- Gilbert Keith Chesterton, Ketzer.
Eine Verteidigung der Orthodoxie gegen ihre Verächter. Frankfurt am Main 2004
(it 3023, zuerst 1905)
Schlucken (2) Der unerfreuliche Zwischenfall ereignete sich, als Perseus das Haupt der Medusa mitten auf den Tisch legte. Meg war im Verlauf des Mahls Hebes emsigste Abnehmerin gewesen und entschied übermütig, es sei doch sehr amüsant, den Kopf zum Leben zu erwecken. Sie tat es, und das war schon schlimm genug, doch Perseus verschlimmerte das Ganze noch mehr, indem er Medusa mit Fischstücken fütterte, die er von mehreren Tellern nahm. Dieses gespenstische Schauspiel fesselte Hunter Hawk so sehr, daß er sich nicht sofort auf seine eigenen Fähigkeiten besann.
Medusa schluckte alles, was sich ihr bot. Es erforderte einige Geschicklichkeit, denn auch die Schlangen waren nicht gerade faul. Sie schnappten dem Kopf, den sie zierten, so manchen leckeren Bissen von den Lippen. Dieser Anblick verstörte sogar die Götter leicht. »Wohin verschwindet denn das ganze Zeug?« fragte Bacchus. »Sie hat doch überhaupt keinen Magen.«
»Hebe«, rief Medusa mit vollem Mund, »was hast du in deinem Becher, Liebes?«
»Das«, erklärte Hebe entscheiden, »ist das einzige Mal, wo ich mich weigere, Mundschenk zu spielen. Hier!« Sie reichte Perseus einen Becher, der ihn Medusa an die Lippen setzte. Medusa leerte ihn durstig und klimperte dann heftig mit den Lidern.
»Huiii« ! rief sie plötzlich heiser und so laut, daß die Götter auf ihren Stühlen zusammenfuhren. »Das Zeug mag ich. Du bist doch ein guter Junge, Perseus, selbst wenn wir einmal gewisse Meinungsverschiedenheiten hatten. Glaubst du, du könntest mir irgendwo einen Körper ausgraben?«
Hunter Hawk lief ein Schauer über den Rücken. Medusas Ausdrucksweise war für jemanden mit lebhafter Phantasie etwas zu anschaulich.
»Kann mir bitte jemand erklären, wohin sie das getrunken hat ?« bat Bacchus verstört.
»Weshalb fragst du denn nicht mich, Dickwanst ?« zischte Medusa. »Wenn du
es unbedingt wissen mußt, es ist mir in den Kopf gestiegen. Ich brauche keinen
Magen.« - (
goetter
)
Schlucken (3) Der geweihte Bissen (offa judicialis)
war ein Stück Brod oder Käse, welches der Priester dem Beklagten unter allerlei
Verwünschungsformeln in den Mund steckte. Wurde es ihm zu schwer, den geweihten
Bissen zu verschlucken, oder konnte er ihn gar nicht hinter bringen, hielt man
ihn für schuldig. König Kanut (517) schreibt diese Unschuldsprobe
im fünften Hauptstück seiner Gesetze vor. (Canciani Barbar. leges ant. Vol.
IV. p. 301.) Bei du Fresne (Glossar, s. v. Corsned) liest man, dass ein
Graf Godwin, des Brudermords angeklagt, sich durch den geweihten Bissen habe
reinigen wollen, aber sogleich nach Verschluckung desselben gestorben sei. - (
hel
)
Schlucken (4)
- Aus: Hieronymus Bosch, Das Jüngste Gericht
Schlucken (5) Ich habe mir im
Schutz der Decken das Säckchen mit meinen Privatsachen herangezogen, und von
dem glashellen scharfen Branntwein geschluckt. Schön, so am Morgen zu trinken;
es wirkt fast unmittelbar, gleich nach 2, 3 Minuten; und man braucht ganz wenig.
Und ist eine Stunde lang wach wie ein Gott! — Da: schon kommt's! Nun sehe ich
jedem Menschen nur ins platte Gesicht, und errate sogleich: Du bist ein Schuft!
Und Du ein Schwein! Und Du ein Narr! Aemilianus ist dies alles: Deino wird es.
Nur Tarfan, der Bunte, ist anders; aber er ist nicht scharfsinnig genug — doch
schon zu viel von ihnen, ich will die Stunde nicht vergeuden. Die zehnstellige
streicheln; ich liebe sie wie die Einsamkeit; und warum? Pah — herhören (Wer
soll herhören — Was?!): mit 6 beginnen unendlich viele Zahlen, mit 62 schon
weniger, mit 62457 nur noch einige, mit 62457 63016 keine mehr, die ihr Pöbel
kennt; und dahinter tauchen aus unendlichen Zahlentiefen mehr auf, mehr auf,
mehr, kommt — ach Ihr! Und deswegen die Hand hoch zu alpha Lyrae — hoho, wer
errät's? - Arno Schmidt, Enthymesis oder W.I.E.H. Zürich 1987 (zuerst
1949)
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