unkel
Dienstag, 12. Januar 1909 Plötzlich Dunkel,
daß in den Ecken meines Zimmers nichts mehr zu sehen ist. Spiegel
verhüllt, das Spind wird schwarz. Regen
— und Schneeschauer. Die Mauern des Hofes sind von einem schwärzlichen
Grau. Zu ihrem Schachte aber ein Zerren und Hopsen. Weißliche
Dämpfe, Schleierlaken. Der Ofen stöhnt dazu. Er scheint den Tanz
anzublasen. Irgendwoher fällt ein Blatt herein. Wohl keine Minute
später riesige Flocken. Man denkt sich mitschwebend.
Je nachdem man die Augen stellt, Tanzen
schräg nach rechts oder schräg nach links. Pause. Die zweite
Wolke schneit. Welchen weißen Traum hat
sie lautlos auszuschütten? - Sie tuts und geht dann größeren
Gesetzen nach. - Oskar Loerke, Tagebücher 1903 - 1939.
Frankfurt am Main 1986 (st 1242)
Dunkel (2) Crane nahm den schwachen Widerschein der Taschenlampe wahr. Wieder war das Licht auf seine Schuhe gerichtet. Nach dem kleinsten Bruchteil einer Sekunde wurde es gelöscht. Es gab das hastige Geräusch von Stoff, der bewegt wird, die Person grunzte; der Tisch erzitterte unter einem gewaltigen Hieb. Crane langte unter dem Tisch hervor, packte die Beine der Person mit beiden Armen, gab ihnen einen Stoß. Der Schwung brachte ihn fast vollständig unter dem Tisch hervor, und die Person fiel schwer auf ihn. Die Taschenlampe zerbrach auf dem Boden. Er schwang seinen Körper herum, so daß er auf die Person rollte. Seine tastenden Hände spürten langes Haar, dicke klebrige Flüssigkeit lief ihm über die Wange, den Hals. In dem Haar war ein starker Parfümgeruch. Er klammerte die Knie um den sich windenden Körper unter ihm, zog ruckartig an dern Haar. Es bewegte sich mit in die Richtung, in die er zog; etwas Schweres hing lose an seinem Ende. Gleichzeitig fanden zwei Hände seinen Hals.
Das, was passierte, war so absurd, so schrecklich wie ein Alptraum. Er schrie: »HILFE! HILFE! HILFE!« Er versuchte, sich aus der Umklammerung der Finger zu befreien, aber das lange Haar hatte sich um seine Hände gewickelt, und das an dem Haar hängende Etwas schlug dumpf gegen seine Brust. Er versuchte, erneut zu schreien, doch die Hände hatten den Druck an seiner Kehle verstärkt. Der Parfümgeruch hing schwer in seiner Nase. Rote und goldene und gelbe Lichtpunkte tanzten ihm vor den Augen, eine Ader hämmerte in seinem Kopf, sein Atem kam in gequälten Stößen. Er warf seinen Körper hin und her, versuchte so, den Griff zu sprengen.
Plötzlich überflutete Licht den Raum. Jemand rief: »Halt aus, Bill!« Eine Sekunde später gab es einen dumpfen Schlag, und die Hände glitten von seinem Hals. Seine Lungen füllten sich dankbar mit Luft. Allmählich konnte er wieder sehen.
Noch immer hingen Cranes Hände an den Haaren fest. Er sah auf sie hinunter
und schrie beinah noch einmal. Die Haare waren weich und blond, und an ihrem
anderen Ende baumelte der Kopf von Miss Ross, am Hals säuberlich abgetrennt.
An ihm tropfte eine klebrige, bräunliche, blutähnliche Flüssigkeit herab, besudelte
seine Hose und das Vorderteil seines Jacketts. Einbalsamierungsflüssigkeit!
- Jonathan Latimer, Leiche auf Abwegen. Zürich 1988 (detebe 21592, zuerst
1936)
Dunkel (3) Ich machte das Licht bei mir
aus, ließ meine Tür offen, und da saß ich nun im Dunkeln,
blickte auf die Tür des Mädchens und verfluchte die Welt. Ich mußte an die Geschichte
von dem Blinden denken, der in einem dunklen Zimmer einen schwarzen Hut sucht,
der gar nicht da ist, und ich wußte, wie ihm zumute war. - Dashiell Hammett, Der
Fluch des Hauses Dain. Zürich 1976 (detebe 20293, zuerst 1929)
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