Fallen einem Menschen die Haare in Kahlheit aus, so können sie durch
keinerlei Heilmittel wiederhergestellt werden, weil eben die Feuchtigkeit
und die grünende Kraft, die er zuvor in der Kopfhaut, d.i. im »Hirnschädel«
(hirneschädele) hatte, bereits vertrocknet ist. Hier kann sich kein frisches
Grün mehr erheben, und so werden auch die Haupthaare dort nicht wieder
geboren. Und so kommt es sehr oft, daß, wer eine große, breite Glatze hat,
auch einen großen breiten Bart hat ... - (bin)
Glatze (2) Immer zu früh,
verursacht durch jugendliche Ausschweifungen oder durch das Wälzen großer
Gedanken. - (fla
)
Glatze (3) Kommt einer sich
glatzköpfig vor, wird er Freunde und Kapital verlieren. - (
byz
)
Glatze (4)
Es sagen mir die Mädchen: |
- Anakreontische Lieder, Übs. Eduard Mörike
Glatze (5) Galba wurde erstochen am Lacus Curtius und blieb hier, so wie er war, liegen, bis ein gemeiner Soldat, der gerade vom Proviantfassen zurückkehrte, seine Last ablegte und ihm den Kopf abhieb. Da er ihn wegen der Glatze nicht beim Schopf fassen konnte, barg er ihn in dem Schoß seines Mantels. Dann zwängte er seinen Daumen in den Mund und brachte ihn so zu Otho. Dieser schenkte das Haupt den Marketendern und Troßknechten, die es auf einen Spieß steckten und unter allerlei Witzen im Lager umhertrugen, wobei sie wiederholt riefen: „Galba, du Liebesgott, jetzt genieß dein Alter!" Zu diesem frechen Witz waren sie besonders dadurch gereizt worden, daß einige Tage zuvor im Publikum bekanntgeworden war, der Kaiser habe jemandem, der seine äußere Erscheinung als noch recht blühend und lebenskräftig pries, mit den Homerischen Worten erwidert:
Noch fühl' ich das Mark in den Knochen.
Von ihnen kaufte den Kopf ein Freigelassener des Patrobius Neronianus für
hundert Goldstücke und warf ihn auf die Stelle hin, wo sein Patron auf Galbas
Befehl hingerichtet worden war. Sehr spät erst bestattete Galbas Hofmeister
Argivus den Kopf wie den Rumpf seines Herrn in dessen Privatgärten an der Aurelischen
Landstraße. - (
sue
)
Glatze (6) Die
Adler packen die Landschildkröten
und lassen sie aus der Höhe auf Felsen fallen. Dann zerbricht der Panzer, und
sie können das Fleisch herausholen und verzehren. Auf diese Weise ist, wie ich
höre, der Tragödiendichter Aischylos aus Eleusis ums Leben gekommen. Aischylos
saß auf einem Felsblock und sinnierte wie gewöhnlich und machte sich Notizen.
Nun hatte er eine Glatze, und so hielt ein Adler seinen Kopf für einen Stein.
Er ließ die Schildkröte, die er in den Fängen hielt, heruntersausen. Das Geschoß
traf den Dichter und tötete ihn. - (
ael2
)
Glatze (7)
"Kahle Intellektuelle"
- Reiner Zimnik, Winterzeichnungen. In: Das Tintenfaß. 10. Jahrg.,
24. Folge. Zürich 1974 (Diogenes)
Glatze (8) Auf dem Sitz des zertrümmerten
Wagens lag im Staube ein kahlköpfiger alter Mann mit vornehmem Gesicht und einer
großen Nase. Er starrte gerade auf Augustus, war aber so totenbleich und lag
so regungslos, daß Augustus zweifelte, ob er nicht wirklich tot sei. »Darf ich
Ihnen behilflich sein, mein Herr?« sagte Augustus. »Sie haben einen schrecklichen
Unfall gehabt, aber hoffentlich haben Sie sich nicht ernstlich verletzt.« Der
alte Mann blickte ihn immer noch mit verwirrten Augen an. Eine stämmige junge
Frau, die gegenübergesessen, war auf ihre Hände und Knie zwischen Kissen und
Schachteln gestürzt. Sie begann sich mit lautem Wehgeschrei aus dem Durcheinander
zu befreien. Der alte Mann blickte sie an. »Setz mir den Hut auf«, sagte er.
Die Zofe, Augustus erkannte sie nun als solche, fand nach einigem Herumwühlen
einen breiten Hut mit Straußenfedern und setzte ihn dem alten Kahlkopf umständlich
auf. Innen war eine Fülle von Silberlocken befestigt, und im Nu verwandelte
sich der alte Mann in eine vornehme alte Dame, deren Aussehen Achtung gebot.
Scheinbar gab ihr der Hut ihr Gleichgewicht wieder. Sie hatte sogar noch den
Schatten eines feinen und dankbaren Lächelns für Augustus übrig. - (
blix
)
Glatze (9)
Glatze (10)
- N.N.
Glatze (11) Der fahie Wanst hatte gesiegt, Anselm
mußte zuhören, offenbar war der also Haarwuchsspezialist, erörterte nun seine
eigene Glatze, Alopezien, sagte Er, also Glatzenbildungen, sagte Er, sind zurückzuführen
auf zuviel männliche Hormone, das Androgene, sagte Er, verstehen Sie, zum Beispiel,
und deutete kühn mit einem fetten Zeigefinger auf seine Blöße, Aristoteles,
sagte Er, Sie kennen ihn, sagte Er, den griechischen Philosophen, wissen Sie,
was der sagt? nur Eunuchen und Frauen
kriegen keine Glatze! so ist das nämlich, zuviel Männlichkeit
und schon hat man die Glatze, glauben Sie's nicht? Doch, doch, Sie glaubt es
gern. Sonst müßte Er es ihr beweisen. Sie lacht laut-schnelleindeutig. - Martin Walser, Das Einhorn. Frankfurt am Main
1966
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