igentum   Indessen, mein lieber Morus, scheint es mir — um offen zu sagen, was ich denke — in der Tat so, daß es überall da, wo es noch Privateigentum gibt, wo alle alles nach dem Wert des Geldes messen, kaum jemals möglich sein wird, gerechte oder erfolgreiche Politik zu treiben, es sei denn, man wäre der Ansicht, daß es dort gerecht zugehe, wo immer das Beste den Schlechtesten zufällt, oder dort glücklich, wo alles an ganz wenige verteilt wird und auch diese nicht in jeder Beziehung gut gestellt sind, die übrigen jedoch ganz übel.

Daher erwäge ich oft die überaus klugen und ehrwürdigen Einrichtungen der Utopier, bei denen alles durch so wenige Gesetze so zweckmäßig geordnet ist, daß einerseits die Leistung ihren Lohn findet, andererseits infolge der allgemeinen Gleichheit allen alles reichlich zugemessen ist. Und dann vergleiche ich mit diesen ihren Verhältnissen im Gegensatz dazu so viele andere Völker, die immerfort neue Ordnungen schaffen, und niemals findet auch nur eins von ihnen hinreichende Ordnung. Bei ihnen nennt jeder das sein Privateigentum, was er sich erworben hat. Aber so viele Gesetze auch Tag für Tag erlassen werden, sie genügen nicht, um einen jeden das, was er sein Privateigentum nennt, erwerben oder schützen oder genügend von fremdem Besitz abgrenzen zu lassen. Das zeigen ja leicht jene unzähligen, ebenso häufig entstehenden wie niemals endenden Streitigkeiten an.

Wenn ich das, wie gesagt, bedenke, werde ich dem Platon besser gerecht und wundere mich weniger, daß er es verschmäht hat, solchen Leuten überhaupt noch Gesetze zu geben, die die gleichmäßige Verteilung aller Güter ablehnten. Denn das sah dieser kluge Mann freilich leicht voraus, daß es nur einen einzigen Weg zum Heile des Staates gebe, nämlich die Verkündung der Gleichheit des Besitzes, die schwerlich eingehalten werden kann, wo die einzelnen noch Privateigentum haben. Denn wenn ein jeder unter gewissen Rechtstiteln, soviel er nur kann, an sich reißt, so kann die Masse noch so groß sein: es teilen doch nur wenige alles unter sich und lassen den übrigen die Armut. Und gewöhnlich ist es so, daß die einen das Los der anderen verdient hätten, da jene räuberisch, unredlich und nichtsnutzig, diese dagegen bescheidene und schlichte Männer sind, die durch ihren täglichen Fleiß mehr für das allgemeine als für das eigene Wohl tun.

Deshalb bin ich fest davon überzeugt, daß der Besitz nur dann auf gleichmäßige und gerechte Weise verteilt oder die Geschicke der Menschen nur dann glücklich gestaltet werden können, wenn das Privateigentum aufgehoben worden ist; solange es besteht, wird immer auf dem weitaus größten und weitaus besten Teile der Menschheit die drückende und unvermeidliche Bürde der Armut und des Kummers lasten. Man wird sie — das gebe ich zu — ein klein wenig erleichtem können; sie gänzlich aufzuheben — das behaupte ich — ist unmöglich. - Thomas Morus, Utopia. In: Der utopische Staat. Hg. Klaus J. Heinisch. Reinbek b. Hamburg 1970 (zuerst ca. 1517)

Eigentum (2)  Tatsächlich ist Eigentum eine schwere Bürde. Vor einigen Jahren zogen Leute mit dem Slogan durchs Land, Eigentum verpflichte. Sie wiederholten ihren Spruch so oft und so hartnäckig, daß zuletzt gar die Kirche mit einfiel. Jetzt tönt er von jeder Kanzel. Auch er trifft vollkommen zu. Eigentum verpflichtet nicht einfach, sondern es bürdet einem gleich so viele Pflichten auf, daß jeder größere Besitz nichts als Ärger einbringt. Ständig sieht man sich Forderungen ausgesetzt, muß sich laufend um seine Geschäfte kümmern und hat nur Scherereien. Wäre Eigentum nur mit Annehmlichkeiten verbunden, könnten wir damit leben, aber seine Verpflichtungen machen es unerträglich. Im Interesse der Reichen müssen wir es abschaffen. - Oscar Wilde, Die Seele des Manschen unter dem Sozialismus, nach (enc)

Eigentum (3), die Rechtsherrschaft der Person über eine körperliche Sache, ein Gegensatz zum bloßen Besitz, der an einer Sache ergriffenen und darüber ausgeübten Herrschaft.  - H. Normann [Hermann Mensch], Politisches Konversations-Lexikon. Hildesheim u.a: 1979 (zuerst 1892)

Eigentum (4)  La proprieté, c'est le vol. - Proudhon.

Eigentum (5)   Wenn wir auf den Ursprung des Eigentumsrechtes zurückgehen, gelangen wir notwendigerweise auf eine Zeit der gewaltsamen Aneignung zurück. Jedoch der Diebstahl wird nur deshalb bestraft, weil er das Eigentumsrecht verletzt. Dieses Recht aber ist in seinem Ursprung selbst nichts anderes als Diebstahl, und so bestraft das Gesetz den Dieb, der den anderen Dieb bestehlen will, um wieder in seine Rechte zu gelangen. Ist das nicht entsetzlich?  - (just)

Eigentum (6)  

Eigentum ist Diebstahl. P. J. Proudhon
Eigentum ist Freiheit.  P.J. Proudhon
Eigentum ist unmöglich. P. J. Proudhon

Beständigkeit ist das Schreckgespenst armseliger Seelen.  Ralph Waldo Emerson

Indem Proudhon seine Widerspräche so aneinanderreihte, war er nicht nur Franzose; er versuchte aufzuzeigen, daß die Abstraktion «Eigentum» eine ganze Reihe von Phänomena einbezieht, einige davon verderbenbringend, andere nutzbringend. Bedienen wir uns einmal des Werkzeugs eines Semantikers und untersuchen wir diese Triade, der wir einen Index anfügen, um uns ein Optimum an Klarheit zu verschaffen.

«Eigentum1 ist Diebstahl» bedeutet, daß Eigentum1 durch künstliche Gesetze feudalistischer, kapitalistischer und anderer autoritärer Gesellschaftsformen, auf bewaffnetem Raub beruht. Landeigentum, zum Beispiel, ist ein klares Beispiel für Eigentum, Schwerter und Gewehrkugeln waren die ursprünglichen Münzen, mit denen man die nötigen Transaktionen durchführte.

«Eigentum2 ist Freiheit» bedeutet, daß Eigentum2, das in einer freiwilligen (anarchistischen) Gesellschaftsform freiwillig geachtet wird, den Grundstein für die Freiheit dieser Gesellschaft bildet. Je mehr die Interessen des Volkes vermischt und undeutlich gemacht werden, wie etwa im Kollektivismus, desto mehr wird es sich gegenseitig auf die Füße treten; nur wenn die Spielregeln klar und deutlich sagen «Das gehört mir und das gehört dir», und das Spiel von allen betroffenen Parteien freiwillig als lohnend anerkannt wird, kann wahre Unabhängigkeit erreicht werden.

«Eigentum3 ist unmöglich» bedeutet, daß Eigentum3 (= Eigentum1) derartig viele Interessenkonflikte schafft, daß sich die Gesellschaft in einem fortwährenden, unausgerufenen Bürgerkrieg miteinander befindet und sich unter Umständen selbst verzehrt (damit auch Eigentum, und Eigentum^}. Kurz gesagt sah Proudhon auf eine ihm gemäße Weise das Snafu-Prmzip voraus. Auch sah er voraus, daß der Kommunismus die Konflikte nur fortsetzen und vertiefen würde und daß die Anarchie die einzige lebensfähige Alternative zu diesem Chaos bieten kann.

Natürlich ist nicht bewiesen, daß Eigentum2 sich nur in einer total freiwilligen Gesellschaft behaupten kann; es existieren bereits viele Formen davon. Der Irrtum der meisten erklärten Indeterministen - vor allem der Anhänger (!) des unerhörten Ayn Rand - besteht in dem Glauben, Eigentum1 sei gleich Eigentum2 Die Unterscheidung kann jeder vollziehen, der einen IQ über 70 hat, und ist völlig simpel. Der Test besteht darin, bei jedem Besitztitel, den man akzeptieren soll oder den man andere bittet zu akzeptieren, zu fragen: «Würde dieser in einer freien Gesellschaft von Rationalisten geachtet werden oder würde es der Streitkräfte eines Staates bedürfen, das Volk zu zwingen, ihn zu achten?» Ist es ersteres, dann ist es Eigentum2 und repräsentiert Freiheit; ist es zweites, ist es Eigentum, und repräsentiert Diebstahl.  - (ill3)

Eigentum (7)  

DAS EIGENTUM

Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen.
KRIEG DEN HÜTTEN FRIEDE DEN PALÄSTEN,
Ich selber habe ihm den Tritt versetzt.
Es wirft sich weg und seine magre Zierde.
Dem Winter folgt der Sommer der Begierde.
Und ich kann bleiben wo der Pfeffer wächst.
Und unverständlich wird mein ganzer Text.
Was ich niemals besaß, wird mir entrissen.
Was ich nicht lebte, werd ich ewig missen.
Die Hoffnung lag im Weg wie eine Falle. *
Mein Eigentum, jetzt habt ihrs auf der Kralle.
Wann sag ich wieder mein und meine alle.

(1990)

- Volker Braun, nach (frach)

 

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Verwandte Begriffe
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