- Bruce Chatwin, Was mache ich hier. Frankfurt am
Main 1993 (Fischer - Tb. 10362, zuerst 1989)
Verwandtschaft (2) Diese Sphinx
stammte aus der thebanischen Linie eines ägyptischen Clans. Daran war nicht
zu zweifeln, denn sie besaß den Kopf einer Frau und den Leib einer Löwin. Ansonsten
war man sich nicht im klaren über ihre Verwandtschaft. Es wurde behauptet, ihr
Erzeuger sei ein Hund gewesen. Das war insofern einleuchtend, als ihr Bruder
Kerberos eine Stelle als Höllenhund gefunden hatte;
mit seinen Schlangenschwänzen wedelte er jedem freundlich entgegen, der sich
dem Tor der Unterwelt näherte; aber wer einmal durch war, den ließ er nicht
mehr hinaus. Feuer spie auch die Schwester, die Chimäre,
die vorn einer Löwin glich, in der Mitte einer Ziege und hinten einem Drachen.
Unter ihrem Brüllen und Meckern hatte die Sphinx in ihrer Kindheit gelitten.
Da sie das Gesicht eines Menschen besaß, hielt sie nach Menschen Ausschau, aber
wegen ihres Löwenleibes schämte sie sich vor ihnen, zudem waren ihr in der Pubertät
noch zwei Flügel gewachsen. Sie hatte sich in verlassene Höhlen geflüchtet,
aber mit der Zeit die Einsamkeit der Bergwelt nicht mehr ertragen und sich eines
Tages auf einem Felsen vor Theben postiert. Und sie gab denen, die an ihr vorbei
in die Stadt wollten, ein Rätsel auf, zerriß die,
die es nicht lösten, einige verschlang sie ganz und manche nur teilweise und
warf, was von ihnen übrigblieb, über den Felsen in den Abgrund. Über diesem
lag ein Verwesungsgeruch,
der je nach Wind schwer auf der Stadt lastete. - Hugo Loetscher,
Die Papiere des Immunen. Zürich 1986
Verwandtschaft (3)
Es brechen so viele tierische Leidenschaften in dem Menschen
aus,
daß man an unsrer Verwandtschaft nicht zweifeln kann.
- (
grand
)
Verwandtschaft (4)
Verwandtschaft (5) Jedoch, es überhebe sich Keiner. Wie
Jeder, auch das größte Genie, in irgend einer Sphäre der Erkenntniß entschieden
bornirt ist und dadurch seine Stammverwandtschaft
mit dem wesentlich verkehrten und absurden Menschengeschlechte beurkundet; so
trägt auch Jeder moralisch etwas durchaus Schlechtes
in sich, und selbst der beste, ja edelste Charakter wird uns bisweilen durch
einzelne Züge von Schlechtigkeit überraschen; gleichsam um seine Verwandtschaft
mit dem Menschengeschlechte, unter welchem jeder Grad von Nichtswürdigkeit,
ja Grausamkeit, vorkommt, anzuerkennen. Denn gerade kraft dieses Schlechten
in ihm, dieses bösen Princips, hat er ein Mensch werden müssen. Und aus dem
selben Grunde ist überhaupt die Welt Das, als was mein treuer Spiegel derselben
sie gezeigt hat. - (schop)
Verwandtschaft (6) Die Agathyrsen lieben sehr das
Üppige und gehen für ihr Leben gern in goldenem Schmuck. Den Verkehr mit den
Frauen vollziehen sie als gemeinsame Angelegenheit, damit einer des andern Bruder
ist und alle miteinander verwandt und sie keinen Neid
noch Feindschaft kennen gegeneinander. -
(hero)
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