen, anderen Farben, und ich legte den Kopf in den Nacken, mit der
Vorstellung, mit einem Blick nach hinten die Natur des Regens zu begreifen
... Dann tropfte es von den Blättern, als habe der Regen schon aufgehört
(oder war es nur das Beschreiben, das ein Aufhören wollte?). Nein, es regnete
weiter, aber der Regen wurde unsichtbar, nur merkbar in einer dauernden
Auflösung der Formen, einem Zucken in dem winzigen Hell-Dunkel einer Lache.
Manche Gräser, gerade die dünnen, bewegten sich nur an den Spitzen, während
die dickeren sich mit dem ganzen Schart regten. Allmählich war die Wiese
wie »kleingemacht« durch den langen Regen, und alle Gegenstände schienen
zu Einzelheiten geworden: die gelben Blumen, die Flechten an den Baumstämmen.
Alles schien schwerer und eigentümlicher geworden. Auf der Tischfläche
spielte der Regen, als sei da eine »Regenkultur« ausgebrochen. Mit der
Zeit erzeugte der Regen im Erdreich eine Struktur: selbst die kleinsten
Steine standen frei, und der Weg zeigte sich wie
der übersichtliche, saubere Grund eines Baches. Und dann ging ein Hahn
schon wieder pickend im Freien, und die ersten Kinder waren wieder draußen,
zumindest für einen kurzen Ausflug, obwohl es immer weiterregnete. Ich
ging auch hinaus, und fühlte dann die Kälte des
Regens geballt, als ich in den nassen Holunderbusch griff. - (
bleist
)
Regen (7) Auf die eine oder andere Weise ging das
Leben an uns vorüber, und wir litten an unserem Elend; manchmal hatten
wir eine Kartoffel im Mund und manchmal nichts als süße gaelische
Worte. Soweit es das Wetter als solches betraf, verschlechterte sich die
Lage. Es schien uns, als würden die Regenfälle von Jahr zu Jahr unverschämter,
und gelegentlich ertrank ein Habenichts mitten
auf dem Festland an dem Volumen von Wasser und
himmlischem Erbrechen, das auf uns herabgoß; ein Nichtschwimmer war zu
jener Zeit in seinem Bett alles andere als außer Gefahr. Breite Flüsse
eilten vor der Haustür dahin, und, wenn es stimmt, daß alle Kartoffeln
aus unseren Äckern davongespült wurden, so ist es ebenfalls Tatsache, daß
oft Fische am Wegesrand als nächtliches Tauschgeschäft erhältlich waren.
Wer sicher auf trockenem Erdboden sein Bett erreicht
hatte, fand sich gegen Morgen überschwemmt wieder. Nachts sahen die Menschen
oft Kanus von den Blasket-Inseln vorbeifahren, und die Fischersleute schätzten
die Ausbeute einer Nacht gering ein, wenn sich nicht ein Schwein
oder Ferkel aus Corkadoragha in ihren Netzen fand. - Flann O'Brien,
Irischer Lebenslauf. Eine arge Geschichte vom harten Leben. Herausgegeben
von Myles na Gopaleen. Aus dem Irischen ins Englische übertragen von Patrick
C. Power. Aus dem Englischen ins Deutsche übertragen von Harry Rowohlt.
Frankfurt am Main 2003 (st 3503, zuerst 1941)
Regen (8) zuerst fielen einzelne regentropfen.
der regen wurde immer dichter, dann fiel das wasser als ein ganzes auf die strasse.
oppenheimer stellt eine frage: «ob wir unter einem fluss wohnen?» plötzlich
war alles überschwemmt und die fische frassen uns den tomatensalat vom tisch.
- Konrad Bayer, der sechste sinn. Roman. Reinbek bei Hamburg 1969
Regen (9) Mit sehr unterschiedlichem Gang kommt der Regen herab, in den Hof, wo ich ihn fallen sehe. Mittendrin ist er ein feiner, diskontinuierlicher Vorhang (oder Netz), ein unversöhnlicher, doch relativ langsamer Fall vermutlich ziemlich leichter Tropfen, ein immerwährendes Herabstürzen ohne Nachdruck, ein sehr feines Zerbröckeln des reinen Meteors. In geringer Entfernung von den Mauern rechts und links fallen geräuschvoller die schwereren, vereinzelten Tropfen. Hier sind sie an Größe einem Weizenkorn gleich, dort einer Erbse, anderswo fast einer Murmel. Über Steinleisten, über Fensterbleche läuft der Regen waagerecht, während er sich an die Unterfläche dieser Hindernisse in konvexen Karamelbonbons hängt. Über die ganze Oberfläche eines kleinen Zinkdaches in Blickhöhe rinnt er als sehr dünne Schicht, schillernd infolge der höchst mannigfaltigen Strömungen, welche die unmerklichen Wellen und Buckel der Bedachung verursachen. Von der angrenzenden Traufe, die er mühsam wie ein tiefer Bach ohne großes Gefalle durchfließt, stürzt er jäh als ganz senkrechter, ziemlich grob geflochtener Wasserfaden zu Boden, wo er zerplatzt, doch wieder aufspringt in kleinen, glitzernden Nadeln. Jede seiner Formen hat einen besonderen Gang; ihm entspricht ein besonderes Geräusch. Das Ganze lebt mit der Intensität eines komplizierten Mechanismus, präzis und verwegen, wie ein Uhrwerk, das vom Gewicht einer bestimmten, sich niederschlagenden Dampfmasse getrieben wird.
Das Schlagwerk der senkrechten Wasserfäden am Boden, das Gluckern der Traufen, die winzigen Gongschläge vervielfachen sich und tönen gleichzeitig wider in einem Konzert ohne Monotonie, nicht ohne Zartheit.
Hat sich die Uhrfeder entspannt, drehen bestimmte Rädchen sich eine
Zeitlang weiter, mählich verlangsamt, bis die ganze Maschinerie stockt.
Kommt nun die Sonne wieder hervor, verschwindet das alles alsbald, der
glitzernde Apparat verdunstet: es hat geregnet. -
(lyr)
Regen (10) Das einzig Wirkliche ist der Regen.
Der ewige, verdammte, lästige und kalte Regen, wie der große Dichter einst sang.
Haben Sie die Divina Commedia gelesen, Señorita? Nein? Keine Sorge, da sind
Sie nicht die einzige. Gewiß ist einzig und allein, wie ich Ihnen schon sagte,
daß es noch immer regnet. Was können wir an einem Nachmittag wie diesem anderes
tun, als uns weiterhin am Telefon unsere Traurigkeiten
zu erzählen? Ich versichere Ihnen, ich kann nicht verstehen, weshalb die Berber
sagen, daß der Regen am Ende Rosen erzeugt. Warum wohl versteifen sich die Menschen,
auch wenn sie Berber sind, darauf, die Gründe ihrer Traurigkeiten zu poetisieren
und zu bemänteln? Ich kann mich nicht so leicht trösten. Mir ist es unmöglich,
Nachmittage wie diesen ohne eine Frau an meiner Seite zu verbringen, die mir
versichert, daß die Sonne wieder scheinen wird und daß die Farben wieder ihren
alten Glanz haben werden. Warum sagen Sie mir das jetzt nicht, Senorita? Warum
flüstern Sie mir nicht ganz leise ins Ohr, daß morgen früh, wenn wir zu einem
neuen Tag erwachen, der Himmel wieder blau sein wird? Welche Mühe würde es Sie
kosten, diese fünf oder sechs Wörter auszusprechen? Oh nein, ich kann Ihnen
nicht glauben. Es ist unmöglich, daß eine Frau wie Sie den Regen liebt. Es gefällt
Ihnen, mir zu widersprechen. Wie ist es möglich, daß ein paar so reizende Lippen
wie die Ihren sagen können, daß der Regen weder Knochen bricht noch Schädel
spaltet? Wo haben Sie diese seltsame Art zu sprechen gelernt? Sind Sie auf einmal
zu einem Bauernlümmel geworden, der die Baskenmütze bis tief über die Ohren
gezogen hat? - Javier Tomeo, Der
Löwenjäger. Berlin 1988
Regen (11) In der ersten Zeit beeindruckte
mich in Rom die Art, wie es dort regnete; nicht der gefällige, samtige, mailändische
Regen, sondern ein plötzliches freches Toben, etwas Animalisches, Leichtsinniges,
Streitsüchtiges, ein ›halbstarker‹ Regen, wie ein Wutausbruch der Wolken, geradezu
wie in den Tropen, im tiefsten Süden. Das waren Sachen, wie man sie bei Salgari
las, diese Regengüsse, die ohne Vorwarnung niedergehen, du gehst ohne Schirm
aus dem Haus und findest dich bis auf die Haut durchnäßt, angepöbelt von der
haltlosesten der Naturgewalten. Köstlich, in Rom, auch der Schnee; der, wenn
er vorkommt, wie eine fröhliche Katastrophe hereinbricht, dabei seine natürliche
Kindlichkeit wiederfindet, Telefone unterbricht, Autobusse und Kardinale ausrutschen
läßt, eine Stadt tötet, die sich nichts Besseres wünscht als einen sanften Tod,
ein prächtiges Totenkleid. - Giorgio Manganelli, Lob des Essens.
Nach
(man)
Regen (12) Regen:
Ich sehe nichts.
Der Strom fallt aus.
Ich rieche kaum etwas in der Dunkelheit.
An Geschmack denke ich nicht, auch nicht an Berührungen.
Durch mein überdimensional ausgedehntes Gehör besteht die Welt nur aus Tropfen und Fröschen.
Fröschen wie Esel.
Fröschen wie Vögel.
Fröschen wie Michael.
Fröschen wie Hammer und Meissel.
Fröschen wie »Hilfe!«.
Fröschen wie Presslufthämmer.
Fröschen wie Kreissägen.
Fröschen wie Wiener Sängerknaben.
Fröschen wie Autos.
Fröschen wie Frösche.
Unken unken.
Ochsenfrösche.
Unken Frösche?
Fröscheunken unken.
Unkenfrösche fröschen.
Fröschefrösche fröschen.
Was geschiebt, wenn es 24 Stunden in einer Favela regnet: Die Lehmhäuser werden weich und sinken zusammen. Alles nass:
Die Decken, die Kleidung, die Haare, das Mehl, die Bohnen, die Dochte, die Streichhölzer, die Holzkohle.
Die Dosen mit Milchpulver fangen an zu rosten.
Amöben und Lungenschnecken werden in das Brunnenwasser gespült. -
(xan)
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