ielweiberei   Von den Büchern zogen drei die Aufmerksamkeit der Besucher an, sie fanden sich auf dem Boden des Raumes, dicht am Fenster, wo Koen für gewöhnlich las. Offensichtlich blätterte er sie abwechselnd um, und diese Art des Lesens glich einer Art Vielweiberei. Auf dem Boden lag die Krakauer Ausgabe eines Buches des Dubrovniker Dichters Dr. Didak Isaija Koën (gestorben 1599), genannt Didak Pir - De illustribus familiis (1585) -, daneben das Buch von Aron Koën, Zekan Aron (Der Bart Arons), veröffentlicht in Venedig 1637, mit einer Abschrift von Arons Hymne an Isaak Jeschurun (gestorben in Dubrovniker Gefängnissen), daneben noch Das gute Öl (Schemen tov) von Schalamun Oef, dem Großvater Aron Koëns. Es war klar, daß die Bücher nach einem familiären Schlüssel ausgewählt worden waren, aber mehr ließ sich aus dieser Angabe nicht herausholen. Daraufhin öffnete Rabbi AbrahamPapo das Fenster. Es wehte gerade ein Südwind, und der Wind fuhr ins Zimmer. Der Rabbi schlug eines der Bücher auf, lauschte einen Augenblick, wie die Blätter im Durchzug raschelten, und sprach zu Ishak Nehama:

»Höre! Kommt es dir nicht vor, als ob dieses hier das Wort flüsterte: nefesch, nefesch, nefesch?

Darauf ließ der Rabbi das nächste Buch sprechen, und laut und deutlich konnte man hören, wie die Blätter, sich im Wind umschlagend, aussprachen: ruach, mach, ruach.

»Wenn das dritte Wort neschama ausspricht«, bemerkte Papo, »wissen wir, daß die Bücher Koens Seelen herbeirufen.«

Und sobald Abraham Papo das dritte Buch aufschlug, hörten beide, daß es das Wort flüsterte: neschama, neschama, neschama!

»Die Bücher streiten sich um etwas, was in diesem Zimmer ist«, folgerte Rabbi Papo. »Irgendwelche Dinge hier wollen irgendwelche anderen Dinge vernichten«.  - (pav)

Vielweiberei (2)  »Ich, Monazi, muß Klage führen«, sagte sie, »wie es an diesem Tage das Recht selbst des Geringsten unter uns ist. Als Nachfolgerin Zinitas, die Dingaan zusammen mit ihren Kindern tötete, bin ich deine Inkosikaas, deine Hauptfrau, Umslopogaas.«

»Das ist mir wohl bekannt«, sagte Umslopogaas, »und was ist damit?«

»Dieses: Daß du mich um anderer Frauen willen vernachlässigst, so wie du Zinita wegen Nada, der Schönen, vernachlässigt hast, wegen Nada, der Hexe.  Ich bin kinderlos, so wie alle deine Frauen, wegen des Fluches, den Nada auf uns herabbeschworen hat. Ich verlange, daß dieser Fluch von mir genommen wird. Deinetwegen habe ich Lousta, den Häuptling, dem ich anverlobt war, verlassen, und dies ist der Dank dafür: ich bin vernachlässigt und kinderlos.«

»Bin ich der Himmel über uns, daß ich dich fruchtbar machen kann, Frau?« fragte Umslopogaas wütend. »Ich wollte, du wärst bei Lousta geblieben, meinem Blutsbruder und Freund, dem du jetzt nachtrauerst, und hättest mich in Ruhe gelassen.«

»Das mag noch immer geschehen, wenn du mich nicht besser behandelst«, erwiderte Monazi mit einem Aufblitzen ihrer großen Augen. »Wirst du diese neue Frau fortschik-ken, die du dir genommen hast, und mir meinen Platz zurückgeben, und wirst du mich von Nadas Fluch befreien, oder wirst du das nicht tun?«

»Was das erste betrifft«, antwortete Umslopogaas, »so wisse, Monazi, daß ich nicht daran denke, meine neue Frau fortzuschicken, die zumindest weniger scharfzüngig und liebevoller ist, als du es bist. Und was das zweite betrifft, so verlangst du von mir etwas, das zu geben ich keine Macht habe, da Kinder die Gabe des Himmels über uns ist, und Unfruchtbarkeit sein Fluch. Außerdem hast du schlecht gehandelt, indem du den Namen einer, die tot ist, in diese Ge-

schichte eingebracht hast, den Namen einer, die von allen Frauen die liebevollste und unschuldigste war. Und schließlich laß mich dich vor allen Menschen warnen, deine Intrigen oder Absprachen mit Lousta sein zu lassen, damit sie dir nichts Böses bringen, oder auch ihm, obwohl er mein Blutsbruder ist, oder euch beiden.«

»Intrigen!« schrie Monazi mit einer schrillen, wütenden Stimme. »Denkt Umslopogaas an Intrigen? Nun, ich habe gehört, daß Chaka, der Löwe, einen Sohn hinterließ, und daß dieser Sohn eine Falle für den aufgestellt hat, der jetzt auf Chakas Thron sitzt. Vielleicht hat der König ebenfalls davon gehört; vielleicht wird das Volk der Axt bald einen anderen Häuptling haben.«

»Ist das so?« sagte Umslopogaas ruhig. »Und wenn, wird er Lousta heißen?«

Nun wurde die glimmende Glut zur Flamme, und er brüllte: »Was habe ich getan, daß die Frauen meines Busens meine Verräter werden, die, welche mich dem Tod ausliefern wollen? Zinita hat mich an Dingaan verraten und wurde zum Dank dafür von ihm erschlagen, und meine Kinder mit ihr. Und jetzt verrätst du, Monazi, mich an Cetywayo, obwohl es in Wahrheit nichts zu verraten gibt? Nun, wenn dem so ist, so denke gründlich darüber nach, und laß auch Lousta gründlich darüber nachdenken, was geschah, und was denen geschehen wird, die vor der Axt Umslopogaas' stehen. Was habe ich getan, frage ich, daß Frauen versuchen, mir zu schaden?«

»Dieses«, antwortete Monazi mit einem spöttischen Lachen, »daß du eine von ihnen zu sehr geliebt hast. Wer in Frieden leben will, sollte seine Frauen alle gleich behandeln. Und vor allem sollte er nicht ständig um eine jammern, die tot ist, eine Hexe, die einen Fluch herabbeschworen hat, und so die Lebenden beleidigen und benachteiligen. Also wäre er weise, sich mehr um die Angelegenheiten seines Stammes und seines Hausstands zu kümmern und ehrgeizige Pläne aufzugeben, die ihn zum Assegai bringen könnten, und sie mit ihm.« »Ich habe deinen Rat vernommen, Frau, also geh!« sagte Umslopogaas und sah sie mit einem seltsamen Blick an, der, wie mir schien, nicht frei von Furcht war.

»Hast du Frauen, Macumazahn?« fragte er dann leise, als sie außer Hörweite war.

»Nur unter den Geistern«, antwortete ich.

»Gut für dich.«  - Henry Rider Haggard, Sie und Allan. München 1985 (zuerst 1921)

Vielweiberei (3)  Ein reicher Radschput Sura war gewaltig stark, willenskräftig und klug, reich an trefflichen Eigenschaften, freigebig, lebensfroh und frei von aller Furcht; seine Frau Tschatura dagegen war dürr, hinterhältig und ungezügelt in ihrer Leidenschaft, und da sie außerdem zum Zorne neigte, so machte sie ihrem Mann durch bittere Reden das Leben schwer.

Da dachte Sura: »Was habe ich von dieser Frau? Auf eine Gemahlin von übler Sinnesart und auf hinderliches Wissen soll man verzichten.« So dachte er und hielt alle Tage gar eifrig Ausschau nach einer anderen in manchem Dorf und mancher Stadt. Nun wohnte in Awanti eine Alte, welche eine jungfräuliche Tochter besaß. Um diese warb er bei der Mutter, und die Mutter sagte sehr freundlich: »Meine Tochter Sundari soll in dein Haus übersiedeln, wenn du mir gestattest, bei ihr zu wohnen.« Was tut ein Mann nicht, den die Liebe quält? Sura war also damit einverstanden. Denn:

Am Tage sieht die Eule nicht, die Krähe nicht in der Nacht.
Der Liebesblinde aber ist ein unerhörtes Wesen;
denn er sieht weder in der Nacht noch am Tage.

Als die erste eine Ehegenossin erhalten hatte, keifte sie, daß es den andern übel in die Ohren klang. Sura sah, daß der Zank nicht aufhörte; deshalb trennte er seine Frauen voneinander und brachte sie in verschiedenen Gebäuden unter. Aber da lief Tschatura in Sundaris Haus und beschimpfte sie. Beide waren rasend vor Leidenschaft und im Herzen voller Eifersucht gegeneinander, und von dieser Leidenschaft besessen fochten sie miteinander, Zahn gegen Zahn, Fuß gegen Fuß, Faust gegen Faust, Arm gegen Arm, Kopf gegen Kopf und Kralle gegen Kralle. Liebesglück und Streit bringt ja nur die Eifersucht, die alle Frauen beständig in ihrem Herzen hegen. Denn:

Von Ehegenossinnen ist der Zank so unzertrennlich wie vom Monde die Kühle, von der Sonne die Hitze, vom Wasser das Abwärtsgleiten, von der Blume der Duft und vom Sesam das Öl.
Der Besitz zweier Frauen bringt Unheil; denn sie lassen sich nicht halten durch die Furcht vor ihrem Manne, streiten miteinander je länger, je schlimmer, und ihre Stimmen schallen durchs halbe Dorf.
Der Mann, der von zwei Frauen beherrscht wird, muß hungrig das Haus verlassen,wenn er ausgeht, erhält nicht einmal das Wasser reichlich und muß sich mit ungewaschenen Füßen schlafen legen.

- Indische Märchen. Hg. und Übs. Johannes Hertel. München 1953 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

Vielweiberei (4)

 

Weib

 

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