Entstehungsbedingungen   Gut zwei Drittel der bekannten Galaxien hat die Form einer spiralförmigen Scheibe mit einem Kern, von dem zwei Arme abgehen, wie bei unserer Milchstraße. Das galaktische Gebilde, das aus Gas- und Staubwolken so­wie aus Sternen besteht (die nach und nach in ihm entstehen und vergehen), dreht sich, wobei der Kern mit größerer Winkelgeschwindigkeit rotiert als die Arme, die, weil sie nicht mitkommen, abknicken und dadurch eben dem Ganzen die Form einer Spirale verleihen.

Die Arme bewegen sich jedoch nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Sterne.

Ihre konstante Spiralform verdankt eine Galaxie den Verdichtungswellen, bei denen die Sterne die Rolle von Molekülen in einem gewöhnlichen Gas spielen.

Wegen ihrer unterschiedlichen Umlaufgeschwindigkeiten bleiben Sterne, die weit vom Kern entfernt sind, hinter dem Arm zurück, während solche, die sich in der Nähe des Kerns befinden, den Spiralarm einholen und durch ihn hindurchlaufen. Die gleiche Geschwindigkeit wie der Arm haben nur Sterne in mittlerer Entfernung vom Kern, auf dem sogenannten Korotationskreis, Die Gaswolke, aus der die Sonne mit ihren Pla­neten entstehen sollte, befand sich vor rund fünf Milliarden Jahren auf der Innenseite der Krümmung eines Spiralarms. Sie holte diesen Arm mit der geringfügigen Geschwin­digkeitsdifferenz von etwa einem Kilometer pro Sekunde ein. In die Verdichtungswelle eingedrungen, wurde diese Wolke mit den radioaktiven Produkten einer Supernova verseucht, die in ihrer Nähe explodierte (es handelte sich um Jod- und Plutoniumisotope). Diese Isotopen zerfielen, bis aus ihnen ein anderes Element entstand: Xenon. Unterdessen wurde diese Wolke durch die Verdichtungswelle, in der sie schwamm, komprimiert, und das begünstigte ihre Kondensation, bis aus ihr schließlich ein junger Stern hervorging - die Sonne. Gegen Ende dieser Periode, vor etwa viereinhalb Mil­liarden Jahren, explodierte in der Nähe eine andere Supernova, welche den zirkumsolaren Nebel (denn nicht das gesamte protosolare Gas hatte sich schon in der Sonne konzentriert) mit radioaktivem Aluminium verseuchte. Dadurch wurde die Entstehung der Planeten beschleunigt, vielleicht auch bewirkt. Damit die Scheibe der um den jun­gen Stern rotierenden Gase sich in Segmente auflösen und zu Planeten verdichten konnte, bedurfte es, wie Simulationsrechnungen ge­zeigt haben, einer »Intervention von außen«, eines gewaltigen »Stoßes«; er kam von der Supernova, die damals nicht weit von der Sonne explodierte.

Woher wir das alles wissen? Aus der Verteilung der Radioisotopen in den Meteoren des Sonnensystems; wenn man die Halbwertzeit der genannten Isotope (von Jod, Plutonium und Aluminium) kennt, kann man errechnen, wann die protosolare Wolke mit ihnen verseucht wurde. Das ist mindestens zweimal geschehen; anhand der unterschiedlichen Zerfallszeit dieser Isotopen läßt sich bestimmen, daß die erste Verseuchung durch die Explosion einer Supernova kurz nach dem Eindringen der protosolaren Wolke in den galaktischen Arm erfolgte, während die zweite Verseuchung (durch radioaktives Aluminium) rund 300 Millionen Jahre später eintrat.

Die Sonne hat also ihren ersten Entwicklungsabschnitt in einem Gebiet starker Strahlung und gewaltiger Stöße zugebracht, durch welche die Planetenentstehung ausgelöst wurde, dann aber - mit den bereits erkaltenden und erstarrenden Planeten - diese Zone verlassen. Sie entwich in einen weitgehend leeren, von den stellaren Katastrophen abgeschirmten Raum, und dank dessen hat das Leben auf der Erde entstehen und sich ohne mörderische Störungen entwickeln können.

Wenn man nach diesem Bild geht, muß man hinter die Regel des Kopernikus, nach der die Erde (mitsamt der Sonne) sich nicht an einem besonders ausgezeichneten Ort, sondern »irgendwo« befindet, ein großes Fragezeichen machen.

Hätte sich die Sonne an der fernen Peripherie der Galaxie befunden und, langsam ihre Bahn ziehend, nicht deren Arme durchquert, so hätte sie gewiß keine Planeten gebildet. Die Planetenentstehung erfordert nämlich »Geburtshilfemaßnahmen« in Gestalt gewaltiger Ereignisse, namentlich der mächtigen Stoßwellen explodierender Supernovae (oder zumindest eines solchen »nahen« Zusammentreffens).

Wäre die Sonne, nachdem sie durch sol­che Stöße die Planeten hervorgebracht hatte, in der Nähe des galaktischen Kerns und da­mit erheblich schneller als die Spiralarme gekreist, dann hätte sie diese häufig durchqueren müssen. In diesem Falle hätten zahlreiche Strahlungs- und radioaktive Stöße die Entstehung des Lebens auf der Erde unmög­lich gemacht oder es in einer frühen Entwicklungsphase vernichtet.

Auch dann, wenn die Sonne sich auf dem Korotationskreis der Galaxie bewegt und daher nicht deren Arme verlassen hätte, hätte sich das Leben nicht auf unserem Planeten behaupten können, sondern wäre früher oder später durch die Explosion einer nahen Supernova umgekommen, denn am häufigsten explodieren Supernovae innerhalb der galaktischen Arme. Auch die mittleren Entfernungen zwischen den Sternen sind innerhalb der Arme erheblich geringer als zwischen den Armen.

Während also die für die Planetenentstehung günstigen Bedingungen innerhalb der Spiralarme bestehen, herrschen die für die Entstehung und Entwicklung des Lebens erforderlichen Bedingungen in der Leere zwischen den Armen.

Diese Bedingungen werden weder von Sternen erfüllt, die den Kern der Galaxie nah umkreisen, noch von solchen, die am Rande der Galaxie stehen, und schließlich auch nicht von Sternen, deren Bahnen sich mit dem Korotationskreis decken, sondern nur von solchen, die sich in dessen Nähe befinden.

Man muß sich zudem bewußt machen, daß eine allzu nahe Eruption einer Supernova nicht die protosolare Wolke »zusammendrücken« und dadurch deren Kondensation zu Planeten beschleunigen würde; vielmehr würde sie sie auseinanderfegen, so wie eine Sturmbö den Samen des Löwenzahns zerstreut.  - Stanislaw Lem, Das Katastrophenprinzip. Aus Lems Bibliothek des 21. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1983 (st 999)

Entstehen Bedingung

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

Verwandte Begriffe
Synonyme