ython  In  Stunden der Trübsal kam sie zu mir, denn auf mein Verständnis konnte sie sich verlassen. Die Welt hätte ihrer gespottet, wenn die pöbelhafte und phantasielose Menschheit überhaupt den Blick dafür gehabt hätte, in einem so schönen, reichen Antlitz die Züge des Ritters von der traurigen Gestalt zu erkennen. Was mich betrifft, ich konnte mich freilich in solchen Fällen des Lachens nicht enthalten. Ich sagte zu ihr: „Du mußt wissen, für die Welt und insonderheit für deine Liebhaber stellt sich die ganze Liebesweisheit und überhaupt jede Beziehung von Mensch zu Mensch als eine Anwendung der Toxikologie dar, der Wissenschaft von den Giften und Gegengiften. Sie sind allesamt darauf vorbereitet und eingerichtet, daß ihnen Gift versetzt wird. Du mußt sie dir vorstellen wie kleine Vipern und Skorpione, die auf ihren Biß stolz sind und denen Gift, ihrer eigenen Giftigkeit entsprechend, nichts anhaben kann. Für die meisten ist die Liebe ein gegenseitiges Verspritzen von Gift und Gegengift, und im Verfolg einer langjährigen Erfahrung rühmen sie sich dann, daß sie gegen alle Gifte unempfindlich sind, so wie sich in Indien die Eingeborenen angeblich darauf trainieren, gegen den Biß sämtlicher Schlangen immun zu werden. Du aber, Pellegrina, bist gar keine Giftschlange, sondern eine Python. Oft, wenn ich dich gehen sehe, erinnerst du mich an die Tanzschlangen, die ich einmal bei einem indischen Schlangenbeschwörer gesehen habe. Gift aber hast du nicht die kleinste Menge in dir, und wenn du tötest, so tust du's ausschließlich durch die Kraft deiner Umarmung. Das muß deine Liebhaber verblüffen, denn sie sind nur an kleine Vipern gewöhnt und haben weder die Kraft, dir zu widerstehen, noch die Weisheit, den besonderen Tod zu würdigen, den du ihnen bereiten könntest. Ich muß ja auch zugeben: Wenn man dich so deine gewaltigen Schlangenringe lockern sieht, wenn du dich heranwälzest, dich über das Opfer wirfst und schließlich mit all dem Aufwand eine arme Feldmaus zerquetschst - da möchte man sich vor Lachen den Bauch halten!" Auf solche Art brachte ich sie zum Lachen, obwohl ihr Gesicht vielleicht noch in Tränen schwamm.  - (blix)

Python (2)  Der schwere Teppich erzitterte, und über der Schnur, die ihn trug, erschien der Kopf der Schlange. Sie ließ sich langsam herab wie ein Wassertropfen, der eine Mauer herunterläuft, kroch zwischen den herumliegenden Gewändern, dann, den Schwanz an den Boden gedrückt, erhob sie sich aufrecht; und ihre Augen, die stärker als Karfunkel glänzten, blitzten Salammbô an.

Furcht vor der Kälte oder vielleicht Scham ließen sie zuerst zögern. Aber sie rief sich die Befehle Schahabarims ins Gedächtnis zurück und trat vor; der Python bog sich hernieder, und indem er die Mitte des Körpers auf ihren Nacken legte, ließ er Kopf und Schwanz hängen, wie ein zerbrochnes Halsband, dessen Enden die Erde berühren. Salammbô rollte ihn um ihre Seiten, unter die Arme, zwischen ihre Knie und hielt dann, indem sie ihn an der Kinnlade faßte, den kleinen dreieckigen Rachen dicht an ihre Zähne, und indem sie die Augen halb schloß, warf sie sich rückwärts unter die Mondstrahlen. Das bleiche Licht schien sie in einen Silbernebel zu hüllen; die Spuren ihrer nassen Fußtritte glänzten auf den Steinplatten, Sterne zitterten in der Tiefe des Wassers; die Schlange umschnürte sie mit ihren schwarzen goldgefleckten Ringen; Salammbö keuchte unter dieser schweren Bürde, ihre Rippen bogen sich, sie fühlte sich sterbend; und mit dem Ende seines Schwanzes klopfte ihr der Python ganz sanft den Schenkel. - Gustave Flaubert, Salammbô. Köln 2000 (zuerst 1862)

Python (3)
 

Würgeschlange

 

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