rama  Ich bezeichne nun mit numerierten Abschnitten die Akte des großartigen Dramas, das sich vor meinen Augen abspielt. Die Beobachtung erfolgt unter den günstigsten Bedingungen: ich liege auf dem Boden, ganz nahe beim Opferpriester, und keine Kleinigkeit entgeht mir.

1.          Die Sandwespe packt die Raupe mit den gebogenen Zangen ihrer Kiefer am Nacken. Die graue Raupe wehrt sich aus Leibeskräften; immer rollt und entrollt sie ihren verdrehten Hinterleib. Die Sandwespe macht sich nichts daraus, sie hält sich beiseite und vermeidet so die Schläge. Der Stachel erreicht die Gelenkstelle, die den ersten Ring vom Kopf trennt, bauchwärts, in der Mitte, dort, wo die Haut etwas zarter ist. Der Stachel verbleibt mit einer gewissen Beharrlichkeit in der Wunde. Es macht den Eindruck, dies sei der wichtigste Stich, jener, der die graue Raupe bändigt und fügsam macht.

2.          Die Sandwespe läßt nun ihre Beute liegen. Sie selbst drückt sich mit ganz wilden, unordentlichen Bewegungen auf die Erde, sie dreht sich, auf der Seite liegend, im Kreise herum, verdreht ihre Glieder, läßt sie hängen, zittert und bebt mit den Flügeln wie im Todeskampf. Ich befürchte, der Jäger habe in seinem Kampf mit dem Wild einen schlimmen Schlag abbekommen. Es ergreift mich ganz, diesen kühnen Hautflügler auf eine so jämmerliche Weise verenden zu sehen und damit natürlich auch meinen Versuch, der mich so viele Stunden des Ausharrens gekostet hat. Aber auf einmal beruhigt sich meine Sandwespe, bürstet sich die Flügel, kämmt die Fühler aus und stürzt von neuem lebhaften Schrittes auf die Raupe zu. Was ich für die Zuckungen des Todeskampfes gehalten hatte, war ausgelassene Freude über den errungenen Sieg! Die Ammophila beglückwünschte sich auf ihre Weise, daß es ihr gelungen war, den Riesen zu stürzen.

 3.         Der Chirurg packt nun die Raupe an der Rückenhaut, ein bißchen tiefer als vorher, und sticht nun in den zweiten Ring, immer auf der Bauchseite. Ich sehe dann, wie die Wespe stufenweise auf der Raupe rückwärts schreitet,jedesmal den Rücken ein wenig tiefer faßt, sie mit den Kiefem — große Organe mit rückwärts gebogenen Zangen — umschließt und den Stachel in den nächstfolgenden Ring stößt. Dieses Rückwärtsschreiten des Insektes und das stufenweise Umfassen vom Rücken her, jedesmal ein bißchen tiefer, vollzieht sich mit einer geradezu methodischen, planvollen Präzision; es sieht aus, als messe der Jäger sein Wild aus. Mitjedem Schritt wird ein folgender Ring angestochen. So werden drei Brustringe mit Füßen, die zwei folgenden, die keine haben, und die vier folgenden mit Scheinfüßen einer nach dem andem gestochen. Im ganzen also neun Stiche. Die vier letzten Segmente, von denen drei ohne Füße sind, während der letzte, dreizehnte, noch Scheinfüße aufweist, werden vemachlässigt. Die Operation begegnet keinerlei nennenswerten Schwierigkeiten; nach dem ersten Dolchstoß wird der Widerstand der grauen Raupe belanglos.

4.          Zuletzt öffnet die Sandwespe ihre Kieferzangen weit, packt den Kopf der Raupe und kaut und drückt ihn aufjede Weise zusammen, doch ohne ihn zu verletzen. Dieses Pressen erfolgt mit ausstudierter Langsamkeit; es sieht aus, als versuche das Insekt sich jedesmal über den erzielten Erfolg Rechenschaft zu geben; es hält inne, wartet und beginnt von neuem. Soll das gewünschte Ziel erreicht werden, darf diese Gehimbehandlung offenbar bestimmte Grenzen nicht überschreiten, jenseits denen der Tod des Beutetiers und damit seine Fäulnis eintreten würde. So hält der Hautflügler mit der Kraft seiner Zangenbewegungen — es sind etwa zwanzig im ganzen — maß.

Der Chirurg hat sein Werk vollbracht. Die Operierte liegt auf dem Boden, seitlich halb zusammengerollt. Sie bewegt sich nicht, gelähmt, wie sie ist, und unfähig jeden Widerstandes, während sie zum Bau hingeschleppt wird. Sie bedeutet keine Gefahr mehr für das kleine Würmchen, dem sie als Nahrung bestimmt ist. Die Sandwespe läßt ihr Opfer am Ort, an dem die Operation stattgefunden hat, liegen und kehrt zu ihrem Nest zurück; ich folge ihr. Sie nimmt im Hinblick auf die Einlagerung des Wildes noch einige Verbesserungen vor. Ein Steinchen in der Wölbung des Eingangs könnte sich bei der Einkellerung des großen Beutestücks als Hindernis erweisen. Der Block wird herausgebrochen. Das Knirschen von sich aneinanderreibenden Flügeln begleitet die schwere Arbeit. Das letzte Zimmer in der Tiefe des Baues scheint noch nicht geräumig genug: es wird vergrößert. Diese Arbeiten ziehen sich in die Länge, und derweil wird die Raupe, die zu bewachen ich unterließ, weil ich von den Arbeiten des Hautflüglers nichts verlieren wollte, von den Ameisen überlaufen. Als wir zu ihr zurückkehren, die Sandwespe und ich, ist die graue Raupe schwarz von Ameisen, die sie zerstückeln. Für mich ist das ein bedauerlicher Zwischenfall, für die Sandwespe ist es ein fatales Ereignis — denn das ist nun schon das zweite Mal am gleichen Nachmittag, daß ihr dies passiert. Das Insekt scheint entmutigt. Vergeblich ersetze ich die Beute durch eine der grauen Raupen, die ich in Reserve habe; die Sandwespe verschmäht den Ersatz. Inzwischen ist es Abend geworden, der Himmel hat sich verfinstert, einige Regentropfen fallen. Unter diesen Umständen ist es unnütz, mit einer Wiederaufnahme der Jagd zu rechnen. Das Ganze endet also damit, daß ich meine grauen Raupen nicht so verwenden kann, wie ich es mir ausgedacht hatte.

Diese Beobachtung der einen Sandwespe dauerte unausgesetzt von ein Uhr mittags bis um sechs Uhr des Abends. - (fab2)

Drama (2) Der Herr der Liebe - Erotik und Religion

Ein Drama in fünf Akten. Erotische Verwicklungen, erotische Dominanz, erotische Suggestion. Und eine Allegorie auf göttliche Allmacht und Weisheit. In Der Herr der Liebe geht es um Sex und Religion, um Katholizismus und einen jüdischen Hausierer.

In einem Schloß, irgendwo in den Karpaten, leben ein Edelmann, Wasile Disescu, und dessen Geliebte Yvette. Er ist der Herr ihrer Liebe. Aber auch die Magd des Hauses ist in den Schloßherrn verliebt, glaubt, daß dessen Geliebte durch ein berauschendes Parfüm Macht über den Mann ausübt. Sie sucht sich in den Besitz des Parfüms zu setzen. Der Schloßherr ist aber ein sinnlich leicht erregbarer Mensch. Bei einem Besuch auf dem benachbarten Gute verliebt er sich in die Tochter des Hauses, die ihn durch ihren Tanz begeistert. Wieder zu Hause weist er die Geliebte zurück, verguckt sich aber in die Magd, die sich unterdessen das Parfüm angeeignet hat, läßt sich durch ihre Ähnlichkeit mit der Gutsbesitzerstochter täuschen und verbringt die Nacht mit ihr. Als sie am nächsten Morgen entdeckt werden, jagt Yvette die Magd zum Tempel hinaus. Aber auch sie ist nun untreu und läßt sich mit einem jüdischen Hausierer ein, der, da die Sache natürlich zu Ohren des Schloßherrn kommt, von diesem in den Keller geworfen wird, wo er elend verhungern müßte. Doch Yvette kann ihn befreien, wird aber vom Schloßherrn kurz darauf erwürgt, bevor er sich selbst erschießt. In der Schlußszene tritt er vor den Herrgott und klagt sich an. In einem Zwischentitel heißt es: »Gott ist der Herr der Liebe«.  - Fritz Lang. Leben und Werk. Bilder und Dokumente. Hg. Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen und Cornelius Schnauber u. a. Berlin 2001 (Filmmuseum Berlin -  Deutsche Kinemathek)

Drama (3) Ganz zweifellos besitzt das Kamasutra einen dramatischen Aufbau und wie die meisten klassischen indischen Theaterstücke hat es sieben Akte. Im ersten Akt richtet der Junggeselle seine Behausung ein; im zweiten Akt vervollkommnet er seine sexuellen Techniken. Dann verführt er eine Jungfrau (dritter Akt), heiratet und lebt mit einer oder mehreren Frauen zusammen (vierter Akt); als er ihrer müde geworden ist, verführt er anderer Männer Ehefrauen (fünfter Akt), und als er auch dessen müde geworden ist, wendet er sich den Kurtisanen zu (sechster Akt). Als er schließlich alt geworden ist, greift er auf die altindischen Pendants zu Viagra zurück: Aphrodisiaka und Zaubersprüche (siebter Akt). - Verlagswerbung (Wagenbach: "Zwiebel" 2004/5)

Schauspiel
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