Hans-Jürg Braun, Das Jenseits - Die
Vorstellungen der Menschheit über das Leben nach dem Tod. Frankfurt
am Main 2000 (it 2616, zuerst 1996)
Furchtlosigkeit (2) »Ach!« sagte Mira und verfiel
wieder in seine reglose Haltung, »wie ich älter wurde,
verlor ich die Gabe der Furcht.
Wenn du erst weißt, wie die Dinge wirklich sind, kannst du keine Geschichte
mehr aus ihnen machen. Wenn du dich lang genug mit Geistern besprochen und mit
Teufeln verschworen hast, kommt schließlich der Tag, wo dir dein Gläubiger furchtbarerer
erscheint als sie, und wen man zum Hahnrei macht, dem
machen die Hörner keine Kopfschmerzen mehr. Mir ist das Leben zu vertraut geworden;
mich führt es nicht mehr hinters Licht, daß ich mir einbilde, ein Ding sei schlimmer
als das andere. Tag und Nacht, Freund und Feind - es ist eins so gut wie das
andre. Und wie soll man andere Menschen gruseln machen,
wenn man selber vergessen hat, was Furcht ist? Eine Zeitlang habe ich eine wirklich
schauderliche Geschichte gewußt, eine wunderbare Geschichte voller Grauen, und
alle Leute haben sie gern gehört: von einem Jüngling, dem man schließlich Nase
und Ohren abschnitt. Aber jetzt könnte ich niemanden mehr damit gruseln machen,
denn ich weiß nun, daß es nicht soviel Unterschied macht, ob einer Nase
und Ohren hat oder nicht.« - (
blix
)
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