urtisane, ursprünglich als »Courtisane« die »Dame demoiselle« oder »Chaperonnière« bezeichnend, die dem Hof (cour) eines Fürsten folgte, also die »mulier cohortalis«. Der Italiener hat zuerst diesem Worte eine anstößige Nebenbedeutung gegeben, indem er als K. eine »Prostituierte von Ruf« bezeichnete. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß ursprünglich die italienischen Hetären als »Cortegiane« in ihrem äußeren prunkvollen und anspruchsvollen Auftreten die vornehmen Hofdamen nachahmten und ihnen daher auch in satirischer Absicht diese Bezeichnung verliehen wurde.

In Italien, und zwar vornehmlich in Venedig und Rom, hat sich auch das Kurtisanentum herausgebildet, als dessen Blütezeit man wohl das 16. Jahrhundert annehmen kann. Im allgemeinen waren die K. nichts, als ein Abklatsch der griechischen Hetären, die sich in eine vornehme, mittlere und arme Klasse unterschieden und in den beiden letzteren eigentlich nichts als Dirnen waren. Eine wirklich höhere Bildung kam nur einer verschwindenden Minorität zu, wo das Kurtisanentum eben mit dem päpstlichen Hof und der venetianischen Aristokratie in Berührung kam und woher sie auch die Mittel zur Bildung und zum vornehmen Auftreten bezogen. In dieser Hinsicht wurden sie auch führend für Mode und Luxus, dem sich dann erst die bürgerliche Frau anschloß.

Die Kurtisanen der einzelnen großen italienischen Städte unterschieden sich übrigens deutlich durch ihre Kleidung. In gesellschaftlicher Hinsicht nahmen sie aber doch keine so hervorragende Stellung wie die griechischen Hetären ein, immerhin war es beliebt, sich bei ihren Gelagen einzufinden. Einzelne K. waren jedenfalls sehr kostspielige Luxusgeschöpfe. - (erot)

Kurtisane (2) Marion de L'Orme war die Tochter eines Mannes mit Besitz, und hätte sie heiraten wollen, hätte sie fünfundzwanzigtausend Taler mit in die Ehe bekommen; aber sie wollte nicht. Sie war eine schöne Person von erhabener Miene, und alles, was sie tat, geschah mit großer Anmut; sie besaß keinen lebhaften Geist, aber sie sang gut und spielte schön auf der Theorbe. Ihre Nase rötete sich manchmal, und deswegen hielt sie ganze Vormittage die Füße ins Wasser. Sie war prachtliebend, verschwenderisch und dabei auf eine natürliche Art unzüchtig. Sie gestand, eine Neigung für sieben oder acht Männer gehabt zu haben und mehr nicht: von Barreaux war der erste, dann Rouville, der indessen nicht allzu hübsch ist: um ihretwillen schlug er sich mit Ferté-Seneterre; Miossens, dem sie aus einer plötzlichen Laune heraus schrieb, er möge mit ihr schlafen; Arnaut; der Großherr; Herr von Chastillon und Herr von Brissac.

Sie sagte, der Kardinal von Richelieu habe ihr einmal einen Kugelring im Wert von sechzig Pistolen geschenkt, der von Frau von Aiguillon stammte. «Ich habe das für eine Trophäe angesehen», sagte sie. Sie war bei ihm, als Page verkleidet. Auf Ninon war sie ein wenig eifersüchtig.

Der kleine Quillet, der sehr vertraut mit ihr war, erzählte, sie habe den schönsten Körper besessen, den man sich vorstellen konnte. Er hat ihr hundertmal ihr wißt schon was geküßt, aber das war alles. Er sagte zu ihr: «So wie Euch bei einem Gelage das Gelüst ankommt, Unrat zu essen, so könnte Euch auch eine Lust zu meinen Gunsten ankommen.» Er ist ein garstiger kleiner Mann voller Finnen.

Sie war neununddreißig Jahre alt, als sie starb; sie war dennoch so schön wie eh und je. Ohne ihre häufigen Schwangerschaften wäre sie schön gewesen bis ins Alter von sechzig Jahren. Sie empfing leicht, weil sie wollüstig war, wie ich schon sagte. Sie nahm, bevor sie krank wurde, eine starke Dosis Antimon, um abzutreiben, und das brachte sie dann um. Man fand für mehr als zwanzigtausend Taler Kleidungsstücke bei ihr. Nie trug sie Handschuhe länger als drei Stunden. Sie nahm nie Geld, sondern nur Putz und Zierat. Am häufigsten kam man überein für soundso viel Mark Silbergeschirr. - (tal)

Kurtisane (3)    Courtisane (Moral). Als solche bezeichnet man eine Frau, die sich zwar öffentlich der Unzucht hingibt, dieses schändliche Metier aber mit einer gewissen Billigung & Zurückhaltung ausübt, & die der Libertinage jenen Zauber verleiht, den die Prostitution ihr fast immer nimmt.

Bei den Römern scheinen die Kurtisanen sich größerer Beliebtheit erfreut zu haben als bei uns, & bei den Griechen noch mehr als bei den Römern. Jeder kennt die beiden Aspasien, von denen die eine sogar Sokrates in Politik & Redekunst unterrichtete; Phryne, die auf ihre Kosten das von Alexander dem Großen zerstörte Theben wieder aufbauen ließ & deren Ausschweifungen so in gewisser Hinsicht dazu dienten, die durch den Eroberer angerichteten Schäden zu beheben; Lais, die so vielen Philosophen den Kopf verdrehte, selbst Diogenes, den sie glücklich machen konnte, Aristippos, der von ihr sagte, »ich bin ihr Herr & nicht ihr Knecht« (eine große Lehre für jeden klugen Menschen); schließlich die berühmte Leontion, die über Philosophie schrieb & von Epikur & seinen Schülern geliebt wurde. Unsere berühmte Ninon Lenclos kann als moderne Leontion angesehen werden, doch es gab nicht viele ihresgleichen, & nichts kommt seltener unter uns vor als philosophische Kurtisanen, sofern diese Verbindung nicht ohnehin eine Herabwürdigung der Philosophie bedeutet. In einem ernsthaften Werk wie diesem werden wir uns jedenfalls über ein solches Stichwort nicht allzusehr ausbreiten. - d'Alembert, (enc)

Kurtisane (4)  Eine Frau - eine Dame aus Sizilien, Donna Franca - geht unter den Prokurazien vorüber, groß, schlank, biegsam, mit jenem geschmeidigen Schritt, den die Venezianer den Windhündinnengang nannten. Und sofort erscheint vor meinem inneren Auge eine Kurtisane ruhmreicher Zeiten: Veronica Franca. Sie ist brünett, goldgetönt, hakennasig und träge. Ein wollüstiger, flüchtiger und penetranter Hauch geht von ihrem königlichen Körper aus. Sie ist lustlos und glühend, ihr Blick verheißungsvoll und enttäuschend. Nicht der Wille, sondern die Natur hat sie zur Herrscherin bestimmt. Sie hat ›das Gute und das Böse ganz‹ in ihren goldenen Händen. - D'Annunzio, nach: Leonardo Sciascia, Schwarz auf schwarz.  München 1991 (dtv 11328, zuerst 1979)

Kurtisane (5)   Saint-Victor diniert bei uns; er spricht von den Diners der Paiva und ihrem unverschämten Luxus; sie trägt sich fast immer als Tscherkessin, in Schleier gehüllt und glitzernd von Diamanten. Er erzählt uns die Geschichte, die sie ihm selbst erzählt hat. Als sie noch mit dem Musiker Herz verheiratet gewesen war, verließ sie Paris ohne Geld: in London kam sie krank an Körper und Geist an, ohne Mittel für den nächsten Tag; mit dem wenigen Geld, das sie mitgebracht hatte - und es reichte nicht einmal dazu —, ließ sie die große Proszeniums-Loge im Königlichen Theater belegen. Da saß sie nun aufgetakelt in ihrer Loge, so krank, daß sie weiße Pusteln auf den Armen hatte, und spürte rundum nichts von dem, was eine Kurtisane sonst wittert, wenn der Mann anbeißt. Sie kehrt in ihr Hotel zurück und, als sie die Treppe hinaufsteigt und sich im Spiegel sieht, bekommt sie Angst vor ihrer Blässe, vor ihrer Müdigkeit und sagt sich: »Geh, mein Mädel, alles ist aus.« Sie hatte eine Phiole mit Laudanum mitgebracht; doch am nächsten Morgen ein Brief und zum Schluß des Briefes ein Mann, der ihr Geld gibt, viel Geld, mehr als hunderttausend Francs, womit sie durch Europa bis nach Schweden, bis nach Lappland, den jungen Mann mit dem Einkommen von vier Millionen, den Grafen Henckel von Donnersmarck, den Besitzer von Zink-Bergwerken in Sibirien, der sie mit Diamanten und Privathotels zudeckt, verfolgen, festhalten, an sich binden kann. Jetzt lebt sie mit ihm.  - (gon)

Kurtisane (6)  Die Frau betrachte und studiere ich. Weißes Fleisch, Arme, Schultern, die sich hinten bis ins Kreuz zeigen; Schulterbänder, die kaum halten und die Achsel nur halb verstecken; große, schöne, ein bißchen runde Augen; eine birnenförmige Nase mit einer Kalmükenabflachung an der Spitze; schwere Nasenflügel; der Mund ist nicht geschwungen, eine gerade Linie, rot geschminkt in einem ganz weiß gepuderten Gesicht. Runzeln, die auf diesem weißen Gesicht im Licht schwarz wirken; und auf beiden Seiten des Mundes eine tiefe Falte in Form eines Hufeisens, die sich unter dem Kinn vereinigen. Das Kinn wird von einer großen Altersfalte geteilt. Ein Gesicht, das, unter der Miene einer Kurtisane noch im Alter ihres Berufs, hundert Jahre hat und das in manchen Augenblicken daher das ich weiß nicht was - Erschreckende einer geschminkten Toten annimmt. - (gon)

Kurtisane (7)  Die Kurtisanen mit vornehmer Lebensart haben, vqn gewissen Schlichen abgesehen, die ihre Lebensweise nötig ^acht, viele edle Eigenschaften. Sie sind zuvorkommend, "Üfsbereit und herzlich, und ihr Charakter wäre erhaben, wenn sie ein gutes Auskommen hätten; ein Beispiel dafür ist Ninon. Ans Vergnügen gewöhnt, verlieren sie jene Verschlagenheit, jene fleischlichen Hintergedanken, die man bei den moraltriefenden Bürgerinnen und Hausfrauen antrifft, die hinter ihren zur Schau gestellten Gefühlen in jedem Augenblick eine Sinnlichkeit durchblicken lassen, die sie hartnäckig leugnen, eine Sinnlichkeit, die keine Frau entstellt, wenn sie mit den Regungen der Seele in Einklang steht, wie es bei den Damen der Fall ist, die offen ein galantes Leben führen. - Charles Fourier, Aus der neuen Liebeswelt. Berlin 1977 (zuerst 1808 ff.)

Kurtisane (7)   Einer entdeckt mit forensischem Eifer und kasuistischer Spitzfindigkeit, daß die Literatur doch im Grunde schon immer mit den besten Bestimmungen der Menschen zusammengearbeitet habe, daß sie aufklärend und willfährig sei. Man kratzt an ihrer Metaphernhaut, bis der Geist der Zeiten und eine ekle, weißliche Flüssigkeit, die »Weltanschauung« hervorquillt. Sie aber, die Kurtisane aus Berufung, weigert sich, eine tugendhafte Gattin, eine ehrbare, brave Gefährtin zu werden; vergeblich lauert man darauf, daß sie sich zur Erzieherin unverdorbener, heterosexueller Söhne mausert. Eher wird sie sich von der Kurtisane zur Hafendirne, zur Fernfahrerhure wandeln. Uns Sterblichen hält sie ihre Vorliebe für den Tod entgegen, diese unersetzliche, rhetorische Figur.

Es ist ein unerhörter Skandal. Aus diesem Grunde ist es so schwer, aus ganzem Herzen »sui sectatores« zu sein. Die Welt lockt uns, sie wünscht, uns als Gentlemen zu sehen. Wir könnten die Literatur als ein adiinaton, als etwas Unmögliches bezeichnen, und sie somit als Ganzes in eine rhetorische Figur verwandeln. Sie verhält sich dem Menschen gegenüber gleichgültig. Sie tritt nur -insofern in Beziehung zu ihm, als er aufhört, human zu sein. Von dem Augenblick an, da es ihr gelingt - und sei es implizit - ihn zu überreden, daß Leiden, Ungerechtigkeit und Grauen weiter nichts sind, als gradus ad parnassum, Erfindungen zur Schaffung einer nicht mehr perfektionierbaren Syntax, von diesem Augenblick an besitzt sie ihn, verführt ihn zur unsühnbaren Sünde, macht ihn zum Ehebrecher, zum Mörder und Lügner- und er ist glücklich darüber. Sie krönt ihn zum Deserteur.   - Giorgio Manganelli, Literatur als Lüge. Nach (man)

Kurtisane (8)  So werden jene mit Diamanten behängten Wesen genannt, die ihre Gunst zu Höchstpreisen versteigern, obschon so manche von ihnen in keiner Weise anziehender ist als das Mädchen, das sich, von der Not getrieben, für ein paar Francs anbietet. Beide obliegen sie demselben Gewerbe, und doch klaffen Abgründe zwischen ihnen, aufgerissen durch die Launen des Schicksals, durch ein bißchen angelernte Lebensart und etwas Geist.

Welch ein Abstand zwischen der hochfahrenen Laïs, die in ihrer Prunkkarosse (welche man, wüßte man nicht Bescheid, für die einer jungen Gräfin hielte) nach Longchamp fliegt, und der Gossenhure, die sich nachts an irgendeiner Ecke die Beine abfriert! Welch eine Fülle hierarchischer Abstufungen, unterschiedlicher Namen und Nuancen für eine Sache, die doch trotz allem stets dieselbe bleibt! Laster und Bedürftigkeit haben viele Gesichter, mal nennt man sie so, mal anders, je nachdem, ob sie 100000 Livres im Jahr einbringen oder ein paar Münzen für die Viertelstunde.

Ihrem Range nach stehen die Kurtisanen zwischen den Frauen, die sich in Ehren aushaken lassen, und den öffentlichen Dirnen. Ein gewisser Schriftsteller hat sie recht treffend charakterisiert, indem er sagte: »Man könnte sie als die Weibchen der Gattung der Höflinge (auf Französisch — courtisan - d. Übs.) bezeichnen; sie bedienen sich derselben Listen und Ränke, und gleichermaßen widerlich ist ihr Gewerbe, sie kranken an denselben Übeln, sind nicht minder unersättlich, sehen ihnen also, mit einem Wort, bei weitem ähnlicher, als so manches Weibchen einer ändern Gattung seinem Männchen...«    - Louis Sébastien Mercier, Mein Bild von Paris. Frankfurt am Main 1979 (zuerst ca. 1780)

dame

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