mzug    Ich glaube, ich begriff damals gar nicht, was die arme Oma litt, aber ich sehe sie noch deutlich vor mir, wie sie hilflos und halb blind inmitten ihrer Besitztümer saß, während um sie herum drei Vandalen am Werk waren, in ihren Sachen herumstöberten, alles durcheinanderwarfen und darüber entschieden, was ihnen des Aufbewahrens nicht mehr wert schien. Ihre kummervollen Aufschreie: «Ihr werdet doch dieses Kleid nicht wegwerfen wollen, mein schönes Samtkleid von Madame Poncereau!» Schwer, ihr zu erklären, daß das Kleid von Motten zerfressen und die Seide völlig verschlissen war. Ihr zu Gefallen wurde vieles aufgehoben, was eigentlich in den Müll gehörte. Kiste um Kiste, vollgestopft mit Papieren, Nadelbüchem, bedruckter Baumwolle für Dienstmädchenkleider, bei Auktionen erstandenen Seiden- und Samtstoffen: so viele, viele Dinge, die man einst gut hätte brauchen können und die einfach liegengeblieben waren. Die arme Oma saß in ihrem Lehnstuhl und weinte.

Dann kam die Speisekammer dran. Verschimmelte Marmeladen, vergorene Pflaumen, ja sogar Butter- und Zuckerpakete, die hinter anderen Sachen versteckt und von den Mäusen beknabbert worden waren: lauter Dinge ihres sparsamen und vorsorglichen Lebens, Dinge, die für die Zukunft gekauft, eingelagert und aufbewahrt worden waren; da lag nun das Zeug - ein einziges Mahnmal der Verschwendung. Ich glaube, daß es das war, was sie am meisten schmerzte: die Verschwendung. Da standen ihre hausgemachten Liköre - dank der konservierenden Wirkung des Alkohols immer noch in guter Verfassung. Sechsunddreißig große Korbflaschen mit Cherry Brandy, Cherry Gin, Pflaumen-Gin, Pflaumen-Brandy und was noch alles dazugehörte, wurden auf den Möbelwagen verladen. Als wir ankamen, waren es noch einunddreißig! «Und dabei», sagte Oma, «haben die Männer behauptet, sie wären allesamt Abstinenzler!» - Agatha Christie, Meine gute alte Zeit. Autobiographie einer Lady. München u. a.  ca. 1998 (zuerst 1977)

Umzug (2)  In Berlin begannen wir gleich mit den Vorbereitungen zur Auswanderung. Wir hatten eine große Wohnung in der Trautenaustraße, und um die Ecke, in der Nassauischen Straße, hatte ich ein großes Atelier. Wir besaßen eine Menge schöner, alter Möbel, und im Atelier stand allerlei Kram herum, nebst meinen Bildern, Mappen voll von Zeichnungen und gesammeltem Material — all das füllte Möbelwagen. Es mußte nun nach Jahren der Seßhaftigkeit für Übersee verpackt oder verschenkt und weggestellt werden. Um so ein Auflösen einer Wohnung, in der man lange gelebt hat, ist etwas Merkwürdiges: als zerstöre man ein Schneckenhaus oder eine Muschel. Heute wurde dieses Stück abgeholt, morgen jenes. Langsam bröckelte alles ab. Schon stand ich mit dem Schraubenzieher, um den Kronleuchter abzuschrauben. Unser Freund Pauli sah zu, er bekam ihn zum Andenken. Was sollte man auch mit einem Kronleuchter in New York ? - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955

Umzug  (3)   Donnerstag - lebenswende. Ein schneller humoriger umzug mit jungen rauhbrüstigen packern, die immerfort mein metronom aufzogen. Nach 3 stunden war alles oben. Hartwig? Ist doch in Holzminden auf einer klausurschule. Königin? Kann die halsbrecherische treppe nicht klimmen, aber für 20 mark tat sies, ging rückwärts, packte zu, alle 15 kisten bis 3 erledigt. Gab hauswirt 300 mark, packern je 10, musste auf schuko umschalten, viele ausgaben. Die wohnung ähnelte noch dienstag einem bordell, war es auch mal, wüst und ordinär, aber fleißige hände, vor allem der im haus wohnende tischler haben sie blitzflink in ein wahres musterstübchen verwandelt wie in einem neubau, türen aus feinem hellen holz, tapete hell, decke schön geweißt - ich darf sagen, dass wohl in Göttingen wenige so delikat wohnen, mit dem unteren finsteren zimmer überhaupt keine ähnlichkeit. Ich richtete alles sofort spontan ein, anders als bisher, bilder neu und seltsam, eindruck ist elegant und weltmännisch. Die packer waren begeistert, stellten alles anders als ob sies wären, die einzögen. Zwischenhin erschien mein nachbar, von dem ich nichts sehehöre, ein gnomiger kauz und zeigte uns ein von ihm sehr schlecht präpariertes seepferdchen und ein unbestimmbares individuum von 1 mm länge. Seine frau kam während die männer frühstückten mit der mandoline, spielte auf, wozu er die possierlichsten schritte tat.  - Hans Jürgen von der Wense, Von Aas bis Zylinder, Bd. I. Frankfurt am Main 2005

Umzug  (4) Nie ergrimmen wir über den Troß und die Packwägen eines an sich doch nicht so viel aussagenden Lebens als bei dem Ausziehen. Himmel! Wie viel Wägen braucht ein Mensch, um nur gewöhnlich zu leben! Wie viel Gerümpel, das schon gedient hat, und hinab dient zum Abnützen bei noch Aermern, bis endlich der gute Ofen kommt. In den möchte man oft alles werfen, oder ein bischen Feuersbrunst wünschen, um nur weniger Ballast zu laden. Und das Bücher- und Schreibgepäck! Wie immer ein Buch ums andre alt wird und als Mumie uns ansieht! Wie wehe thut es, Bücher nicht mehr achten zu können, entweder weil man sie gelesen oder weil sie wenig taugen durch Alter p.! — Tausendmal glücklicher, sag ich unter dem Einpacken unaufhörlich, ist der Garçon und Soldat, der aufbricht in ¼ Stunde und auspackt in einer. Aber freilich setzt dieß Leute voraus, die alles dahaben, was er nicht mitbringt. — Manches schleppt man nur mit, weil es weder zum Zerstören noch Verkaufen noch Gebrauchen taugt. - (idg)

Umzug  (5)   In Schlesien zu Freudenthal vexierten die Gespenster des Nachts die Leute abscheulich. Die Obrigkeit ließ einen verdächtigen Körper aus dem Grabe deswegen nehmen, und demselben den Kopf abschneiden, welcher frisch Blut von sich gab: die Leute wurden hierdurch noch furchtsamer, und zogen ethliche davon anders wohin. - Curiöser Geschichtskalender des Herzogtums Schlesien, 1698, nach  (vamp)

 

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