mzingelt Sura war ganz entsetzt und fragte hastig: »Weshalb kämpft ihr beiden hier so heftig, und wer ist die weiße Katze? Sie war allein und hat doch euch, die ihr zu zweit wart, im Kampf entsetzlich verwundet. Wie kommt das? Wo ist sie hin, und weshalb ist sie eure Feindin?« Sundari antwortete: »Es ist deine Frau Tschatura. Sie ist eine vollendete Hexe; ich aber und die Mutter sind es noch nicht lange, und zwar sind wir's dadurch geworden, daß wir Menschenfleisch gegessen haben. Sie haßt mich, weil ich ihre Mitgemahlin bin, und ist deshalb zu mir gekommen, um mich und die Mutter kraft ihrer Zaubermacht umzubringen. Denn nichts ist unerträglicher als die Eifersucht gegen den Ehemann.«
Als Sura das hörte, fürchtete er sich und dachte: »Da bin ich unter einen
Haufen Hexen geraten, der Trug in sich birgt.« - Indische Märchen. Hg. und Übs. Johannes Hertel. München 1953 (Diederichs, Märchen der
Weltliteratur)
Umzingelt (2) An sich
selbst betrachtet stellt die Päderastie sich
dar als eine nicht bloß widernatürliche, sondern auch im höchsten Grade
widerwärtige und Abscheu erregende Monstrosität, eine Handlung, auf welche
allein eine völlig perverse, verschrobene und entartete Menschennatur irgend
ein Mal hätte gerathen können, und die sich höchstens in ganz vereinzelten
Fällen wiederholt hätte. Wenden wir nun aber uns an die Erfahrung; so finden
wir das Gegentheil hievon: wir sehn nämlich dieses Laster, trotz seiner
Abscheulichkeit, zu allen Zeiten und in allen Ländern der Welt, völlig
im Schwange und in häufiger Ausübung. Allbekannt ist, daß dasselbe bei
Griechen und Römern allgemein verbreitet war, und ohne Scheu und Schaam
öffentlich eingestanden und getrieben wurde. Hievon zeugen alle alten Schriftsteller,
mehr als zur Genüge. Zumal sind die Dichter sammt und sonders voll davon:
nicht ein Mal der keusche Virgil ist auszunehmen. Sogar den Dichtern der
Urzeit, dem Orpheus (den deshalb die Mänaden
zerrissen) und dem Thamyns, ja, den Göttern selbst, wird es angedichtet.
Ebenfalls reden die Philosophen viel mehr von dieser, als von der Weiberliebe:
besonders scheint Plato fast keine andere
zu kennen, und eben so die Stoiker, welche
sie als des Weisen würdig erwähnen. Sogar dem Sokrates
rühmt Plato, im Symposion, es als eine beispiellose Heldenthat nach,
daß er den, sich ihm dazu anbietenden Alkibiades
verschmäht habe. In Xenophons Memorabilien spricht Sokrates von
der Päderastie als einer untadelhaften, sogar lobenswerthen Sache. Eben
so in den Memorabilien, woselbst Sokrates vor den Gefahren der Liebe warnt,
spricht er so ausschließlich von der Knabenliebe, daß man denken sollte,
es gäbe gar keine Weiber. Auch Aristoteles spricht von der Päderastie als
etwas Gewöhnlichem, ohne sie zu tadeln, führt an, daß sie bei den Kelten
in öffentlichen Ehren gestanden habe, und bei den Kretern die Gesetze sie
begünstigt hätten, als Mittel gegen Uebervölkerung, erzählt die Männerliebschaft
des Gesetzgebers Philolaos u. s. w. Cicero sagt sogar: Apud Graecos
opprobrio fuit adolescentibus, si amatores non haberent. [Bei den Griechen
galt es für die Jünglinge als schimpflich, keine Liebhaber zu haben] Für
gelehrte Leser bedarf es hier überhaupt keiner Belege: sie erinnern sich
deren zu Hunderten: denn bei den Alten ist Alles voll davon. Aber selbst
bei den roheren Völkern, namentlich bei den Galliern, war das Laster sehr
im Schwange. Wenden wir uns nach Asien, so sehn wir alle Länder dieses
Welttheils, und zwar von den frühesten Zeiten an, bis zur gegenwärtigen
herab, von dem Laster erfüllt, und zwar ebenfalls ohne es sonderlich zu
verhehlen: Hindu und Chinesen nicht weniger, als die Islamitischen Völker,
deren Dichter wir ebenfalls viel mehr mit der Knaben-, als mit der Weiberliebe
beschäftigt finden; wie denn z. B. im Gulistan des Sadi das Buch »von der
Liebe« ausschließlich von jener redet. Auch den Hebräern war dies Laster
nicht unbekannt; da Altes und Neues Testament desselben als strafbar erwähnen.
Im Christlichen Europa endlich hat Religion, Gesetzgebung und Öffentliche
Meinung ihm mit aller Macht entgegenarbeiten müssen: im Mittelalter stand
überall Todesstrafe darauf, in Frankreich noch im 16. Jahrhundert der Feuertod,
und in England wurde noch während des ersten Drittels dieses Jahrhunderts
die Todesstrafe dafür unnachläßlich vollzogen; jetzt ist es Deportation
auf Lebenszeit. So gewaltiger Maaßregeln also bedurfte es, um dem Laster
Einhalt zu thun; was denn zwar in bedeutendem Maaße gelungen ist, jedoch
keineswegs bis zur Ausrottung desselben; sondern
es schleicht, unter dem Schleier des tiefsten
Geheimnisses, allezeit und überall umher, in
allen Ländern und unter allen Ständen, und kommt, oft wo man es am wenigsten
erwartet, plötzlich zu Tage. - (
wv
)
Umzingelt (3) Der
sonderbare Laut, den ich einzig mit dem Klang eines Gongs
zu vergleichen vermocht, nun war er fast ohne Unterlaß zu hören und füllte die
nächtliche Stille mit einem zarten, unablässigen, nahezu übergangslosen Geläut,
das beständig um uns war, bald hinterrücks, bald vor uns ertönte, sich manches
Mal aus dem Buschwerk zur Linken erhob, um gleich darauf aus dem Dickicht zur
Rechten aufzusteigen. Noch öfter aber zitterte es direkt über uns, gleich dem
Schwirren irgendwelcher unsichtbaren Schwingen.
Tatsächlich, nun "machte sich's schon überall gleichzeitig bemerkbar, hinter
uns, vor uns, zu beiden Seiten und auch uns zu Häupten - es umkreiste uns, kreiste
uns ein! Noch heute entzieht jener Klang sich meiner Beschreibung. Nichts, das
ich jemals vernommen, nichts davon läßt sich dem unaufhörlichen, dunkeltönenden
Summen vergleichen, welches sich damals aus der Verlassenheit
einer Welt erhob, die nur aus schwankendem Morast bestand,
und aus sich wiegenden Weiden. - Algernon Blackwood,
Die Weiden. In: Phantastische Träume. Hg. Franz Rottensteiner (Phantastische
Bibliothek 100). Frankfurt am Main 1983
Umzingelt (4) O
Mann. Aus naß mach blaß. Wie gelähmt stand er halb über das Waschbecken
gebeugt, verschob die Sorge um Jesslca auf später und hätte zu gerne über seine
Schulter zurückgeschaut, sogar in den alten Spiegel,
mal sehen, was sie im Schilde führen, aber er war zu versteinert, um auch nur
das zu wagen ... jetzt... ja, jetzt hat sich nämlich ein ganz großartiger
Gedanke eingenistet in seinem Hirn, der Gedanke: was wohl wäre - wenn sich hier
alle - all diese Monstren aus der Psi-Sektion - heimlich gegen ihn verbündet
hätten? Okay? Ja, angenommen, sie können in deinen Kopf hineinsehen! o-oder-wie
war's mit Hypnose? Na? Plus womöglich die ganze Latte
der übrigen okkulten Errungenschaften - Astralprojektionen, zerebrale Kontrolle
(daran allerdings nichts Übersinnliches!), Krankbeten (Impotenz! Geschwüre!
Wahnsinn! yaaahhh) - Zaubertränke! (und während er sich endlich aufrichtet,
wanden sein geistiges Auge in sein Büro und besichtigt den Verhau in der Kaffee-Ecke
- o Gott...) oder eine paraseelische Verschmelzung mit den Drahtziehern, die
ihm dann praktisch im Gehirn saßen, ohne daß er es noch bemerkte ... ja, ja,
'ne ganze Menge Möglichkeiten, die ihm hier durch den Kopf schießen, und keine
davon übermäßig ansprechend, vor allem nicht in diesem Waschsaal hier, wo Gavin
Trefoils Gesicht heute morgen in hellem Magenta leuchtet, eine Kleeblüte, die
sich im Winde wiegt, und Ronald Cherrycoke gerade zart marmorierten, bernsteingelben
Schleim ins Becken speit - was soll das eigentlich, wer sind all diese
Leute ... Irre sind das! Irrrrrrre! Er ist umzingelt! Tag und Nacht haben
sie ihn verfolgt, seit Kriegsbeginn, haben sein Hirn
angezapft, Telepathen, Hexen,
Satanshelfer aller Sorten, waren immer mit von der
Partie - selbst dann, wenn er und Jessica im Bett beim Vögeln
waren - - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
Umzingelt (5) Es
ist unleugbar, die Stadt ist
eingekreist. Das Gezisch, Gegrunz, Gejaul, Gestöhn, Geschnarch, Gezwitscher,
Geächz, mittels derer diese heimtückischen Mauern den Zugang verweigern, werden
zu Knochenverwachsungen wie die mißgebildeter Insekten, wilder, krallenbewehrter
Katzenglieder. Ein Leiberwald wilder Tiere, eine Wiese voller Reißwölfe, einige
ganz offensichtlich allegorischer Art. Grobschlächtige Fahnen, gebieterische
Maueranschläge, herber Uringeruch. Könnten wir unsere ausgemergelten Hände eintauchen
in dieses Gemeng summarischer Monstren, blondbe-mähnter Pferde, Löwen mit Bismarck-Bärten,
stotternder Tiger, Molche, für die das Konjugieren des Verbs »sein« keine Geheimnisse
bietet, obgleich sie vergebens nach seinem Sinn forschen, der nur der archaisdien
Dynastie der Kamele bekannt ist, welchen hingegen durch die senile Sanftheit
ihrer Lippen die Aussprache verwehrt bleibt; jene Wesen, von denen im Orgon-Rausch
der Schöpfung ein Katalog von Mensch gliedweise abgerissen und noch nicht wieder
eingeordnet wurde als pure Ter a toiogen-Materie; - unsere Hände würden zärtlich
zerfleischt werden von den Bissen ärmlicher Pelze und verschüchterter Stimmen,
so daß der Name Reißtiere geradezu als ironische Hyperbel erscheint und das
Wort Monstrum als albernes Wortspiel. Es ist möglich, daß diese Tierchen sich
unter die Stadt einschlei-chen wollen: in jene gänzlich hypothetische Zone,
wo sich müßige Friedhöfe ausdehnen, Karzer-Entwürfe, pure Absichten auf dennoch
sehr bezeichnende Schaffotte. - Giorgio Manganelli, Omegabet. Frankfurt
am Main 1988 (zuerst 1969)
Umzingelt (6)
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