iper Der
Name Vipera kommt daher, daß sie unter Gewalt gebiert (vi parit). Denn wenn
ihr Leib schon die Geburtsschmerzen spürt, dann warten die Jungen nicht auf
die naturgemäße Lösung der Reife, sondern beißen sich durch den Mutterleib hindurch
und brechen aus ihm heraus, wobei die Mutter umkommt. Man sagt, daß das Männchen
seinen Kopf in den Rachen des Weibchens steckt und dort seinen Samen abgibt.
Das Weibchen aber gerät in einen rasenden Zustand der Lust und beißt dem Männchen
den Kopf ab, der in seinem Rachen steckt, und so kommt es, daß beide Elternteile
umkommen: das Männchen bei der Begattung, das Weibchen bei der Geburt. Von der
Viper sagt der heilige Ambrosius, daß sie die niederträchtigste Art von Tieren
ist, schlauer als alle anderen Kriechtiere. Überkommt sie die Lust zur Paarung,
so sucht sie dazu eine Meermuräne zur Begattung. Sie begibt sich daher ans Ufer,
gibt mit Gezisch ihre Anwesenheit zu erkennen und ruft die Muräne zur umarmenden
Paarung. Diese schlägt die Einladung nicht ab und gewährt der giftigen Schlange
den erbetenen Gebrauch ihrer Verbindung. - Bestiarium, nach dem Ms. Ashmole
1511, Hg. Franz Unterkircher. Graz 1986
Viper (2, junge)
Sie
gleitet über das Moos des Steines, wie der Tag durch den Fensterladen
blinzelt. Ein Wassertropfen könnte ihr Häubchen sein, zwei Reislein ihr
Gewand. Gepeinigte Seele, schmachtend nach einem Fleckchen Erde und
einer Buchsbaumhecke, ist sie für diese zugleich der verfluchte gebogene
Zahn. Ihr Gegenüber, ihr Gegner ist der frühe Morgen, der erst nach der
Steppdecke tastet und der Hand des Schläfers zulächelt, dann seine
Gabel losläßt und zur Zimmerdecke schweift. Die Sonne, als
Zeitgekommene, verschönt sie mit naschhafter Lippe.
Die junge Viper bleibt kühl bis zum vielfachen Tod; da sie keiner Gemeinde angehört, gilt sie allen als Mörderin.
- René
Char, nach
(arc)
Viper (3)
Schöne Viper, die Elster flog durch deinen Schlaf und stahl dir das Gold aus den Augenwinkeln. Starren Hauptes, auf schartigem Schädel, wo Olegs Pferd in Fäulnis brennt, erwartest du die Nacht. Sie kommt aus dichtem Birkengehölz, bernsteinäugig, die Freundin der Fledermäuse. Sie füllt mit bitterer Milch die Löwenzahnröhre. |
- Peter Huchel
, nach
(arc)
|
||
|
||