risis   Die Krankheiten, die sich an geraden Tagen steigern, werden an geraden Tagen entschieden. Für die aber, bei denen die Steigerung an ungeraden Tagen eintritt, kommt auch die Krise an ungeraden Tagen. Die erste Periode der Krisen an geraden Tagen ist am vierten, sechsten, achten, zehnten, vierzehnten, zwanzigsten, vierundzwanzigsten,  dreißigsten, vierzigsten, sechzigsten, achtzigsten und hundertundzwanzigsten Tag. Die erste Krise an ungeraden Tagen fällt auf den ersten, dritten, fünften, siebten, neunten, elften, siebzehnten, einundzwanzigsten, siebenundzwanzigsten und einunddreißigsten Tag. Außerdem ist noch zu merken, daß es Rückfälle geben wird, wenn eine Krise außerhalb der eben genannten Termine eintritt. Der Ausgang kann dann auch tödlich sein. Man muß also aufpassen und sich klar darüber sein, daß zu diesen Terminen die Krisen kommen werden, die zur Genesung oder zum Tod führen oder eine Entwicklung zum Guten oder zum Schlimmen einleiten. Außerdem muß man darauf achten, in welchen Perioden die Krise bei unregelmäßigen Fiebern und bei Viertage-, Fünftage-, Siebentage- und Neuntagefiebern eintritt. - (hi)

Krisis (2)  Empfindsame Patientinnen gerieten nach wenigen Minuten des Mesmerisierens in eine »Krise«, die Mesmer als Beweis für seine Methode ausgab. Der Körper begann zu beben, Arme und Beine bewegten sich heftig und unwillkürlich, die Zähne schlugen laut aufeinander. Die Patientinnen schnitten Grimassen, stöhnten, plapperten, schrien, wurden schwach und fielen in Ohnmacht.

Mesmer beim Mesmerisieren

Eine Patientin erleidet eine mesmeristische Krise,
als der Namenspatron dieser Vorfälle versucht, sie zu heilen.

Durch mehrfache Wiederholung dieser Behandlung sollte das magnetische Gleichgewicht wiederhergestellt und eine Heilung erreicht werden.  - Stephen Jay Gould: Bravo, Brontosaurus. Die verschlungenen Wege der Naturgeschichte. Hamburg 1994

Krisis (3)  Nun bemerken wir, je mehr sich diese Periode mit dem Schluß des Tages ihrem Ende nähert, desto mehr beschleunigt sich der Pulsschlag, und es entsteht ein wirklich fieberhafter Zustand, das sogenannte Abendfieber, welches jeder Mensch hat. Höchstwahrscheinlich trägt der Zutritt des neuen Chylus ins Blut etwas dazu bei. Doch ist's nicht die einzige Ursache, denn wir finden's auch bei Kranken, die nichts genießen. Mehr noch hat sicher die Abwesenheit der Sonne und die damit verbundene Revolution in der Atmosphäre Anteil. Eben dieses kleine Fieber ist die Ursache, warum nervenschwache Menschen sich abends geschickter zur Arbeit fühlen als am Tage. Sie müssen erst einen künstlichen Reiz haben, um tätig zu werden, das Abendfieber ersetzt hier die Stelle des Weins. Aber man sieht leicht, daß dies schon ein unnatürlicher Zustand ist. Die Folge desselben ist, wie bei jedem einfachen Fieber, Müdigkeit, Schlaf und Krisis durch die Ausdünstung, welche im Schlaf geschieht. Man kann daher mit Recht sagen: Jeder Mensch hat alle Nacht seine kritische Ausdünstung, bei manchen mehr, bei manchen weniger merklich, wodurch das, was den Tag über Unnützes oder Schädliches eingeschluckt oder in uns erzeugt wurde, abgeschieden und entfernt wird. Diese tägliche Krisis ist jedem Menschen nötig und zu seiner Erhaltung äußerst unentbehrlich; der rechte Zeitpunkt derselben ist der, wo das Fieber seinen höchsten Grad erreicht hat, das ist der Zeitpunkt, wo die Sonne gerade im Zenit unter uns steht, also die Mitternacht. Was tut nun der, der dieser Stimme der Natur, die in diesem Zeitpunkt zur Ruhe ruft, nicht gehorcht, der vielmehr dieses Fieber, welches das Mittel zur Absonderung und Reinigung unsrer Säfte werden sollte, zu vermehrter Tätigkeit und Anstrengung benutzt? Er stört die ganze wichtige Krise, versäumt den kritischen Zeitpunkt, und gesetzt, er legt sich nun auch gegen Morgen nieder, so kann er doch nun schlechterdings nicht die ganze wohltätige Wirkung des Schlafs in dieser Absicht erhalten, denn der kritische Zeitpunkt ist vorbei. Er wird nie eine vollkommene Krise, sondern immer nur unvollkommene haben, und Ärzte wissen, was dieses sagen will. Sein Körper wird also nie vollkommen gereinigt. — Wie deutlich zeigen uns dies die Kränklichkeiten, die rheumatischen Beschwerden, die geschwollenen Füße, die unausbleiblich Folgen solcher Lukubrationen sind! - (huf)

Krisis (4)  Mit fünfzehn war ich einmal schwer krank. Ich hatte Fieber, und Blut floß aus meinem Mund. Der mqaddim kam. Meine Mutter wickelte mich in ein schwarzes Tuch und setzte mich auf den erhöhten Stuhl. Erst schlug der mqaddim dem schwarzen Hahn den Kopf ab und warf den blutenden und zuckenden Körper auf mich, dann erstach er das schwarze Böcklein. Es war so heiß in dem Raum. Ich glühte. Von fern hörte ich Wasser tropfen. Es konnte aber auch jemand sein, der auf der gunbri zupfte. Ich mußte lachen, denn ich sah eine Kaurischnecke über die Saiten gleiten, hin und her, wobei sie manchmal ganz ohne Absicht einen Ton hervorbrachte. Die Schnecke hatte zwei schwarz glänzende Augen. Es waren polierte Sesamkörner. Ihr Körper aber war aus weißem Benzoeharz. Neben ihr hüpfte eine Echse unregelmäßig auf dem schlaff gespannten Fell einer Trommel in die Luft. Die Echse hatte einen grauen und eingefallenen Körper. Sie sah aus wie ein Brotfladen.

Rqiqa!" rief ich. ,Rqiqa!" Und die Echse hörte mich und sprang immer höher und höher. Bald würde sie bis an die Decke kommen. Der heiße Atem meiner Mutter blies mir ins Gesicht. Sie fragte den mqaddim, was ich gesagt hätte, aber er antwortete ihr nicht. „Vielleicht hat er Hunger", hörte ich sie ganz leise neben mir flüstern. Aber die Fladenbrotechse lächelte nur und schnappte sich die Schnecke und schlug mit ihr jetzt richtig auf die Seiten der gunbri, so daß es ein großes Getöse im Raum gab. Der offene Hals des schwarzen Hahns krähte. Das Böcklein streckte die Zunge ein letztes Mal nach seinem eigenen Blut aus, das im ockerfarbenen Boden zu meinen Füßen versickerte. Dann hatte die Echse die Decke erreicht. Sie fiel mir in den aufgesperrten Mund und rutschte wie ein Feuerstrahl durch meine Kehle. Ich mußte würgen.

Dann, mit einem Mal, war alles ruhig. War ich in Ohnmacht gefallen? Ich weiß es nicht. Es war still und kühl um mich herum. Die Echse schmeckte wie ausgewalztes Brot, hart geworden über Nacht. Mein Magen griff nach ihr und rollte sie zu einem Ball zusammen. Dann schlief ich ein.  - (rev)

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