ahnrei
Ein Prediger predigte
eines Tages in einer guten Gesellschaft und tadelte dabei die Sitten einzelner
Frauen und ihrer Gatten, die es ertrugen, von ihnen zum Hahnrei gemacht zu werden;
dabei rief er aus: »Ja, ich kenne sie, ich sehe sie, ich will gleich diese zwei
Steine den größten Hahnreien der Gemeinde an den Kopf werfen«; und als er zum
Wurf ausholen wollte, war kein Mann in der Predigt, der nicht den Kopf senkte,
oder seinen Mantel, seine Kapuze, seinen Arm vorhielt, um sich vor dem Wurf
zu schützen. Der Prediger aber legte die Steine weg und sprach: »Sagte ich es
euch nicht? Ich meinte, es seien bloß zwei oder drei Hahnreie in meiner Predigt;
soweit ich aber sehe, ist kein einziger da, der es nicht ist.« Nun, was aber
auch diese Witzbolde sagen mögen, es gibt sehr sittsame und ehrbare Frauen.
- (
brant
)
Hahnrei (2)
Hahnrei (3) Vatter Ubu: Ach, Hornzackwamme! (zu Achras) Sie, packen Sie sich, wie oft muß Ihnen das noch gesagt werden.
Achras: Also wirklich, nicht wahr, ich bin hier zuhause.
Vatter Ubu: Beim Hornzack des Ubu, Herr Zinserer, ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß Sie derjenige sind, der mir hier in meinem eigenen Hause Hörner aufsetzen kommt, will heißen: unsere tugendsame Gattin mit einem Piss-Pott verwechselt. Ihretwegen werden wir eines Tages noch Vater von mindestens einem Archaeopteryx sein, der uns jedoch recht wenig ähnlich sehen wird. Eigentlich sind wir ja der Meinung, daß Hörner ohne Ehe nicht vorstellbar sind und eine Ehe ohne Hörner sozusagen gar keine Gültigkeit hat. Doch der Form halber haben wir beschlossen, durchzugreifen. Pfahlgeister, haut ihn mir zu Boden!
(Die Pfahlgeister schlagen auf Zinserer ein.) Leuchtet her da, und Sie, mein Herr, antworten Sie mir. Bin ich Hahnrei?
Pensiomehr: Auauau, auauauau!
Vatter Ubu: So ein Mist. Er kann nicht antworten, da er auf den Kopf gefallen ist. Bestimmt hat sein Gehirn an der Brocaschen Windung Schaden genommen, in der die Fähigkeit zum Sprechen angesiedelt ist. Diese Windung ist die dritte Frontalwindung linker Hand vom Eingang. Fragen Sie den Hausmeister... Verzeihung, meine Herren! Fragen Sie jeden Philosophen: »Die geistige Auflösung hat ihre Ursache in jener Verkümmerung, die nach und nach die Gehirnrinde, sodann die weiße Substanz befällt. Sie bewirkt derart Verfettung und Wucherung der Zellen, Röhrchen sowie Haargefäße der Nervensubstanz!«* Mit dem Herrn da ist nichts anzufangen. Wir begnügen uns mit Verrenkung von Nase und Ohren, Entfernung der Zunge, Amputierung des Gebisses, Aufreißung des Hinterteils und Zerstückelung des Rückenmarks, sowie teil- oder vollständige Absaugung des Gehirns via Ferse. Er wird zuerst gepfählt, danach geköpft und schließlich in Scheibchen geschnitten. Sodann steht es dem Herrn dank unserer Sanftmut frei, sich zum Henker zu scheren. Es soll ihm kein weiteres Leid geschehen, denn ich möchte ihn korrekt behandeln.
Die Pfahlgeister: Humm, Herrjä!
Vatter Ubu: Hornzackwamme, ich habe vergessen, bei meinem Gewissen Rat zu suchen.
* Th. Ribot: »Maladies de la memoire«.
- Alfred Jarry, Ubu Hahnrei oder Der Archaeopterix. In: A.J., Ubu. Stücke und
Schriften. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1897)
Hahnrei (4) Mosebach aus Lipshausen
auf dem Hundsrück im damaligen Kanton Bacharach, wurde der Lehrmeister
des Schinderhannes. Sein Genosse war der ruchlose
Johann Müller. Johann Müller, dessen Kopf erst am 17. November 1802 auf dem
Schaffot fiel, ist eine der ungeheuerlichsten Räubererscheinungen. Er war der
Sohn wohlhabender Eltern in Schönau, Kanton Rheinbach im Rhein- und Moseldepartement,
machte seine Studien bei den Ex-Jesuiten in Münstereifel, bekam schon im vierzehnten
Jahre einen Anteil seines elterlichen Vermögens und heiratete im neunzehnten
Jahre. Die Verführung seiner Frau durch einige französische Dragoner brachte
ihn zum tödlichen Haß gegen alle Franzosen und zu jener in den Annalen des Räubertums
nur selten vorkommenden scheußlichen und kaltblütigen Ermordung eines ganz unschuldigen
französischen Fuhrknechts, die bei Becker in haarsträubender Weise erzählt wird
und nur eine von den vielen Greueltaten ist, deren Fluch auf seinem Andenken
haftet. - (ave)
Hahnrei (5)
Hahnrei (6)
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