Er war damals achtundzwanzig Jahre alt, und obwohl noch nicht ganz der große Herr, nahm er in dem Dirnen-und Zuhältermilieu doch schon eine so bedeutende Stellung ein, daß er sich nicht mehr in den Kneipen am alten Hafen mit den anderen zu schlagen brauchte.
Obwohl er in eine ziemlich trübe Affäre verwickelt war, ist er nicht verurteilt worden. Es handelte sich dabei um ein erst siebzehnjähriges Mädchen, das er mit falschen Papieren ins »Paradies« in Beziers eingeschmuggelt hatte.
Dann folgte wieder eine Zeitlang nichts. Man wußte nur, daß er mit fünf oder sechs Mädchen auf einem italienischen Schiff nach Panama gefahren - und dort sozusagen »jemand« geworden war.
Mit vierzig Jahren war er wieder nach Paris zurückgekehrt, wo er mit
Rosalie Dumont, genannt Rosa, zusammenlebte und sich wieder auf dem absteigenden
Ast befand. Er betrieb einen Massagesalon in der Rue des Martyrs, ging
oft zu Rennen und Boxkämpfen und nahm Wetten an. - Georges Simenon, Maigret und die Tänzerin
Arlette. München 1972 (Heyne Simenon-Kriminalromane 4, zuerst 1950)
Karriere (2)
Karriere (3) Gyges war ein Hirte im Dienst des damaligen
Königs von Lydien. Als einmal ein starker Wolkenbruch niederging und ein Erdbeben
dazu kam, öffnete sich nahe dem Platz, wo er weidete, der Boden in einem klaffenden
Spalt. Gyges bemerkte das voll Staunen, stieg hinunter und sah außer anderen
Wunderdingen, von denen man fabelt, auch ein ehernes Pferd. Es war hohl und
hatte kleine Öffnungen, durch die er den Kopf stecken konnte, um das, was drinnen
war, zu sehen. Und er erblickte einen Leichnam von ungewöhnlicher Größe, der
sonst nichts an sich hatte als an der Hand einen goldenen Ring. Den nahm Gyges
an sich und ging weg. Als nun die monatliche Versammlung der Hirten stattfand,
auf der diese für den König den üblichen Bericht über den Stand der Herden abgaben,
kam auch Gyges und hatte den Ring am Finger.Und während er unter den anderen
saß, traf es sich, daß er am Ring drehte, so daß die Platte nach innen kam.
Kaum war das geschehen, wurde er für die, die bei ihm saßen, unsichtbar, und
sie redeten über ihn, als wäre er weggegangen. Er wunderte sich, tastete nach
dem Ring und drehte die Platte wieder nach außen. Gleich war er wieder sichtbar!
Als er das festgestellt hatte, probierte er weiter, ob der Ring tatsächlich
solche Kraft habe, und immer ging es so, daß er beim Einwärtsdrehen
der Platte unsichtbar, beim Auswärtsdrehen aber sichtbar
wurde. Nachdem er darüber Bescheid wußte, schaffte er es, einer von den Boten
beim König zu werden. Dann ging er hin, verführte die Königin,
überfiel zusammen mit ihr den König und tötete ihn
und gewann so selbst die Herrschaft. -
Platon
, Der Staat.
Nach (
gsv
)
Karriere (4) Mouche zum Beispiel, schmalhüftige
Blondine, mit 'nem Rocker liiert. Hat Nacktfotos gemacht, dann in Sexfilmen
mitgespielt. Die Scheinchen hat sie bei ihrem Macker abgeliefert, hat die ganze
Bande ausgehalten. Die Clique hat sogar in einem Kurzfilm von Eddy mitgespielt,
Marke: Rocker, Ketten, Hakenkreuze. Als sie geschnappt wurden, nahmen ihnen
die Bullen alle ihre Abzeichen weg, ganz zu schweigen von der Tracht Prügel.
Danach mußten sie sich etliche Wochen auf Flohmärkten rumtreiben, bis sie ihre
Naziorden wieder auf getrieben hatten. Es waren Sammlerstücke. Bei jeder Razzia
waren sie wieder weg. Sie ließen sich nicht entmutigen. Zum Schluß haben sie
etwas zu dicke Dinger gedreht, aber immer noch kleine Fische im Vergleich zu
dem, was man in den Zeitungen liest. Den Macker von Mouche haben dann die Bullen
aus dem Verkehr gezogen, am Rand des Bois de Meudon. Er hatte sich dort
versteckt, wollte sich davonmachen, sie haben ihm das Gehirn weggepustet. Ein
Todesfall, der nirgends Schlagzeilen machte, nicht mal in ›Detective‹. Mouche
arbeitet heute als Sekretärin, zurück in der beknackten Tretmühle, und wird
arm sterben. Schade, denn wir mochten sie. - Jean-Patrick
Manchette, Rette deine Haut, Killer. Bergisch Gladbach 1990 (zuerst 1971)
Karriere (5) Die Haut wurde ein internationaler Bestseller — nicht so bei den Neapolitanern und Capresern, die sich von einem Kollaborateur verleumdet fühlten und Malaparte das Leben auf der Insel schwermachten. Er trat in die Kommunistische Partei ein, verlor seine Illusionen und beschloß, nach Frankreich zu emigrieren.
Dort erging es ihm nicht besser. Er verabscheute das intellektuelle Klima von Paris, wo Camus und Sartre den Ton angaben. Er schrieb ein Drama über Proust, ein anderes über Karl Marx in London — beide wurden ausgebuht. Er ging nach Italien zurück und machte einen erfolgreichen Film. Manche erinnern sich, daß er in Rom literarischen Veranstaltungen beiwohnte, in einer gutgeschnittenen braunen Tweedjacke, ein stilles, knabenhaftes Mädchen am Arm. Er begann dick zu werden und plante eine Fahrradtour von New York nach Los Angeles. Schließlich reiste er 1956 in die Sowjetunion und nach China, wo er nüchterne Reportagen schrieb, die vermuten lassen, daß er, nicht unbedingt Mittelpunkt aller Dinge, eine andere Art von Schriftsteller hätte werden können.
Am Sonntag, den 11. November, erkrankte er in Peking an Fieber. Der ihn behandelnde
Arzt sagte: »Sie haben sich eine hübsche kleine chinesische Mikrobe zugezogen,
die Ihnen ein hübsches kleines chinesisches Fieber gegeben hat. Nichts Ernstes.«
Es war unheilbarer Lungenkrebs. Auf seinem Sterbebett trat Malaparte zum Katholizismus
über und erhielt die Letzte Ölung. - Bruce Chatwin, Der Traum des Ruhelosen. Frankfurt
am Main 1998 (Fischer-Tb. 13729, zuerst 1996)
Karriere (6) Henri Grien war der Sohn eines cholerischen und schlampigen Schweizer Bauern aus Grasset am Neuchâtel-See. Mit sechzehn Jahren lief er vor dem Mistwagen seiner Vorfahren davon, direkt in die Arme der alternden Schauspielerin Fanny Kemble, die ihn als ihren Lakaien einstellte und ihn sieben Jahre lang in die Welt der Rampenlichter und der Schminke schleppte. Seine schauspielerische Begabung blieb unentdeckt, und im Jahre 1870 ereilte ihn das andere Schicksal so vieler gescheiterter Theaterexistenzen - das Dienstbotendasein. Er wurde Butler bei Sir William Cleaver Robinson, der zum Gouverneur Westaustraliens ernannt worden war. Die künstlerischen Neigungen des Gouverneurs galten der Musik und der Poesie, und zu seinen Freunden gehörte der französische Gelehrte Louis de Rougemont, der als Autor eines Traktats über Jungfräulichkeit in Erscheinung getreten war.
Henri verließ den Gouverneur und nahm nunmehr die Karriere des Abenteurers auf. Er arbeitete als Koch auf einem Perlenfischerschoner und erlitt Schiffbruch. Er spülte Geschirr in einem Hotel, und er war Straßenfotografin einer Goldgräberstadt. 1882 heiratete er eine schöne junge Frau, die ihm vier Kinder schenkte. Er wurde Landschaftsmaler, wobei er nach Fotografien arbeitete, verkaufte gefälschte Bergwerksaktien und war Kellner in einem Restaurant in Sydney. Einer der Stammgäste war ein Mann, der die Gegend um den Golf von Cambridge erforschte. Henri lieh sich seine Tagebücher aus und schrieb sie ab.
Er war aus Australien verschwunden, um der Polizei und den Unterhaltszahlungen
an seine Frau zu entgehen. In Wellington, Neuseeland, schloß er sich einigen
Spiritisten an, die in ihm ein hervorragendes Medium gefunden zu haben glaubten.
Er erzählte einem Journalisten seine Lebensgeschichte, und dieser war überzeugt,
daß sie als Roman einen Bestseller abgeben würde, aber davon wollte Henri nichts
wissen — mittlerweile waren Traum und Wirklichkeit für ihn eins geworden. - (
pat
)
Karriere (7) Tätlicher Angriff, mit einem Messer,
Philadelphia, Mai '82. Anklage abgewiesen. Tötungsdelikt, November '82, Ricky
ersticht Funktionär der Barmixer-Vereinigung, nach einem Streit in Cous' Little
Italy in Philadelphia. Angeklagt wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge,
hat dafür achtzehn Monate in Trenton abgesessen. Mißachtung des Gerichts, verweigert
Aussage vor einer Kommission des Staates New Jersey zur Untersuchung des illegalen
Geldverleihs, insgesamt sechzig Tage Ordnungsstrafe. In den letzten zwei Jahren
vier-, fünf-, sechsmal in Zusammenhang mit Mordfällen verhört. Ein Zeuge beobachtet,
wie er einem Mann dreimal in den Hinterkopf schießt, ihm sein Ding
abschneidet und in den Mund stopft. Dieser Zeuge aus dem Milieu ist bereit,
auszusagen. Er verschwindet, wird ein paar Monate später mit einer Kugel im
Hinterkopf und seinem Ding im Mund gefunden. Hier ist noch etwas. Angeklagt
wegen illegalen Geldverleihs und Wucher, sein Zinssatz lag bei einhundertfünfundsiebzig
Prozent. Dann haben sie noch mal versucht, ihn wegen einer Wucher-Sache festzunageln.
Ricky schlug auf säumigen Zahler mit einem Beil ein und verletzte ihn am Rückgrat.
Der Mann ist querschnirtgelähmt, wird nie wieder laufen können, weigert sich
aber, gegen Ricky auszusagen, aus Angst um sein beschissenes Leben. -
Elmore Leonard, Glitz. München 1988
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