pferpriester  Er hatte mitangesehen, wie die ganze Familie seines Bruders, die Kleinsten zuvorderst, im Kreis rings um den Bullen, den Prachtstier, herumstanden, während er gerade im Hof vor dem Haus eine Kuh besprang. Er war unerwartet dazugekommen, aber niemand hatte sich seinetwegen auch nur umgeblickt. Der Stier sprang auf die Kuh, riß ihr mit den Vorderbeinen Flanken und Weichen blutig, wuchtete brünstig mit dem Hinterteil und stieß machtvoll mit dem Schwanzstück, das Halsband verschwand gänzlich in seinen gewaltigen Achselwülsten, die Augen traten ihm blutrot aus den Höhlen, und sein Maul stand voll Schaum und Geifer. Die ganze Familie schaute schweigend zu, erregt von dieser viehischen Brunst, atemlos hinstarrend auf das, was jetzt kommen mußte, und als Honoré die Rute des Stiers in die Hände nahm — nicht nur mit dem helfenden Griff, wie ihn der Veterinär angewendet hätte, sondern feierlich wie ein Opferpriester, mit beinah liebreicher Sorgfalt —, und als er sie in die brünstig klaffende Vulva der Kuh eingeführt hatte, da entrang sich aller Lippen ein bewunderndes Gemurmel. - Marcel Aymé, Die grüne Stute. Reinbek bei Hamburg 1964 (rororo 402, zuerst 1932)

Opferpriester  (2)  Der Opferpriester trat in seinem dunklen und rechtwinkligen Gewände an den Schweinekoben und sprach die Schweine also an:

«Wie könnt ihr euch gegen das Sterben wehren? Ich werde euch drei Monate lang mit feinem Korn mästen. Ich werde mich zehn Tage lang kasteien und werde drei Tage lang wachen. Ich werde euch die Matten aus weißem Gras breiten. Ich werde euren Leib auf die geschnitzte Opferschüssel legen. Befriedigt euch das nicht? »

Dann ging er für einen Augenblick auf den Gesichtspunkt der Schweine ein und sagte: «Es mag wohl besser scheinen, sich von Kleie zu nähren und im Stall zu bleiben ...»

«Aber», setzte er, wieder vom eignen Gesichtspunkt, hinzu, «um Ehre zu gewinnen, wird jeder gern auf dem Kriegsschild oder im Korb des Henkers sterben.»

So verwarf er den Gesichtspunkt der Schweine und nahm seinen eigenen Gesichtspunkt an. Inwiefern war er dann von den Schweinen verschieden?   - (tschu)

Opferpriester (2) Laokoon hat sich an den Strand zurückgezogen, um Neptun einen Bullen zu opfern, als zwei drachenartige Schlangen auf ihn zuschwimmen. Ihre blutroten Kämme, ihre aufgerissenen Rachen und ihre feurigen Augen versetzen die Trojaner in Panik, die zusehen, wie die Sehlangen direkt auf Laokoon zuschießen. »Grausend erzähl ich's!« sagt Vergils Held Aeneas, als er berichtet, was dann passiert:
 

Greifen die Söhne zunächst, die zween, in grauser Umschlingung,
Beiden mit giftigem Biß die kindlichen Glieder zerrüttend.
Gegen ihn selber sodann, der gewappnet naht, um zu helfen,
Springen die zween in gewaltigem Bug und halten schon zweimal
Leib und Brust, zweimal von jeglicher Seite den Nacken
Fürchterlich eng umstrickt; ihr Haupt ragt über dem seinen.
Noch mit Händen versucht er, die Klammer zu lockern,
Da schon Geifer und Gift die Priesterbinde verfärben;
Noch xu den Sternen erhebt er den Wehruf schauerlich gellend
Wie der getroffene Stier aufbrüllt, der wund vom Altare
Flieht und das wankende Beil im Nacken rüttelt und abwirft.'

 - Vergil, Aeneis. Nach: David B. Morris, Geschichte des Schmerzes. Frankfurt am Main 1996

 

Opfer Priester

 

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