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)
Staat (2) Der Staat ist:
— als die Wirklichkeit
des substantiellen Willens, die er in dem zu seiner Allgemeinheit erhobenen
besonderen Selbstbewußtsein hat, das an und für sich Vernünftige.
Diese substantielle Einheit ist absoluter unbewegter Selbstzweck, in welchem
die Freiheit zu ihrem höchsten Recht kommt, so wie dieser Endzweck das höchste
Recht gegen die Einzelnen hat, deren höchste Pflicht es ist, Mitglieder des
Staats zu sein —
— die Wirklichkeit der sittlichen Idee
— der sittliche Geist, als der offenbarte, sich selbst deutliche, substantielle
Wille, der sich denkt und weiß und das, was er weiß und insofern er es weiß,
vollführt. - G. W. F. Hegel
Staat (3) Der Staat ist ein riesengroßes, furchtbares
und schwaches Wesen. Ein Zyklop von berüchtigter Kraft und Ungeschicklichkeit,
das mißgestaltete Kind der Gewalt und des Rechts, die es aus ihren Widersprüchen
gezeugt haben. Er lebt nur dank den unzähligen Männlein, die linkisch seine
trägen Hände und Füße bewegen, und sein großes Glasauge sieht nur Pfennige und
Milliarden. Der Staat ist jedermanns Freund und jedes Einzelnen Feind. - (
pval
)
Staat (4) Vom
Staate hielt Schopenhauer bekanntlich,
daß seine einzigen Zwecke seien, Schutz nach außen, Schutz nach
innen und Schutz gegen die Beschützer zu geben, und daß, wenn man ihm noch andre
Zwecke, außer dem des Schutzes, andichte, dies leicht den wahren Zweck in Gefahr
setzen könne —: deshalb vermachte er, zum Schrecken aller sogenannten Liberalen,
sein Vermögen den Hinterlassenen jener preußischen Soldaten, welche 1848 im
Kampf für die Ordnung gefallen waren. Wahrscheinlich wird es von jetzt ab immer
mehr das Zeichen geistiger Überlegenheit sein, wenn jemand den Staat und seine
Pflichten einfach zu nehmen versteht; denn der, welcher den furor philosophicus
im Leibe hat, wird schon gar keine Zeit mehr für den furor politicus haben und
sich weislich hüten, jeden Tag Zeitungen zu lesen oder gar einer Partei zu dienen:
ob er schon keinen Augenblick anstehen wird, bei einer wirklichen Not seines
Vaterlandes auf seinem Platze zu sein. Alle Staaten sind schlecht eingerichtet,
bei denen noch andere als die Staatsmänner sich um Politik bekümmern müssen,
und sie verdienen es, an diesen vielen Politikern zugrunde zu gehen.
- Friedrich Nietzsche, Schopenhauer als Erzieher (1874)
Staat (5) Die
Hirtenmoral im alten Irland:
Seit ick meinen Speer in die Hand genommen habe,
ist kein einziger Tag vergangen, ohne daß ich einen Connaught-Mann getötet hätte.
Conall
Gemach, Viehhirte in Ulster
Jeder Nomadenstamm ist eine Militärmaschine im Embryonalzustand, die, wenn sie nicht gegen andere Nomaden kämpft, dem Impuls folgt, die Stadt zu überfallen oder zu bedrohen.
Deshalb haben Siedler seit Anbeginn der Geschichte Nomaden als Söldner angeworben: sei es, um eine Bedrohung durch Nomaden abzuwehren — wie die Kosaken, die für die Zaren gegen die Tataren kämpften —, oder, wenn keine Nomaden da waren, um gegen andere Staaten zu kämpfen.
Im alten Mesopotamien verwandelten sich diese »Söldner« zuerst in eine Kaste militärischer Aristokraten, dann in Lenker des Staates. Daraus kann man folgern, daß der Staat als solcher aus einer gewissen »chemischen« Verbindung zwischen Hirte und Pflanzer hervorging, sobald man einmal erkannt hatte, daß die Methode des Einzäunens von Tieren auf eine träge Masse von Bauern angewandt werden konnte.
Von ihrer Rolle als »Herren der befruchtenden Wasser« abgesehen, bezeichneten
sich die ersten Diktatoren selbst als »Hirten des Volkes«. Tatsächlich sind
die Wörter für »Sklave« und »Haustier« auf der ganzen Welt die gleichen. Die
Massen müssen eingepfercht, gemolken, angebunden werden (um sie vor den menschlichen
»Wölfen« draußen zu retten) - und, wenn es nötig wird, zum Abschlachten aufgereiht
werden. Die Stadt ist daher ein Schafgehege, das auf
den Garten draufgesetzt wird. - (
chatw
)