Darüber hinaus gibt es in psychiatrischen Kliniken eine Sammlung überlieferter
Geschichten, deren Inhalt die Gültigkeit der vom
Stab vertretenen Perspektive belegt. Diese Stories berichten von Patienten,
die zu früh Privilegien erhielten oder gegen den Rat der Ärzte entlassen wurden
und daraufhin einen Mord oder Selbstmord begingen. Die Wärter erzählen sich
Witze, welche den animalischen Charakter der Patienten illustrieren. Mitglieder
des Personals, die an diagnostischen Konferenzen teilnehmen, wissen humorvolle
Anekdoten über die Patienten zu berichten - z. B. über einen Insassen, der hochtrabend
seine Gesundheit beteuerte, aber schließlich eingestand, ein FBI-Agent zu sein.
Es gibt Geschichten über Patienten, die darum baten, auf der geschlossenen Station
verbleiben zu dürfen oder Übertretungen mit dem offenkundigen Zweck begingen,
ihre Entlassung zu verhindern. Andere Erzählungen berichten von »vorklinischen
Patienten«, die zunehmend ausgeprägte und gefährliche psychotische Symptome
zeigten, bis ihre Mitmenschen schließlich von ihrer Krankheit überzeugt waren
und ihre Hospitalisierung veranlaßten, woraufhin diese Patienten ihre Symptome
verloren, nachdem es ihnen gelungen war, ihre Hilfsbedürftigkeit mitzuteilen.
Und schließlich gibt es die herzerwärmenden Erzählungen über unleidliche Patienten,
denen es schließlich gelang, eine gute Beziehung zu einem Arzt herzustellen,
und die daraufhin eine dramatische Besserung erfuhren. - Irving
Goffman, Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer
Insassen. Frankfurt am Main 1973 (es 678, zuerst 1961)
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