Daher erwäge ich oft die überaus klugen und ehrwürdigen Einrichtungen der Utopier, bei denen alles durch so wenige Gesetze so zweckmäßig geordnet ist, daß einerseits die Leistung ihren Lohn findet, andererseits infolge der allgemeinen Gleichheit allen alles reichlich zugemessen ist. Und dann vergleiche ich mit diesen ihren Verhältnissen im Gegensatz dazu so viele andere Völker, die immerfort neue Ordnungen schaffen, und niemals findet auch nur eins von ihnen hinreichende Ordnung. Bei ihnen nennt jeder das sein Privateigentum, was er sich erworben hat. Aber so viele Gesetze auch Tag für Tag erlassen werden, sie genügen nicht, um einen jeden das, was er sein Privateigentum nennt, erwerben oder schützen oder genügend von fremdem Besitz abgrenzen zu lassen. Das zeigen ja leicht jene unzähligen, ebenso häufig entstehenden wie niemals endenden Streitigkeiten an.
Wenn ich das, wie gesagt, bedenke, werde ich dem Platon besser gerecht und wundere mich weniger, daß er es verschmäht hat, solchen Leuten überhaupt noch Gesetze zu geben, die die gleichmäßige Verteilung aller Güter ablehnten. Denn das sah dieser kluge Mann freilich leicht voraus, daß es nur einen einzigen Weg zum Heile des Staates gebe, nämlich die Verkündung der Gleichheit des Besitzes, die schwerlich eingehalten werden kann, wo die einzelnen noch Privateigentum haben. Denn wenn ein jeder unter gewissen Rechtstiteln, soviel er nur kann, an sich reißt, so kann die Masse noch so groß sein: es teilen doch nur wenige alles unter sich und lassen den übrigen die Armut. Und gewöhnlich ist es so, daß die einen das Los der anderen verdient hätten, da jene räuberisch, unredlich und nichtsnutzig, diese dagegen bescheidene und schlichte Männer sind, die durch ihren täglichen Fleiß mehr für das allgemeine als für das eigene Wohl tun.
Deshalb bin ich fest davon überzeugt, daß der Besitz nur dann auf gleichmäßige
und gerechte Weise verteilt oder die Geschicke der Menschen nur dann glücklich
gestaltet werden können, wenn das Privateigentum aufgehoben worden ist;
solange es besteht, wird immer auf dem weitaus größten und weitaus besten
Teile der Menschheit die drückende und unvermeidliche Bürde der Armut und
des Kummers lasten. Man wird sie — das gebe ich zu — ein klein wenig erleichtem
können; sie gänzlich aufzuheben — das behaupte ich — ist unmöglich. -
Thomas Morus, Utopia. In: Der utopische Staat. Hg. Klaus J. Heinisch. Reinbek
b. Hamburg 1970 (zuerst ca. 1517)
- Oscar Wilde, Die Seele des Manschen
unter dem Sozialismus, nach (
enc
)
Eigentum (3), die Rechtsherrschaft der Person über eine
körperliche Sache, ein Gegensatz zum bloßen Besitz,
der an einer Sache ergriffenen und darüber ausgeübten
Herrschaft. - H. Normann
[Hermann Mensch], Politisches Konversations-Lexikon. Hildesheim u.a: 1979 (zuerst
1892)
Eigentum (4) La proprieté, c'est le vol.
- Proudhon.
Eigentum (5) Wenn wir auf den Ursprung des
Eigentumsrechtes zurückgehen, gelangen wir notwendigerweise auf eine Zeit der
gewaltsamen Aneignung zurück. Jedoch der Diebstahl wird nur deshalb bestraft,
weil er das Eigentumsrecht verletzt. Dieses Recht aber ist in seinem Ursprung
selbst nichts anderes als Diebstahl, und so bestraft das Gesetz den Dieb, der
den anderen Dieb bestehlen will, um wieder in seine Rechte zu gelangen. Ist
das nicht entsetzlich? - (just)
Eigentum (6)
Eigentum ist Diebstahl. P. J. Proudhon
Eigentum
ist Freiheit. P.J. Proudhon
Eigentum ist unmöglich. P. J.
Proudhon
Beständigkeit ist das Schreckgespenst armseliger Seelen. Ralph Waldo Emerson
Indem Proudhon seine Widerspräche so aneinanderreihte, war er nicht nur Franzose; er versuchte aufzuzeigen, daß die Abstraktion «Eigentum» eine ganze Reihe von Phänomena einbezieht, einige davon verderbenbringend, andere nutzbringend. Bedienen wir uns einmal des Werkzeugs eines Semantikers und untersuchen wir diese Triade, der wir einen Index anfügen, um uns ein Optimum an Klarheit zu verschaffen.
«Eigentum1 ist Diebstahl» bedeutet, daß Eigentum1 durch künstliche Gesetze feudalistischer, kapitalistischer und anderer autoritärer Gesellschaftsformen, auf bewaffnetem Raub beruht. Landeigentum, zum Beispiel, ist ein klares Beispiel für Eigentum, Schwerter und Gewehrkugeln waren die ursprünglichen Münzen, mit denen man die nötigen Transaktionen durchführte.
«Eigentum2 ist Freiheit» bedeutet, daß Eigentum2, das in einer freiwilligen (anarchistischen) Gesellschaftsform freiwillig geachtet wird, den Grundstein für die Freiheit dieser Gesellschaft bildet. Je mehr die Interessen des Volkes vermischt und undeutlich gemacht werden, wie etwa im Kollektivismus, desto mehr wird es sich gegenseitig auf die Füße treten; nur wenn die Spielregeln klar und deutlich sagen «Das gehört mir und das gehört dir», und das Spiel von allen betroffenen Parteien freiwillig als lohnend anerkannt wird, kann wahre Unabhängigkeit erreicht werden.
«Eigentum3 ist unmöglich» bedeutet, daß Eigentum3 (= Eigentum1) derartig viele Interessenkonflikte schafft, daß sich die Gesellschaft in einem fortwährenden, unausgerufenen Bürgerkrieg miteinander befindet und sich unter Umständen selbst verzehrt (damit auch Eigentum, und Eigentum^}. Kurz gesagt sah Proudhon auf eine ihm gemäße Weise das Snafu-Prmzip voraus. Auch sah er voraus, daß der Kommunismus die Konflikte nur fortsetzen und vertiefen würde und daß die Anarchie die einzige lebensfähige Alternative zu diesem Chaos bieten kann.
Natürlich ist nicht bewiesen, daß Eigentum2 sich nur in einer
total freiwilligen Gesellschaft behaupten kann; es existieren bereits viele
Formen davon. Der Irrtum der meisten erklärten Indeterministen - vor allem der
Anhänger (!) des unerhörten Ayn Rand - besteht in dem Glauben, Eigentum1
sei gleich Eigentum2 Die Unterscheidung kann jeder vollziehen, der
einen IQ über 70 hat, und ist völlig simpel. Der Test besteht darin, bei jedem
Besitztitel, den man akzeptieren soll oder den man andere bittet zu akzeptieren,
zu fragen: «Würde dieser in einer freien Gesellschaft von Rationalisten geachtet
werden oder würde es der Streitkräfte eines Staates bedürfen, das Volk zu zwingen,
ihn zu achten?» Ist es ersteres, dann ist es Eigentum2 und repräsentiert
Freiheit; ist es zweites, ist es Eigentum, und repräsentiert Diebstahl. -
(ill3)
Eigentum (7)
DAS EIGENTUM Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen. (1990) |
- Volker Braun, nach
(frach)
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