Es wurde deutlich, weshalb sich die Anatomen bisher so sehr geirrt hatten. Die Aufnahmen zeigen einen Abschnitt des Penis, der zuvor übersehen wurde:
die Wurzel. Sie macht immerhin ein Drittel des kompletten erigierten Gliedes aus. Dessen durchschnittliche Länge geben die Voyeure der Wissenschaft mit 22 Zentimetern an, was sie für eine "enorme Größe" halten.
"Leonardo und Dickinson unterschätzten eindeutig die Größe der Peniswurzel", urteilen die Forscher. Und deshalb konnten die frühen Gelehrten nicht ahnen, dass das kopulierende Glied genau zwischen Spitze und Wurzel jäh abknickt und von der Mitte aufwärts beinahe parallel zur Wirbelsäule der Frau verläuft.
(Zeichnung von Leonardo)
- Der
Spiegel
1/2000
Wurzel (2) Durchweg ist bei den Tieren jenes Gebiet,
das bei der Pflanze unterirdisch ist, ebenfalls
gänzlich dem Licht abgewandt, also innerlich. Die Wurzeln des Tieres sind
vom Mund bis zum Darmende invers.
Die Wurzelverzweigungen und Wurzelhaare ragen als sogenannte Zotten usw.
in den Darm hinein. Die Laubentfaltung geschieht bei der Pflanze nach außen
hin, bei Tier und Mensch überwiegend nach innen. Wir bezeichnen sie dann
als Lungen. - Ernst Fuhrmann, Was die Erde will. Eine Biosophie.
München 1986 (Matthes & Seitz, debatte 9, zuerst 1930)
Wurzel (3)
Ganz ein anderes Kräutlein ist es und nützet ganz anders: die
Wurzel, "Dich verehr ich, du Hälmchen, du Bild des erhabenen Gottes, |
Wurzel (4) Wenn die Wurzeln der Bäume sprechen wollen, wenn sich unter dem Rasen viel Vergangenheiten, alte Romane, urtümliche Geschichten anhäufen, wenn sich unter den Wurzeln allzuviel atemloses Flüstern, unartikuliertes Gewebe und dunkler Stimmeinsatz sammelt, der vor jedem Wort liegt, dann schwärzt sich die Rinde der Bäume und zerfällt rissig in grobe Schuppen und tiefe Schrunden und öffnet sich der Stamm mit dunklen Poren wie ein Bärenpelz. Wenn man sich mit dem Gesicht in diesem flaumigen Pelz der Dämmerung vergräbt, dann wird es nach einer Weile ganz finster, dumpf und stickig wie unter einem Deckel. Dann muß man die Augen wie Blutegel in die schwärzeste Finsternis bohren, ihnen sanfte Gewalt antun, sie fest zudrücken, durch die dumpfe Tiefe hindurchdrängen und hindurchstopfen — und dadurch sind wir plötzlich am Ziel, auf der anderen Seite der Dinge, in der Tiefe, in der Unterwelt. Und wir sehen ...
Es ist hier nicht ganz finster, wie man annehmen sollte. Im Gegenteil, das ganze Innere pulst vor Licht. Es ist offenkundig das innere Licht der Wurzeln, die blasse Phosphoreszenz, das winzige Aderngewebe der Helle, mit welchen die Finsternis, das wandernde, leuchtende Flimmern der Substanz marmoriert ist. Es ist doch dasselbe, wenn wir schlafen, abgeschnitten vom Licht, weit verirrt in tiefste Introversion, in die Rückwanderung zu uns selber — auch dann sehen wir; wir sehen deutlich unter den geschlossenen Lidern, wie sich durch innere Kienspäne die Gedanken in uns entzünden und phantasierend an langen Lunten weiterglimmen und von Knoten zu Knoten neu entbrennen. So vollzieht sich in uns ein Rückschritt auf der ganzen Linie, ein Rückzug in die Tiefe, eine Rückkehr in uns selber. So verzweigen wir uns in der Tiefe durch Anamnese, indem wir vor den unterirdischen Schaudern erschrecken, die uns durchzucken, und träumen subkutan auf der ganzen flirrenden Oberfläche. Denn nur oben, im Licht — es muß einmal gesagt werden — sind wir ein zitterndes, artikuliertes Melodienbündel, ein leuchtender Gipfel Lerchengesang, in der Tiefe verfallen wir sogleich wieder in schwarzes Brummen, in Lärm, in das Gelalle endloser Geschichten.
Jetzt erst sehen wir, worauf der Frühling wächst, weshalb er so unaussprechlich
traurig und schwer an Wissen ist. -
Bruno Schulz, Der Frühling. In: B. S., Die Zimtläden und alle anderen Erzählungen.
München 1966
Wurzel (5) Mit dem Ursprung alles Theismus genau verwandt und eben so aus der Natur des Menschen hervorgehend ist der Drang seinen Göttern Opfer zu bringen, um ihre Gunst zu erkaufen, oder, wenn sie solche schon bewiesen haben, die Fortdauer derselben zu sichern, oder um Uebel ihnen abzukaufen. Dies ist der Sinn jedes Opfers und eben dadurch der Ursprung und die Stütze des Daseyns aller Götter; so daß man mit Wahrheit sagen kann, die Götter lebten vom Opfer. Denn eben weil der Drang, den Beistand übernatürlicher Wesen anzurufen und zu erkaufen, wiewohl ein Kind der Noth und der intellektuellen Beschränktheit, dem Menschen natürlich und seine Befriedigung ein Bedürfniß ist, schafft er sieb Götter. Daher die Allgemeinheit des Opfers, in allen Zeitaltern und bei den allerverschiedensten Völkern, und die Identität der Sache, beim größten Unterschiede der Verhältnisse und Bildungsstufe.
So z. B. erzählt Herodot, daß ein Schiff aus Samos, durch den überaus
vortheilhaften Verkauf seiner Ladung in Tar-tessos einen unerhört großen Gewinn
gehabt habe, worauf diese Samier den zehnten Theil desselben, der sechs Talente
betrug, auf eine große eherne und sehr kunstvoll gearbeitete Vase verwandt und
solche der Here in ihrem Tempel geschenkt haben. Und als Gegenstück zu diesen
Griechen sehn wir, in unsern Tagen, den armsäligen, zur Zwerggestalt eingeschrumpften,
nomadisirenden Rennthierlappen sein erübrigtes Geld an verschiedenen heimlichen
Stellen der Felsen und Schluchten verstecken, die er Keinem bekannt macht, als
nur in der Todesstunde seinem Erben, - bis auf eine, die er auch diesem verschweigt,
weil er das dort Hingelegte dem genio loci, dem Schutzgott seines Reviers,
zum Opfer gebracht hat. - So wurzelt der Götterglaube
im Egoismus. - Schopenhauer, Noch
einige Erläuterungen zur Kantischen Philosophie. Nach (
schop
)
Wurzel (6) Obwohl es nun ziemlich eng in der Wohnung wird, versteht es die Schwiegermutter, mit ihrer Herzensgüte zwischen allen Beteiligten, also dem Katzenschänder, seiner Schwester, deren Mann und Freund und Tochter, zu vermitteln.
Als der Katzenschänder an jenem Abend nach Hause kommt, schmeißt er die zufällig gefundene Tüte mit der Wurzel einfach nachlässig irgendwo in die Küche zwischen den Kasten mit Cola und den mit Bier.
Dann passiert zwei Tage lang nichts Ungewöhnliches. Schließlich entdeckt die Schwiegermutter die Wurzel zufällig beim Saubermachen. Sie denkt, daß der Freund ihrer Schwiegertochter sie dorthin gelegt hat, denn sie lebt in dem Glauben, daß sich Menschen, die auf ihren Körper achten, auch gesund ernähren, das heißt mit Gemüse und eben solchen Wurzeln. Sie kommt auf die Idee, quasi als Versöhnungsessen, denn ihrem Sohn geht es inzwischen auch schon wieder besser, diese Wurzel zusammen mit gegrilltem Hähnchen und Kartoffeln zuzubereiten. Sie teilt allen mit, daß es am Abend etwas ganz Besonderes gäbe. Und so sind auch alle pünktlich um acht Uhr da. Der Katzen Schänder, seine Schwester, deren Schwiegermutter, Mann, Freund und Tochter.
Das Essen ist lecker. Alle greifen zu. Nur die Tochter will kein Gemüse, obwohl sie dazu gedrängt wird. Der Katzenschänder mag Grünzeug ohnehin nicht. Er will nicht mal Kartoffeln. Nur Huhn.
Die Wurzel verursacht keine Koliken oder irgendwelche anderen Beschwerden.
Am nächsten Morgen sind Schwester, Mann, Freund und Schwiegermutter einfach
nur tot. - (blue)
Wurzel (7) Die Wurzeln kamen hoch, und ein gekrümmter
Wurm, gestört vom tastenden Wühlen der Finger, wand sich blind in der Sonne.
Auf einmal füllte das Tal all seine Mulden mit dem Wind, mit der Stimme der
Wurzeln, mit dem Atem der unteren Himmelsschichten. Nicht nur eine Alraune
schreit; alle ausgerissenen Wurzeln haben ihre Wehrufe; jedes Unkraut,
das Mr. Owen aus dem Boden zog, schrie wie ein Baby. Im Dorf hinter dem Hügel
brauste jetzt sicher der Wind und führte die Kleider auf den Leinen in den Gärten
zu seltsamen Tänzen. Und Frauen, in deren Leibern es sich formte, würden jetzt,
über ihre dampfigen Zuber gebeugt, ein neues Pochen fühlen. Das Leben würde
weitergehen, in den Adern, in den Knochen und im Fleisch, das sie miteinander
verbindet; das alles hatte seine eigenen Zeiten und sein wechselndes Wetter,
geradeso wie das Tal, das das Haus rings mit dem Fleisch des grünen Grases umschloß.
- (echo)