twas  Jimmy richtete sich auf. Über ihm in den Tannen bewegte sich etwas. Er blickte hinauf und erstarrte. Etwas lag dort zwischen den dunklen Zweigen und wiegte sich mit dem Wind. Er stand wie angewurzelt mit offenem Mund da.

Eine Wanze. Sie kauerte schweigend dort oben im Baum, wartete und lauerte.

Sie war alt. Das wußte er sofort. Sie hatte etwas Vertrocknetes an sich, einen Geruch nach Alter und Staub. Eine uralte, graue Gestalt, schweigend und reglos um den Stamm und die Äste der Tanne geschlungen. Ein Haufen Spinnweben, staubige, graue Fäden und Gespinste, die den Baum umschlangen und überzogen. Etwas Nebelhaftes, Büscheliges, in dessen Gegenwart sich seine Nackenhaare sträubten.

Die Gestalt begann sich zu bewegen, aber so langsam, daß er es fast nicht bemerkt hätte. Sie glitt um den Stamm herum, ertastete sich vorsichtig, stückchenweise ihren Weg. Als ob sie nicht sehen könnte, blind wäre. Sie ertastete ihren Weg Zentimeter für Zentimeter, ein blinder grauer Knäuel aus Spinnweben und Staub. - Philip K. Dick, Marsianer kommen in Wolken. In: Ders., Variante zwei. Sämtliche Erzählungen Bd. 3.  Zürich 1995 (zuerst 1953)

Etwas (2) Es bilden z. B. die Zahlenarten eine Familie. Warum nennen wir etwas »Zahl«? Nun etwa, weil es eine — direkte — Verwandtschaft mit manchem hat, was man bisher Zahl genannt hat; und dadurch, kann man sagen, erhält es eine indirekte Verwandtschaft zu anderem, was wir auch so nennen. Und wir dehnen unseren Begriff der Zahl aus, wie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß irgend eine Faser durch seine ganze Länge läuft, sondern darin, daß viele Fasern einander übergreifen.

Wenn aber Einer sagen wollte: »Also ist allen diesen Gebilden etwas gemeinsam, - nämlich die Disjunktion aller dieser Gemeinsamkeiten« - so würde ich antworten: Hier spielst du nur mit einem Wort. Ebenso könnte man sagen: es läuft ein Etwas durch den ganzen Faden, - nämlich das lückenlose Übergreifen dieser Fasern. - (wit)

Etwas (3) In dem schwarzen Zimmer, nicht mehr als einen Schritt vor mir, stand ein fahl leuchtendes, sich windendes Etwas, wie ein Körper, aber nicht aus Fleisch und Blut.

Es war groß, doch nicht so groß, wie es schien, denn es stand nicht auf dem Boden, sondern schwebte einen Fuß oder etwas mehr darüber - mit den Füßen in der Luft. Ja, es hatte Füße - aber ich weiß nicht, welche Form sie hatten. Sie hatten keine Form, ebenso wie die Beine und der Rumpf dieses Etwas, wie seine Arme und Hände, sein Kopf und sein Gesicht keine Form hatten, keine feste Gestalt. Sie wanden sich, schwellend und schrumpfend, sich dehnend und sich zusammenziehend, nicht sehr, aber unaufhörlich. Ein Arm verfloß in den Körper, wurde von dem Körper aufgesogen, kam wieder heraus, als würde er ausgegossen. Die Nase wuchs über den gähnenden, formlosen Mund hinab, schrumpfte wieder hinauf ins Gesicht, bis sie mit den qualligen Backen verschwamm, und wucherte wieder heraus. Die Augen weiteten sich, bis sie ein einziges riesenhaftes Auge waren, das den ganzen oberen Teil des Gesichts verschlang, verengten sich, bis gar kein Auge mehr da war, und öffneten sich wieder, jedes an seiner Stelle. Die Beine waren bald ein Bein, wie eine lebende gewundene Säule, dann drei Beine, dann zwei. Kein Teil, kein Glied hörte lange genug auf, sich zu winden, zu wabern und zu wogen, um seine normalen Umrisse, seine eigentliche Form erkennen zu lassen. Das Etwas war ein Wesen wie ein Mensch, der über dem Boden schwebte, mit einem grauenhaften, grimassierenden grünlichen Gesicht und aus fahlem Fleisch, das nicht Fleisch war, das im Dunkeln sichtbar war und so fließend und ruhelos und transparent wie bei Flut heranleckendes Meerwasser.  - Dashiell Hammett, Der Fluch des Hauses Dain. Zürich 1976 (detebe 20293, zuerst 1929)

 Etwas (4) Hemingway war 19 Jahre alt und stand in einer Sanitätseinheit an der italienischen Front. Eine Granate verletzte ihn an den Beinen. Hemingway: »Ich spürte, wie sich meine Seele oder irgendetwas augenblicklich von meinem Körper löste. So wie man ein seidenes Taschentuch an einem Zipfel aus der Tasche zieht. Das Etwas flog herum, kam dann zurück und ging wieder in mich hinein. Ich atmete wieder und war wieder zurück.«  - (hoe)

Etwas (5)  Kurz vor Dämmerung kommt etwas herein, ganz leise, und dahin, wo Vestein liegt. Der war aufgewacht. Aber ehe er sich besinnt, ist ihm ein Spieß mitten durch die Brust gestoßen. Als Vestein den Stoß fühlte, sagte er dies: »Der saß«, sagte er, - und gleich darauf ging der Mann hinaus, aber Vestein wollte aufstehen; da fällt er tot neben die Bettpfosten.  - Gisli-Saga, nach: Die schönsten Geschichten aus Thule. München 1993. Hg. H.M. Heinrichs

Etwas (6) Welche Dinge sind es, die mich befremden? Die unscheinbarsten. Meistens leblose Sachen. Was befremdet mich an ihnen? Ein Etwas, das ich nicht kenne. Aber das ist es ja eben! Woher nehme ich denn dieses ›Etwas!‹ Ich empfinde sein Dasein; es wirkt auf mich; so, als ob es sprechen wollte. Ich bin in der Aufregung eines Menschen, der einem Gelähmten die Worte von den Verzerrungen des Mundes ablesen soll und es nicht zuwege bringt. So, als ob ich einen Sinn mehr hätte als die anderen, aber einen nicht fertig entwickelten, einen Sinn, der da ist, sich bemerkbar macht, aber nicht funktioniert. Die Welt ist für mich voll lautloser Stimmen: bin ich daher ein Seher oder ein Halluzinierter?   - Robert Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törless. Nach  (ray)

Etwas (6)

an alle fernsprechteilnehmer

etwas, das keine farbe hat, etwas,
das nach nichts riecht, etwas zähes,
trieft aus den verstärkerämtern,
setzt sich fest in die nähte der zeit
und der schuhe, etwas gedunsenes,
kommt aus den kokereien, bläht
wie eine fahle brise die dividenden
und die blutigen segel der hospitäler,
mischt sich klebrig in das getuschel
um professuren und primgelder, rinnt,
etwas zähes, davon der salm stirbt,
in die flüsse, und sickert, farblos,
und tötet den butt auf den bänken.

die minderzahl hat die mehrheit,
die toten sind überstimmt.

in den Staatsdruckereien
rüstet das tückische blei auf,
die ministerien mauscheln, nach phlox
und erloschenen resolutionen riecht
der august. das plenum ist leer.
an den himmel darüber schreibt
die radarspinne ihr zähes netz.

die tanker auf ihren helligen
wissen es schon, eh der lotse kommt,
und der embryo weiß es dunkel
in seinem warmen, zuckenden sarg:

es ist etwas in der luft, klebrig
und zäh, etwas, das keine farbe hat
(nur die jungen aktien spüren es nicht):
gegen uns geht es, gegen den seestern
und das getreide. und wir essen davon
und verleiben uns ein etwas zähes,
und schlafen im blühenden boom,
im fünfjahresplan, arglos
schlafend im brennenden hemd,
wie geiseln umzingelt von einem zähen,
farblosen, einem gedunsenen schlund.

- Hans Magnus Enzensberger, Landessprache. Frankfurt am Main 1969 (es 304, zuerst 1960)

Etwas (7)  Der Mann und die Frau werden zusammen gewahr, daß sie allein sind. Da legen sie ihr Gesellschaftsdenken ab; ihr gewohntes Verhalten wird anders, sie hören nur noch, wie ihr Blut pulst; sie malen sich ein tieferes Vergessen aus, ungekannt, ein Tun der reinen Zerstreuung mithin. Sie geraten in Feuer, und sie legen ihre Kleider ab. Sie fassen und wählen einander, bebend suchen sie ihren Körpern die besten Stellungen, doch die wollen sich nicht ergeben ... Das Kühle sucht sich und das Warme, die Kraft hält sich zurück, die angestachelten Organe beherrschen eines jeden Denken und schlagen es in Bann. Und die Lippen nehmen sich, und das Glied beginnt einzudringen in die brennende Öffnung der Frau. Von da an gibt es weder Mann noch Frau. Es gibt nur ein Etwas, das bewegt sich in sich selbst, immer rascher, eine Maschine, Seufzer ausstoßend, beschleunigtes Stampfen, Speicheln — oder ein Tier, das sich zu Tode quält — oder die Angst beim Ertrinken, alles überstürzt, in der blinden Hast, rechtzeitig hinzukommen. Ein Oszillieren um ein Gleichgewicht. Endlich!...  - (pval2)

Etwas (8)  

Dinge (unbestimmte)
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Synonyme