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»Schöpfung« versteht man einerseits den Vorgang,
durch den etwas Neues geschaffen wird, und andererseits das Ergebnis dieses
Vorgangs, also das neu geschaffene Objekt. Nun wird aber Neues stets aus
Vorhandenem geschaffen, so dass wir es eigentlich immer nur mit Transformationsprozessen
zu tun haben. Wenn das Neue andere Eigenschaften aufweist als die ursprünglichen
Komponenten, geben wir ihm eine eigene Bezeichnung, und damit hat es zumindest
im Geiste eine eigenständige Existenz. Physik, Chemie oder Biologie kennen
überhaupt nur Transformationsprozesse. Das heißt allerdings nicht, dass
man das Ergebnis dieser Umwandlungen in jedem Fall vorhersehen
könnte, wenn man die ursprünglichen Komponenten und die in dem betreffenden
Gebiet herrschenden Gesetze kennt. Selbst der beste Chemiker oder Biologie
hätte angesichts der »Suppe« aus Quarks, die einst
das Uruniversum bildete, kaum vorhersagen können, dass daraus einmal ein
wunderschöner Strauß Rosen oder auch nur ein Wassermolekül hervorgehen
würde. -
(thes)
Neu (2) Das Neue ist seiner Definition nach das Vergängliche an den Dingen. Die Gefahr ist, daß es unweigerlich aufhört, neu zu sein, ohne daß der Verlust ersetzt wird. Wie die Jugend und das Leben. Diesen Verlust zu vermeiden suchen heißt gegen das Neue wirken.
Als Künstler um das Neue bemüht sein bedeutet demnach verschwinden wollen, oder? in der Meinung, man suche das Neue, etwas ganz anderes erstreben und so einer Täuschung erliegen.
Nur den zieht das Neue unwiderstehlich an, der sich vom bloßen Wechsel die größte Erregung verspricht.
Das Beste im Neuen entspricht einem alten Bedürfnis. -
(pval)
Neu (3) Es ist wie das Konzert mit
Neuer Musik, für das einmal in der Schule Freikarten verteilt wurden und zu
dem sie an einem Donnerstagabend gingen. Im Grunde war es interessant und ähnlich
den Geräuschen der Stadt, das hohe und immer wieder unterbrochene Fiepen der
Geigen, die Flöten, die zu keiner Melodie finden wollten, das plötzlich drauflosdreschende
Schlagwerk und dann wieder diese unerwartete Stille, in der nur das Klacken
der Flötenklappen und das Schnarren der angezupften und gleich wieder abgedämpften
Cellosaiten zu hören waren. Als die Oberstufler aus dem Konzertsaal kamen, war
es kalt und dunkel. Sie knoteten ihren langen Schal vor dem Hals zusammen und
rauchten auf dem Weg zur Bushaltestelle eine Zigarette. Die bekannte Musik,
die man gleich beim ersten Hören mitsingen konnte, war langweilig und monoton
und konnte noch nicht einmal mehr irgendein Gefühl der Melancholie in ihnen
hervorrufen. Das Neue und Ungewohnte aber erschien den Oberstuflern kalt und
strukturlos. Selbst als sie sich in der Musikbücherei zwei Platten ausliehen,
eine von Xenakis und eine immerhin nur von Alban Berg, und sich selbst die
Aufgabe stellten, jede Seite fünf Mal hintereinander zu hören, wollte sich bei
ihnen kein Gefühl des Wiedererkennens einstellen. Sie hörten jede Seite weitere
fünfmal, aber es änderte sich nichts. Bestand darin das Neue, dass es immer
ungewohnt und fremd blieb? War es der Musik gelungen, das Neue an sich zu schaffen?
Und würde den Oberstuflern Ähnliches gelingen? Würde es ohne Struktur und Wiedererkennung
gehen, statt-dessen in ständiger Veränderung? Und war es zwangsläufig so, dass
man dafür ein Gefühl der Fremdheit in Kauf nehmen
musste? - (raf)
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