ännchen  Der Mann, der an jenem frühen Oktobernachmittag die Agentur Fiat Lux (Private Erkundigungen, Nachforschungen, Beschattungen) betrat, ging nicht mehr auf die Sechzig zu. Er hatte sie bereits erreicht, ja sogar überschritten. Mittelgroß. Abgetragener Trenchcoat, darunter ein grauer Anzug, gutgeschnitten, aber derart mitgenommen, daß die Knie sich in Sorgenfalten legten. Sein schlaffer Mund erinnerte an den einer Kröte. Wahrscheinlich beherbergte er nicht mehr viele Zähne. Die Schäbigkeit seiner schwarzen Schuhe, vorne spitz und an den Seiten rissig, wurde zum Teil durch diese altmodischen Gamaschen verdeckt, die man noch manchmal hinter den Midinettes herlaufen sieht, hinter diesen kleinen Näherinnen, eine weitere Gattung der Pariser Fauna, die immer mehr von der Bildfläche verschwindet. Vor mir stand ein altes Männchen, trotz allem peinlich sauber — Karikatur eines alten Beau —, glattrasiert, wie mit Rauhreif gepudert. Sah wohl ständig glattrasiert aus, sah aus, als rasierte er sich mehrmals am Tag. Die Haut seines hageren Durchschnittsgesichts war von einem Netz dünner, man hätte meinen können künstlicher Runzeln zerfurcht. Durch das Puder schimmerte diese eigentümliche Färbung hindurch, die der wiederholte Gebrauch von Make-up dem Gesicht auf Dauer verleiht. Wie kaltes Kalbfleisch. Das Männchen war kein Hausdiener, aber er hätte diese Rolle spielen können. Allerdings hätte er jede Rolle spielen können, die nicht mehr Originalität verlangt als eine Gaslaterne oder die Geräuschpalette einer Gemüsemühle. Nur als Transvestit eignete er sich wohl kaum. -  Léo Malet, Wie steht mir Tod? Reinbek 1991 (rororo 12891, zuerst 1956)

Männchen (2)  Ein großer Teil der Tiefsee-Anglerfische zeigt einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus, bei dem das Männchen als Zwergmännchen deutlich kleiner ist als das Weibchen. Dabei kann etwa ein Gigantarctis-Weibchen eine Größe von 40 Zentimetern erreichen, die Männchen der gleichen Art sind nur zwei Zentimeter groß. Nach der Metamorphose von der Fischlarve in das adulte Tier beginnt das Männchen mit Hilfe seiner Augen und des gut ausgebildeten Geruchssinnes ein Weibchen zu finden. Hat es eines erreicht, beißt es sich an diesem fest, die Kiefer des Männchens bilden sich danach zurück und die Haut beider Tiere verwächst, ebenso die Blutgefäße. Bis auf die Kiemen werden alle Organsysteme reduziert und die Ernährung erfolgt anschließend nur noch über den Blutkreislauf des Weibchens. - Wikipedia

Männchen (3) »Das ist Kommissar Maigret, Fernand.«

Ein etwa vierzigjähriger Mann mit einem braunen Schnurrbart erhob sich. Auch er behielt die Serviette in der Hand. Er hatte seine Jacke ausgezogen, den Schlips aufgeknotet und den Hemdkragen geöffnet.

»Welche Ehre«, murmelte er und blickte abwechselnd seine Frau und den Besucher an.

»Der Kommissar war heute nachmittag schon einmal hier. Ich habe noch gar nicht die Zeit gehabt, es dir zu erzählen. Wegen des Mieters, den man erschossen hat, ist er durchs ganze Haus gegangen und hat an jeder Tür geklingelt.«

»Essen Sie ruhig weiter«, sagte Maigret. »Ich habe es nicht eilig.«

Auf dem Tisch standen ein Kalbsbraten und Tomatennudeln. Das Paar setzte sich wieder, wenn auch ein wenig verlegen, während der Kommissar am anderen Ende des Tisches Platz nahm.

»Trinken Sie ein Glas Wein?«

Die Karaffe mit Weißwein, die man eben erst aus dem Kühlschrank genommen hatte, war beschlagen, so daß Maigret nicht widerstehen konnte. Und es lohnte sich, denn man schenkte ihm einen Sancerrewein ein, der trocken und gleichzeitig sehr blumig war und den man gewiß nicht bei einem Krämer erstanden hatte.

»Ich habe ihm nur sagen können, daß wir diesen Palmari nicht gekannt haben. Ich habe ihn nie gesehen, und bis heute morgen wußte ich nicht einmal, wie er hieß. Was die Frau betrifft...«

Fernand war ein schöner Mann, schlank und muskulös, und .sein Bart betonte die sinnlichen Lippen, die tadellosen Zähne, die beim kleinsten Lächeln sichtbar wurden.

»Kennst du sie?«

»Nein. Aber laß den Kommissar sprechen. Bitte reden Sie, Monsieur Maigret.«

Er sagte das ironisch, fast aggressiv. Er war das schöne, ein wenig streitlustige Männchen, das seiner Sache sicher ist und weder an seinem Charme noch an seiner Kraft zweifelt.  - Georges Simenon, Maigret hat Geduld. München 1971 (Heyne Simenon-Kriminalromane 99, zuerst 1965)

Männchen (4) Die Frauen herrschen mehr über die eitlen als über die stolzen Männer. Diese haben nur eine Frau nötig, und dies von Zeit zu Zeit. Jene aber haben immer das Bedürfnis, vorgezogen zu werden, vor allem wollen sie den Anschein erwecken, als würden sie es.  - (hds)

Mann
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