Nichtsdestoweniger wäre, wenn irgendein fehlgeleiteter Skeptiker in seinem
Übereifer, einen Treffer zu landen, in die besagte Richtung einen Faustschlag
führen und mitten zwischen diese beiden rosa Wolken zielen würde, das Ergebnis
ebenso unangenehm, als wenn ich die solideste und für Boxschläge geeignetste
aller Nasen mein eigen nennte. Und außerdem, was ist mit diesen vielfältigen,
subtilen Spannungen, Regungen, Druckempfindungen, Kitzel- und Juckreizen, Schmerzgefühlen
und Pochsensationen, die in dieser zentralen Region niemals ganz fehlen? Was
ist vor allem mit den Berührungsreizen, die ich empfinde, wenn ich mit meiner
Hand hier nachfühle? Letzten Endes summieren sich diese Befunde doch zweifellos
zu einem erdrückenden Beweis dafür, daß hier und jetzt mein Kopf existiert,
oder? - D.E. Harding, nach: Einsicht
ins Ich. Fantasien und Reflexionen über Selbst und Seele. Hg. Douglas
R. Hofstadter und Daniel C. Dennett. München 1992
- (
blix
)
Nasenlosigkeit (3) Ein Ehepaar, Tafitooa und Ogaoa, bekam ein Kind, das sie Taloolaola nannten. Es war jedoch kein Mensch, sondern ein Drachenfisch. Sie brachten den Fisch in die See und ließen ihn dort. Wenn sie das Essen fertig hatten, brachte Tafitooa es an den Strand und rief:
»Lieber Fisch, lieber Fisch,
Herbei zu Tisch!
Im salz'gen Taroblatt,
Duftend und frisch,
Liegen Taro zerschnitten:
Ein schönes Gemisch!
Und die Kokosnuß hängt hier
Mit der Milch so
frisch!«
Dann kam der Fisch Taloolaola herbei und aß und trank. Ein böser Mann, der keine Nase mehr hatte, sah und hörte davon. Er wollte den Fisch fangen. Als Tafitooa einmal fortgegangen war, ging dieser Ohnenase an den Strand und sagte:
»Lieber Fisch, lieber Fisch
Herbei zu Tisch!
Im
salz'gen Taroblatt,
Duftend und frisch,
Liegen Taro zerschnitten:
Ein
schönes Gemisch!
Und die Kokosnuß hängt hier
Mit der Milch so frisch!«
Da kam der Fisch herbei und Ohnenase speerte ihn, so daß er auf der Stelle tot blieb. Er nahm ihn mit, zündete ein Feuer an und wollte ihn nun braten und verzehren. Kurz darauf kam Tafitooa wieder und rief:
»Lieber Fisch, lieber Fisch
Herbei zu Tisch!
Im
salz'gen Taroblatt,
Duftend und frisch,
Liegen Taro zerschnitten:
Ein
schönes Gemisch!
Und die Kokosnuß hängt hier
Mit der Milch so frisch!«
Diesmal erschien der Fisch Taloolaola nicht. Er war tot. Tafitooa und Ogaoa gingen hin und bliesen die Tritonsmuschel: Pu-u-u-uh!
»Was soll denn der Lärm?« fragten alle Leute. »Das ist unser Trompetenruf«, antworteten Tafitooa und Ogaoa, »wir suchen unser Kind Taloolaola, den Fisch. Wir wollen wissen, ob er noch lebt oder ob ihn jemand gefangen, gekocht und gegessen hat.« Die Leute erwiderten: »Das wissen wir nicht; doch da geht der Kerl ohne Nase und schleppt eine Last auf dem Buckel!«
Nun bliesen die beiden nochmals ins Tritonshorn: Pu-u-u-uh!
»Was soll denn das Blasen?« rief Ohnenase. »Das ist unser Trompetenruf!«
antwortete Tafitooa und Ogaoa. Und Ohnenase sagte: »Kommt nur mit und wartet,
bis ich mein Essen fertig gekocht habe.« Tafitooa und Ogaoa folgten ihm ahnungslos.
Sie setzten sich im Hause des Ohnenase hin und warteten, bis er das Essen fertiggekocht
hatte. Er setzte es ihnen vor. Als er jedoch die Augen
des Drachenfisches in Taroblätter einwickeln wollte - da sprang Tafitooa auf
und schlug den Kerl ohne Nase tot. - Südsee-Märchen. Hg.
Paul Hambruch. Köln Düsseldorf 1979 (Diederichs: Märchen der Weltliteratur)
Nasenlosigkeit (4) Die Kisten bestanden aus merkwürdig
goldfarbenem Holz, mit wunderbaren Glasfronten und enthielten die mumifizierten
Gestalten von Wesen, die in ihrer Groteskheit die wildesten menschlichen Träume
überboten. Von diesen Monstrositäten einen Eindruck wiederzugeben, ist unmöglich.
Sie waren reptilienartig, mit Körperumrissen, die manchmal
an ein Krokodil, manchmal an einen Seehund denken
ließen, aber an gar nichts von den Dingen, von denen der Naturwissenschaftler
oder der Paläontologe je gehört hat. In der Größe reichten sie an einen kleinen
Menschen heran, und ihre Vorderbeine trugen zarte und offensichtlich menschliche
ganz merkwürdige Füße, wie menschliche Hände
und Finger. Aber ihre Köpfe, die einen Umriß aufwiesen,
der allen bekannten biologischen Grundsätzen hohnzusprechen schien, waren das
Allermerkwürdigste. Man konnte diese Geschöpfe mit nichts vergleichen - blitzartig
gingen mir Vergleiche mit der Vielfältigkeit der Katzen, der Bulldoggen, dem
sagenhaften Satyr und dem Menschen auf. Nicht einmal
Jupiter selbst hat eine solch ungeheuer vorspringende
Stirn. Dennoch stellten das Fehlen der Nase und die
alligatorähnlichen Kiefer diese Wesen außerhalb jeder klassifizierten Kategorie.
-
H.P. Lovecraft, Stadt ohne Namen. Frankfurt am Main 1997 (st 2756, Phantastische
Bibliothek 346)
Nasenlosigkeit (5)
Sphinx. - Am Boden im Sand hockend, rauchen
wir eine Pfeife und betrachten ihn. Seine Augen wirken noch voller Leben, die
linke Seite ist vom Vogelkot geweißt (die Haube der Chephrenpyramide hat deshalb
auch weiße, längliche Flecken), er ist genau der aufgehenden Sonne zugewandt,
sein Kopf ist grau, sehr große Ohren, abstehend wie bei einem Neger, sein Hals
ist verwittert und geschrumpft; vor seiner Brust ein großer Krater im Sand,
der ihn noch mehr zur Geltung bringt; die fehlende Nase
verstärkt noch die Ähnlichkeit, da er dadurch plattnasig wirkt. Im übrigen muß
es sich um einen Äthiopier gehandelt haben; die Lippen sind dick. - (
orient
)
Nasenlosigkeit (6) Ein Junge, der manchmal mitkam
und mit dem wir fünf waren, trug ein schwarzseidenes Taschentuch überm Gesicht,
weil er damals keine Nase hatte und man ihm ein neues Gesicht machen wollte.
Er war von der Militärakademie aus an die Front gekommen und binnen einer Stunde,
als er zum erstenmal in der vordersten Linie war, verwundet worden. Sie machten
ihm ein neues Gesicht, aber er war aus einer sehr alten Familie, und sie konnten
die Nase nie ganz richtig hinbekommen. Er ging nach Südamerika und arbeitete
in einer Bank. - Ernest Hemingway, Die Nick Adams Stories.
Reinbek bei Hamburg 1973
Nasenlosigkeit (7) Alle Freude und Hoffnung des Herrn Lütkens wurde verwandelt in bittres Herzeleid und tiefen Gram, als seine Hausfrau statt des holden Knäbleins, das die Barbara Roloffin prophezeit, einen abscheulichen Wechselbalg zur Welt brachte. Das Ding war ganz kastanienbraun, hatte zwei Hörner, dicke große Augen, keine Nase, ein weites Maul, eine weiße verkehrte Zunge und keinen Hals. Der Kopf stand ihm zwischen den Schultern, der Leib war runzlicht und geschwollen, die Arme hingen an den Lenden, und es hatte lange dünne Schenkel.
Herr Lütkens klagte und lamentierte gar sehr. ,O du gerechter Himmel', rief er, ,was soll denn daraus werden! Kann mein Kleines wohl jemals in des Vaters würdige Fußstapfen treten? Hat man jemals einen kastanienbraunen Ratsherrn gesehen mit zwei Hörnern auf dem Kopfe ?*
Der Fremde tröstete den armen Herrn Lütkens, so gut es gehen wollte. Eine
gute Erziehung, meinte er, vermöge viel. Unerachtet, was Form und Gestaltung
beträfe, der neugeborne Knabe ein arger Schismatiker zu nennen, getraue er sich
doch zu behaupten, daß er mit seinen dicken großen Augen gar verständig umherblicke,
und auf der Stirn zwischen den Hörnern habe viel Weisheit geräumigen Platz.
Wenn auch nicht Ratsherr, so könne doch der Junge ein großer Gelehrter
werden denen oft absonderliche Garstigkeit sehr wohl anstehe und ihnen tiefe
Verehrung erwerbe. - E. T. A. Hoffmann, Die Serapionsbrüder (zuerst
1819 ff.)
Nasenlosigkeit (8)
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