otin Nur
Männer können Mitglieder werden. Der Frauen hingegen bedient sich die Sekte
nur zur Übermittlung eiliger Botschaften. Eine der mit dieser Aufgabe betrauten
Frauen heißt Voladora. Normalerweise sucht ein honoriges Sektenmitglied
das schönste Mädchen seiner Familie aus und zwingt es, diese Rolle zu übernehmen.
Von da an kann es kein normales Leben mehr führen. Das erste Stadium der Initiierung
besteht in einem gleichfalls vierzig Tage dauernden Bad. Eines Nachts wird das
Mädchen dann aufgefordert, ihren Ausbilder in einer Waldlichtung zu treffen.
Sie sieht nichts als einen glänzenden Kupferteller. Der Ausbilder gibt seine
Anweisungen, tritt aber nie in Erscheinung. Er befiehlt dem Mädchen, sich auszuziehen,
die Arme zu heben und sich auf die Fußspitzen zu stellen. Dann muß sie eine
bittere Flüssigkeit schlucken, die sie zum Erbrechen ihrer Eingeweide
bringt.
«In den Teller», schreit er, «in den Teller.»
Nachdem sie ihre Innereien erbrochen hat, ist sie
so leicht, daß ihr die Flügel eines Vogels wachsen
und sie mit hysterischen Schreien über Menschensiedlungen hinwegfliegen kann.
Bei Morgengrauen kehrt sie zu der Lichtung zurück, schluckt
ihre Innereien wieder herunter und gewinnt ihre menschliche Gestalt zurück.
- (
pat
)
Botin (2) Iris, mit schnellen Füßen, aber auch mit großen Flügeln, hatte das Amt der Botin. In unserer Sprache: sie war angelos. Kultische Verehrung besaß sie auf Hekatesnesos, auf der Insel der Hekate bei der Insel Delos. Hekate selbst hieß einmal Angelos. Sie galt in dieser Eigenschaft als Tochter der Hera und des Zeus. Es wurde erzählt: Sie hatte die Schönheitssalbe ihrer Mutter gestohlen und an deren Rivalin, Europa, geschenkt. Als Hera sie dafür bestrafen wollte, flüchtete sie zuerst ans Bett einer Wöchnerin, dann zu einem Leichenzuge, schließlich zum acherusischen See in die Unterwelt, wo sie von den Kabiren gereinigt wurde: lauter der Hekate würdige Abenteuer. Doch wird man sofort hören, daß auch Iris die Unterwelt besuchte. Eine andere Gestalt, in der sich Iris verbirgt, außer Angelos, ist vielleicht jene Eidothea, die Tochter des Proteus, deren Name auf ein eidos, eine sichtbare Erscheinung wie der Regenbogen, hindeutet. Aus welchem Grunde Iris, dem Namen nach eine Himmelsbotin, von den Göttern in die Unterwelt geschickt werden konnte, sei nach Hesiod erzählt:
Weit entfernt von den Göttern wohnt die verhaßte Göttin,
die Styx, in ihrem berühmten Palast, unter hohen Felsen. Der Himmel ruht da
auf silbernen Säulen. Selten kommt Iris über den breiten Rücken des Meeres dorthin.
Bricht aber Zwist und Streit unter den Unsterblichen aus, verlegt sich gar auf
dem Olymp einer aufs Lügen, dann schickt Zeus die Iris
aus, den großen Schwur der Götter aus der Ferne, in
goldenem Becher, zu holen, das kalte Wasser vielen Namens, welches vom hohen
Felsen herunterstürzt. Es ist das Wasser der Styx. Auch dieses Wasser entströmt
dem Horn des Okeanos, unter der Erde, in tiefer Nacht. Zehngeteilt ist sein
Strom. Neun Arme umfließen die Erde und das Meer. Ein Arm fließt aus dem Felsen
hervor, zum Schaden der Götter. Wer unter ihnen auf dieses Wasser einen Meineid
schwört, der liegt sofort atemlos da und bleibt ein ganzes Jahr lang leblos.
Er kommt nicht mehr zu Ambrosia und Nektar, zur Speise und zum Trunk der Unsterblichen,
sondern verbleibt stumm und bewußtlos auf seinem Lager. Nach Ablauf des Jahres
erwarten ihn weitere, noch bösere Strafen. Auf neun Jahre ist er verbannt vom
Rat und Schmaus der Götter. Erst im zehnten darf er wieder teilnehmen an ihren
Versammlungen. - (kere)
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