ügellosigkeit
Keinen Nutzen bringt es, beim Verkehr mit
der Mutter mehrere verschiedene Stellungen
zu gebrauchen; denn mit der Mutter soll man kein frevelhaftes Spiel
treiben. Daß die Menschen alle übrigen Stellungen aus Übermut,
Zügellosigkeit und Unbeherrschtheit ersonnen haben, die Natur
sie aber nur eine einzige, nämlich Leib an Leib lehrte, kann man an dem Beispiel
der anderen Lebewesen erkennen; alle Arten begnügen sich mit der ihnen zukommenden
und weichen nicht von ihr ab, weil sie der natürlichen Ordnung entspricht. So
gibt es Tiere, die das Weibchen von hinten bespringen,
wie das Pferd, der Esel, die
Ziege, das Rind, der Hirsch und die übrigen Vierfüßler.
Andere berühren zuerst den Mund, wie Nattern, Tauben
und Wiesel; manche kommen nur für kurze Zeit zusammen, wie die Sperlinge. Wieder
andere lassen sich auf die Weibchen nieder und zwingen sie durch die Schwere
ihres Gewichtes, sich zu ducken; so machen es alle Vögel.
Andere vereinigen sich gar nicht, sondern die Weibchen sammeln die von den Männchen
ausgeschiedenen Samen, wie z.B. die Fische. So liegt
es in der Natur der Sache, daß die dem Menschen artgemäße Stellung die von Leib
zu Leib ist, während sie alle anderen aus Übermut und Zügellosigkeit hinzuerfunden
haben. - (
art
)
Zügellosigkeit (2) Wenn ein Hahn
sich in Ermangelung einer Henne an einem anderen Hahn vergeht, wird er bei lebendigem
Leibe verbrannt; denn Wahrsager und Zeichendeuter sehen darin ein gewaltiges,
schreckenerregendes Vorzeichen. Darin aber liegt
das, Eingeständnis der Menschen selbst, daß den Tieren mehr Anspruch auf Enthaltsamkeit
zusteht, und daß sie der Natur mit ihren Lüsten keine Gewalt antun dürfen. Aber
eure Begierden lassen sich in ihrer Zügellosigkeit nicht einmal von der Natur,
der doch das Gesetz helfend zur Seite steht, in ihren Grenzen halten; wie von
einem Bergstrom fortgerissen, treiben sie durch ihre Leidenschaft in dem natürlichen
Liebesleben furchtbaren Mutwillen und richten heillose
Verwirrung an, so daß es zu den unglaublichsten Verirrungen
kommt. Aus solchem Bund entsprangen bei euch Wesen wie der Minotauros
und der Aigipan, und dazu gehören, möchte ich meinen, auch Sphinxe
und Kentauren. Zwar ist es vorgekommen, daß ein Hund
aus Hunger in seiner Not einen Menschen angefressen oder ein Vogel ihn angepickt
hat, aber sonst hat noch niemals ein Tier sich in seiner Leidenschaft an einem
Menschen vergriffen. Wozu haben aber nicht die Menschen schon in ihrer Lust
Tiere gegen alles Recht gebraucht? - (
plu
)
Zügellosigkeit (3) Die Zügellosigkeit war
um so größer, als wir ihr auch da nicht Einhalt gebieten konnten, wo sie uns
gar nicht paßte. Von allen Schwierigkeiten, mit denen eine Aufstandsbewegung
zu kämpfen hat, ist dies die unvermeidlichste; und sie ist von großer Tragweite,
insofern als eine Zügellosigkeit, die nicht in ihr Konzept paßt, ihr fast immer
verderblich ist, weil sie sie in Verruf bringt. Es konnte uns nichts daran liegen,
die Schmähschriften und Spottlieder abzuwürgen, die gegen den Kardinal verfaßt
wurden; sehr viel jedoch mußte uns daran liegen, jene zu unterdrücken, die gegen
die Königin, ja manchmal sogar gegen die Religion und den Staat umliefen. Es
ist gar nicht zu schildern, wie sehr uns die Überreiztheit der Geister in dieser
Hinsicht beunruhigte. Zwei Drucker, denen man die Verbreitung zweier Werke nachwies,
die den Scheiterhaufen durchaus verdient hatten, verurteilte La Tournelle zum
Tode. Schon auf der Leiter ließen sie es sich einfallen zu schreien, man bringe
sie wegen einiger Verse gegen den Mazarin um; das Volk entriß sie der Justiz,
und mit unbeschreiblicher Wut. Ich erwähne den bedeutungslosen Umstand
nur als Beispiel dafür, in welche Klemme Leute kommen können, auf deren Rechnung
man alles zu setzen beliebt, was gegen die Gesetze geschieht; und was noch ärgerlicher
ist: fünf-, sechsmal am Tag genügt ein unglücklicher Zufall, wie er bei dieser
Art von Unternehmungen häufiger vorkommt als sonstwann, auch die besterwogenen
Ergebnisse natürlicher Klugheit zu entstellen. - (
retz
)
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