ähigkeit
Zu den interessantesten Arten gehört der Gletscherfloh
(Isotoma saltans). In einer Gegend, wo die Sonne nichts bescheint als Eis,
Eiswasser und Stein, wo sie die untere Luftschicht
kaum über den Gefrierpunkt zu erwärmen vermag, da lebt das schwarze, durchaus
haarige Tierchen. Es wurde zuerst am Monte Rosa,
bald darauf auch auf dem Unter=Aargletscher und auf den beiden Grindelwaldgletschern
gefunden. Die Fühler sind viergliedrig, die Springgabel gerade, und die
Augen gruppieren sich zu sieben jederseits. Nicolet
stellte verschiedene Versuche mit den Gletscherflöhen an und fand,
daß sie sich in Wasser von +24 Grad Celsius behaglich fühlten und erst
bei +38 Grad Celsius starben; dieselben Tiere, welche der wärmeren Temperatur
ausgesetzt waren, ließ Nicolet bei -11 Grad einfrieren
und zehn Tage im Eise liegen, und als er dasselbe schmolz, hüpften sie
wieder munter umher, ein abermaliger Beweis dafür,
welche Lebenszähigkeit dem Geziefer, und oft dem zartesten, innewohnt,
wo man sie am wenigsten sucht.
- (
brehm
)
Zähigkeit (2) Wenige Teichfrösche sterben
eines sogenannten natürlichen Todes; die Mehrzahl verendet unter den Zähnen,
im Schnabel oder in der Klaue eines Raubtieres.
Ihre Zählebigkeit ist außerordentlich. Auch sie können in Eisklumpen eingefrieren
und mit dem auftauenden Eise wieder ins Leben zurückgerufen
werden; auch sie sind befähigt, großer Dürre längerer Zeit zu trotzen -
ein Fall, welcher übrigens nur im Süden stattfindet, da sie im Norden unter
solchen Umständen einem anderen Gewässer zuhüpfen. Selbst schwere Verwundungen
heilen bei ihnen bald wieder; Verstümmelungen der fürchterlichen Art bringen
ihnen erst nach Stunden den Tod. - (
brehm
)
Zähigkeit (3) Die jungen Egelchen,
die heller gefärbt sind als die Eltern, ihnen aber sonst ganz ähnlich sehen,
kriechen nach ein bis eieinhalb Monaten aus und begeben sich alsbald ins
Wasser. Sie wachsen sehr langsam heran, können
erst im dritten Jahr für medizinische Zwecke Verwendung finden, werden
erst im fünften fortpflanzungsfähig, und mögen insgesamt ein Alter
von 20 Jahren erreichen. Ein Wiederergänzungsvermögen
für verlorengegangene Körperteile, wie es so vielen Würmern
eigen ist, besitzen die Egel nicht, vermögen aber die fürchterlichsten
Verstümmelungen mit bewundernswerter Zähigkeit zu ertragen. So besaß Leydig
einen geköpften Egel, der noch ein volles Jahr
lang lebte. - Kurt
Floericke, Allerlei Gewürm (1921)
Zähigkeit (4) Wenn ein Mann und eine
Frau bei einem Unfall ums Leben kommen, ohne daß
man feststellen kann, wer von beiden als erster gestorben ist, scheint
das Gesetz anzunehmen, daß die Frau nach dem Mann, und sei es nur einige
Augenblicke, später, gestorben ist. Die Ärzte
behaupten, wir Frauen seien zäher, so daß die Tante
als erste geerbt hat und das Vermögen dann an die Nichte gegangen ist.
- Georges Simenon, Maigret und der Clochard. München 1971 (Heyne
Simenon-Kriminalromane 81, zuerst 1963)
Zähigkeit (5) Lotte lebte in einem
ruinenhaften Haus. Schlief auf bloßem Stein. Aß nur rohe Wurzeln. Jede
Nacht kletterte sie auf einen Berggipfel. Klaubte trockenes Reisig zusammen.
Legte ein großes Feuer an und siebte die Asche, wobei sie jammervoll schrie:
"Mein Gott, ist es noch nicht fein genug!" Die St. Lotte von
Askona endete nicht ganz so, wie es sich für eine
Heilige ziemt. Einmal packte Lotte der Heilige Geist, und sie vergiftete
sich. Man erzählt, sie habe ein Gift genommen, das bei jedem Menschen in
einigen Augenblicken wirkte; bei ihr dauerte es aber zweieinhalb Tage,
bis sie starb. -
(szi)
Zähigkeit (6) Der vielleicht
schwierigste aller Geschütztransporte war jener auf die Kreilspitze, 3392 m
über deren Nordwand, wobei diese überhaupt zum ersten Male von Menschen
bestiegen wurde. Zwei ausgezeichnete Bergführer, die mit Steigeisen ausgerüstet
waren, sollten von der Kreilspitze das Ende des Drahtseils, an dem die Geschützteile
befestigt werden sollten, damit es sich nicht verfange, über die Nordwand hinunterbringen.
Zusammengeseilt waren sie kaum 50 Meter in die Wand abgestiegen, als einer auf
dem Eise abglitt und im Sturz den anderen mit sich riß.
In grausigem Absturz flogen beide Körper, sich drehend
und überschlagend, die steilen Eishänge und Felsabstürze fast 500 Meter tief
auf den unter der Wand liegenden Gletscher hinunter. Mit einem gebrochenen Bein
der eine und einer tiefen Kopfwunde der andere, beide über und über zerfetzt
und zerrissen, konnten sie noch lebend geborgen werden und nach vier Monaten
Aufenthalt im Krankenhaus ihren harten Dienst in den Bergen wieder aufnehmen.
- Nach: Uwe Nettelbeck, Der Dolomitenkrieg. In: U. N., Mainz wie es singt und lacht Die Ballonfahrer Briefe
Mainz bleibt Mainz Gespenstergeschichten Der Dolomitenkrieg Nachträge Frankfurt
am Main 1976 (entst. 1969-1976)
Zähigkeit (7) Zu Tours in Frankreich,
Département de la Loire, lebte noch 1802 ein Veteran, bald 104 Jahre alt.
Er ist zu Ozain in der Bourgogne den 8. September 1698 geboren und heißt Jean
Thurel. Am 17. September 1716 ließ er sich beim damaligen Infanterieregiment
v. Touraine anwerben; seit der Zeit hat er beständig als Musketier gedient.
Bei der Belagerung von Kehl 1733 bekam er einen Flintenschuß in die Brust, und
bei der Schlacht von Minden 1759 sieben Säbelhiebe, wovon sechs auf den Kopf.
Drei seiner Brüder und sein ältester Sohn sind vor dem Feinde geblieben. Ein
Sohn von ihm dient noch in der 96. Halbbrigade. Da nach jedem vierundzwanzigjährigen
Dienste jeder französische Soldat ein Ehrenzeichen bekommt, so trägt er drei
dergleichen auf der Brust, und wurde deswegen 1788, wie er das dritte bekam,
dem König Ludwig XVI. von seinem Chef, dem bekannten Vicomte de Mirabeau, in
Versailles vorgestellt; erhielt auch bei dieser Gelegenheit eine Pension von
600 Livres. Er ist seit der Zeit noch bei dem Regiment geblieben, so daß er
drei Königen und auch der Republik gedient hat. Er ist sehr gesund und machte
noch kürzlich den Weg von Montauban nach Tours größtenteils zu Fuß. Er hofft
noch lange zu leben, denn seine Mutter wurde 118, sein Oheim 130 Jahre alt.
- (
huf
)
Zähigkeit (8) «Hören Sie, Schwejk,
sind Sie wirklich so ein Rindvieh Gottes?» «Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant»,
erwiderte Schwejk feierlich, «ja! — Von klein auf hab ich so ein Pech, immer
will ich was besser machen, gut machen, und nie kommt was heraus als eine Unannehmlichkeit
für mich und die Umgebung. Ich hab die zwei wirklich bekannt machen wolln, damit
sie sich verstehn, und kann nicht dafür, daß sie ihn aufgefressen hat und es
aus war mit der Bekanntschaft. In einem Haus beim Stupart hat vor Jahren eine
Katze sogar einen Papagei aufgefressen, weil er sie ausgelacht und ihr nachgemacht
hat. Katzen ham aber ein zähes Leben. Wenn Sie befehln, Herr Oberlajtnant, daß
ich sie umbring, wer ich sie zwischen der Tür zerquetschen müssen, anders geht
sie nicht drauf.» -
Jaroslav Hašek, Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Reinbek bei 1969
(zuerst 1920 - 1923)
Zähigkeit (9) Die edle Jungfrau Tatiana
wurde unter der Regierung des Septimius Severus ergriffen und, als sie
sich zu opfern weigerte, zur Folter verurteilt. Man entkleidete sie und schor
sie am ganzen Körper kahl. Dann zerfleischten die Henker ihren Leib mit eisernen
Haken und Kämmen. Man warf sie den Löwen vor, die sie jedoch verschonten, und
brachte sie auf einen Scheiterhaufen, dessen Flammen in einem plötzlichen Gewitter
verloschen. Unter dem Schwert hauchte sie schließlich ihr Leben aus. -
Albert Christian Sellner, Immerwährender Heiligenkalender. Frankfurt am Main
1993
Zähigkeit (10) An der Isolierung der
Kamera der Sonde Surveyor 3 reisten 1967 auch Keime namens Streptococcus mitus
zum Mond. Vermutlich stammten sie von einem erkälteten
Monteur. Die Mitglieder der Appollo-12-Mission brachten Teile der Sonde 1969
zurück zur Erde. Die widerstandsfähigen Bakterien vermehrten sich anschließend
wieder. -
SZ
Zähigkeit (11) Ein Negerbürschchen von vierzehn Jahren hatte seinem Vater, der gerade den Mittagsschlaf hielt, den Kopf abgeschnitten. Der Gouverneur von Haiti, General R., gab mir die Ehre und fragte mich um Rat.
»Was würden Sie an meiner Stelle tun, Sie, der Sie aus Frankreich kommen, einem Land der Gerechtigkeit und der Kultur?«
»Dieses Monstrum ist ein tollwütiger Hund, behandeln Sie ihn als solchen.« . . . Der junge Vatermörder wies das Entgegenkommen des Priesters mit Beschimpfungen zurück.
»Ich nicht Lieber Gott kennen. Ich das nicht kennen. Das ist alles Quatsch.« Nachdem er durch die Stadt geführt worden war, wird der junge Neger von zwanzig betrunkenen Polizisten, die schlecht zielen, erschossen. Sieben Salven gelingt es nicht, ihn zu töten.
»So gebt ihm den Gnadenstoß«, schrie eine Stimme, es war die meine. Das Leben
im Körper dieses jungen Negers war sehr zäh, 20 oder 30 Kugeln aus nächster
Nähe, stellenweise brannten die Kleider wie Zunder. - Georges Sadoul / Detective vom 18.
April 1929, Nr. 25, nach: Als die Surrealisten noch recht hatten. Texte
und Dokumente, Hg. Günter Metken. Stuttgart 1976
Zähigkeit (12)
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