lut   Er hatte sein Blut im Reagenzglas gesehen. Wie Honig, zäh. Das ist, sagte der Internist, die Cholesterinmasse. Träge, sirupartig, fließt es Ihnen durch die Adern. Es dringt zu den Kapillaren gar nicht mehr vor, sondern benetzt sie da, wo sie abzweigen.

Der Arzt neigte dazu, seinen Patienten Proben ihrer Innereien vorzulegen. Er wollte ihre Abhängigkeit von seiner Autorität dadurch verstärken. Wie Süchtige kehrten sie zu seiner Praxis zurück. Sie befolgten seine Anweisungen, waren seine Pfründe.

Dieser Manager hier verlor sein Vertrauen zu sich selbst, solange er den Verdacht hatte, der träge Seim, der als Blut in ihm wallte, habe immer noch die honigartige Konsistenz, die er im Reagenzglas gesehen hatte. Er kam wöchentlich in die Praxis. Er suchte die »Gesundung« zu beschleunigen, indem er den Arzt durch Geschenke bestach. Er konnte sich »schnelle Entschlüsse«, wie sie von ihm als Manager gefordert wurden, nur vorstellen, wenn das Blut wie rosa Himbeersaft floß. Nicht einmal Oberflächenwölbungen der dünnen Flüssigkeit, wie sie sich an den Rändern, dort, wo sie zu fließen aufhört und Tropfen bildet, in Erscheinung treten, hätte er geduldet. Er wollte, sagte er, streng flaches Blut haben. Das gibt es in der Natur nicht, und so zeigte der Arzt ihm keine Probe seines inzwischen regenerierten, um einige Dezimalstellen verflüssigten Blutes. Es erinnert nie an Himbeersaft, nicht einmal in pathologischen Fällen. Immer aber an Honig (der ja verschiedene Konsistenzen besitzt) oder »beschleunigten« roten Sirup. - (klu)

Blut (2) In spindelförmigen Drehungen glitten zwei braune Körper um einen knorrigen Ast. Dazwischen blitzte es gelb von schlangenhaft gewundenem Leib: ein Edelmarder. Wie ein zuckender Bausch von brauner Watte fuhr kurz vor seiner Nase der Schwanz eines Eichhorns hinweg. Sie stoben um den Baum: Verfolgtes und Verfolger. Rindenfetzen regneten herab. Oben aus turmhoher Spitze schössen sie durch ein Stück Blau wie Flieger, und man sah, daß der schwerere Körper mit größerer Schnellkraft den kleineren überholte. Man hörte ein gleichzeitiges Aufschlagen beider am nächsten Stamm, knirschendes Geräusch, einen Ton wie einen Pfiff, und dann Stille.

Harald eilte herzu. Noch sah er nichts. Zunächst kam noch ein Rindenstückchen - dann taumelten in sachten Schwingungen braune Haarflöckchen herab ... Plötzlich fuhr er zusammen und erschrak im Tiefsten.

Es war, als ob ein leiser Finger ihn an der Schulter rühre, die aus dem geöffneten Hemde geglitten war. Er starrte darauf hin: ein Tropfen Blut saß auf seiner weißen Haut und sickerte, feine Rinnen entfaltend, die Brust herab. Er wischte es aufatmend mit dem Hemde weg, etwas Angstvolles trat in seinen Blick, für den Moment Ratloses - dann, in seinem Unvermögen, des Mörders habhaft zu werden, peitschte er mit einem Zweig wütend auf den Stamm los.  - Willy Seidel, Das älteste Ding der Welt. Aus: In Laurins Blick. Das Buch deutscher Phantasten. Hg. Kalju Kirde. Frankfurt am Main u.a. 1985 (zuerst 1982)

Blut (3)

Jene vergangene Zeit, die wir doch die "Goldene" nennen,
ist mit den Früchten der Bäume und dem, was der Boden hervorbringt,
glücklich gewesen und hat ihren Mund nicht mit Blute besudelt.
Sicher schwangen da durch die Luft ihre Flügel die Vögel,
frei von Ängsten streifte da mitten im Kraute der Hase,
und sein arglos Gemüt brachte nicht den Fisch an den Haken.
Ohne Verrat und ohne die Furcht vor Arglist war alles
da und des Friedens voll. Als dann ein Unnützer, wer auch
immer es war, an der früheren Kost kein Genüge mehr fand und
Fleisch von Leibern als Speise versenkt in den gierigen Bauch, da
schuf dem Verbrechen er Bahn. Vielleicht ist am Blut eines Raubtiers,
das man erlegt hat, zuerst erwärmt das besudelte Eisen.
Das war wirklich genug! Man mochte noch, ohne zu freveln,
Leiber, die unseren Tod verlangen, weihen dem Tode.
Doch, die man töten durfte, man durfte sie doch nicht verzehren!

-  (ov)

Blut (4)   Jeder Mann aus dem Haus Israel oder jeder Fremde in eurer Mitte, der irgendwie Blut genießt, gegen einen solchen werde ich mein Angesicht wenden und ihn aus der Mitte seines Volkes ausmerzen. Die Lebenskraft des Fleisches sitzt nämlich im Blut. Dieses Blut habe ich euch gegeben, damit ihr auf dem Altar für euer Leben die Sühne vollzieht; denn das Blut ist es, das für ein Leben sühnt. Deshalb habe ich zu den Israeliten gesagt: Niemand unter euch darf Blut genießen, auch der Fremde, der in eurer Mitte lebt, darf kein Blut genießen. Jeder unter den Israeliten oder der Fremde in eurer Mitte, der Wild oder für den Genuß erlaubte Vögel erlegt, muß das Blut ausfließen lassen und es mit Erde bedecken. Denn das Leben aller Wesen aus Fleisch ist das Blut, das darin ist. Ich habe zu den Israeliten gesagt: Das Blut irgendeines Wesens aus Fleisch dürft ihr nicht genießen; denn das Leben aller Wesen aus Fleisch ist ihr Blut. Jeder, der es genießt, soll ausgemerzt werden. - Lev. 17, 10-14, nach (lte)

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