ielseitigkeit  Sir Arthur besuchte die Universität und wurde Arzt, wie später der gute Watson. Doch blieb dies nur ein Teil, vielleicht der geringste, seiner Wirksamkeit. Der bizarre Reichtum seines Wesens und seiner Talente war unerschöpflich. Schon sein Äußeres muß imponierend gewesen sein. Den »guten Riesen« nannten ihn die Franzosen, »le bon géant«, und Jerome K. Jerome, der Autor des humoristischen Romans Drei Mann in einem Boot, rief aus: »Big-bodied, big-hearted, big-souled Conan Doyle!« Ein Mann also mit gewaltigem Körper, großem Herzen und großer Seele.

Für seine Grafschaft spielte er Kricket und Fußball, er machte sich einen Namen bei den britischen Amateur-Billard-Meisterschaften und zählte zu den besten Schwergewichtsboxern seiner Zeit, wie man in der einschlägigen Presse nachlesen kann. 1893 brachte er den Schweizern das Skilaufen bei, wofür ihm eigentlich heute die Hotels der berühmten Wintersportplätze ein Denkmal setzen sollten. 1914 organisierte Sir Arthur Conan Doyle das englische Freiwilligen-System, aus dem später die British Home Guard hervorging. Ein Jahr zuvor hatte er in einer Kurzgeschichte, Gefahr, die U-Boot-Taktik vorausgesehen und vor ihr gewarnt — allerdings vergebens, wie Admiral von Kappel 1916 im Reichstag feststellen konnte. Conan Doyle schrieb auch eine sechsbändige Geschichte des ersten Weltkrieges, wie er vorher eine des Burenkrieges geschrieben hatte.

Doch seine besten Fähigkeiten, sein eigentliches Genie konzentrierten sich auf die Entwicklung neuer Polizeimethoden, die Auflösung schwieriger Kriminalfälle. Es gab da einen Slater-Mordfall und eine Edalji-Affäre, die er auf dieselbe Weise und ebenso glänzend löste, wie es Sherlock Holmes getan hätte. Wieder und wieder rettete er unschuldig Verurteilte. Auf ihn geht die Verwendung von Gipsmörtel zur Sicherung von Spuren zurück, die chemische Untersuchung des Staubes auf Kleidungsstücken, durch die unter Umständen Beschäftigung und Wohnort des Trägers identifiziert werden können, schließlich die Unterscheidung verschiedener Tabakssorten auf Grund zurückgebliebener Asche. Die britische Justiz erfuhr durch ihn einschneidende Veränderungen; die Pariser »Sûreté Générale«, das indische Polizeiministerium zollten Conan Doyle ihren Dank; in der chinesischen und der ägyptischen Polizei las man seine Werke als Lehrbücher. W. J. Burns, der aus der Schule Pinkertons stammte und dann später selbst das größte Detektivunternehmen der Welt leitete, hat erklärt, Conan Doyle habe sich als der schärfste analytische Verstand des Jahrhunderts erwiesen. Und J. E. Hoover, Chef des FBI, gab gern zu, daß das »Federal Bureau of Investigation« Conan Doyles Methoden vollständig übernommen hat. - Nino Erné, Vorwort zu: Sir Arthur Conan Doyle, Sherlock Holmes' Abenteuer. Berlin 1987 (Ullstein Buch 2630)

Vielseitigkeit (2)  Herr Dambreuse hieß eigentlich Graf d'Ambreuse, hatte sich jedoch nach 1825, unter Preisgabe seines Adels und Standes, der Industrie zugewandt. Er horchte an den Türen der Kanzleien, hatte in allen Geschäften seine Hand, spähte die lohnenden Gelegenheiten aus, war schlau wie ein Grieche und arbeitete mit der Kraft eines Auvergnaten. So hatte er ein Vermögen angehäuft, das, so wurde erzählt, groß war. Dazu hatte er das Kreuz der Ehrenlegion, saß im Generalrat des Aube-Departements, war Abgeordneter und bald wohl auch Mitglied der Pairskammer. Im übrigen war er dienstbereit und belästigte den Minister durch seine ewigen Eingaben wegen Unterstützungen, Orden und Tabaktrafiken. Da er mit der Regierung schmollte, neigte er dem linken Flügel der Widerstandspartei zu. Seine Gattin, die hübsche Frau Dambreuse, wie die Modezeitschriften sie nannten, war Präsidentin von Wohltätigkeitskomitees. Sie beschwichtigte, indem sie den Herzoginnen schmeichelte, den Groll des Adels im Faubourg und ließ ihn glauben, Dambreuse könne noch bereuen und von Wert sein. - Gustave Flaubert, Lehrjahre des Gefühls. Reinbek bei Hamburg 1959 (zuerst 1869)

Vielseitigkeit (3)  Samuel Gramer, der einstmals einige romantische Narreteien mit dem Namen Manuela de Monteverde zeichnete - in der guten Zeit der Romantik - ist das widerspruchsvolle Erzeugnis eines bleichen Deutschen und einer braunen Chilenin. Fügen Sie dieser doppelten Abstammung eine französische Erziehung und eine gepflegte literarische Bildung hinzu, und Sie werden über die verwirrende Vielseitigkeit seiner Wesensart weniger erstaunt, wenn nicht von ihr befriedigt und erbaut sein. - Samuel hat eine reine und edle Stirn, Augen, glänzend wie Kaffeetropfen, eine neckische und spöttische Nase, unverschämte und sinnliche Lippen, ein viereckiges und herrisches Kinn, einen herausfordernden raphaelischen Haarwuchs. - Er setzt sich zusammen aus einem großen Faulpelz, einem verdrießlichen Streber und einem erlauchten Unglückswurm; denn er hat in seinem Leben kaum mehr als halbe Gedanken gehabt. Die Sonne der Faulheit, die beständig in ihm glänzt, bewirkt, daß diese Hälfte von Geisteskraft, die der Himmel ihm geschenkt hat, sich in Dunst verflüchtigt und verzehrt wird. Von all den halbgroßen Männern, die ich in diesem schrecklichen Pariser Leben gekannt habe, war Samuel, mehr als jeder andere, der Mann der verpfuschten schönen Werke; - eine kränkliche und phantastische Erscheinung, deren Poesie viel mehr in seiner Person als in seinen Werken glänzt. Gegen ein Uhr nachts, zwischen dem hellflackernden Schein eines Kaminfeuers und dem Tiktak einer Uhr ist er mir immer wie der Gott des Unvermögens vorgekommen, - ein moderner, hermaphroditischer Gott - eines so riesigen und ungeheuren Unvermögens, daß es geradezu epische Ausmaße annimmt.  - Charles Baudelaire, Die Tänzerin Fanfarlo. In: C. B., Die Tänzerin Fanfarlo und Der Spleen von Paris. Zürich 1977

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