ondnacht
Mein Freund und ich, wir können den Mond
nicht ertragen: bei seinem Schein kommen entstellte Tote aus ihren Gräbern,
insbesondere in weiße Schweißtücher gehüllte Frauen, die Luft ist von grünlichen
Schatten erfüllt, bisweilen von unheilvollen gelben Schwaden durchzogen, jedes
Gräschen, jeder Zweig, jedes Tier, alles muß man in einer Mondnacht fürchten.
Und, schlimmer noch, wir werden gezwungen, uns winselnd und heulend in der Nässe,
im Pfuhl hinter den Strohschobern zu wälzen; wehe, es käme uns da einer unseresgleichen
vor die Augen! Wir würden ihn blindwütig zerfleischen, oder er stäche uns, behender
noch als wir, mit einer Nadel. - Tommaso Landolfi, Die Erzählung vom Werwolf,
nach (
land
)
Mondnacht (2)
Mondnacht, du silbrige, kitschige, Oh ursachenloses Träumen; Bucklige Brücken, über die ich gehe, Besoffenes Vieh treibt Fleck an Fleck wildgröhlend — Ich gehe — Zwischen Ankersteinbaukästen fliessen Kanäle aus Milch — :Auf Terrassen aber, Und säuft Sekt — Und viele Onkels sind bei ihr, Olga Nischanova, du Indianerskulptur! ! !! Der Schuh des ewigen Juden knarrt fortwährend da vor mir. Zigarette her! Dünne Ariston! Und Mädchen wie Olga gehen mit strammen, breiten Rücken. Und der Schuh des ewigen Juden vollführt auf meinen Nerven einen Negertanz. : Sah ein Knab ein Röslein stehn. |
- George Grosz, Gesänge, nach: Pass auf! Hier kommt Grosz. Bilder Rhythmen
und Gesänge 1915 - 1918. Hg. Wieland Herzfelde und Hans Marquardt. Leipzig 1981
(zuerst 1925)
Mondnacht
(3)
In der Nähe der Bahnhofsruinen von Caën betrat ich zu vorgerückter Stunde,
meinen Koffer in der Hand, wieder sicheren Boden; der Mond stand am Himmel:
unter diesem bleichen, aber recht grellen Licht schien die Stadt das Labyrinth
ihrer bröckelnden Gräben und Schuttwälle (manchmal stand über Hunderte von Metern
kein einziges Mauerstiick mehr, wahrscheinlich weil nach Bomben und Granaten
die Panzer den Bulldozern ihre Arbeit abgenommen hatten) mit einem geradezu
theatralischen Gepränge auszubreiten, so wie ein Gemarterter seine Wundmale
nicht ohne einen Hauch Schamlosigkeit zur Schau stellt. Keine lebende Seele
zwischen den Trümmern in dieser tiefen Mondnacht. Die lange Bue St. Jean, deren
Graben mir wenigstens als Führer hätte dienen können, war, ohne auch nur eine
Narbe zu hinterlassen, verschwunden; weil sie etwas kurvig und vollkommen zerstört
war, hatte man es einfacher gefunden, mit der Planierraupe eine gerade Bresche
durch ihre Ruinen zu schlagen, um den Konvois die Durchfahrt zu erleichtern.
Auf der Suche nach Anhaltspunkten bog ich seitwärts ab in Richtung Hafenbecken:
ich verlief mich; am geköpften Kirchturm von St.Pierre, den ich schließlich
erkannte, fand ich mich wieder zurecht. Jenseits davon tauchteil stehengebliebene
Mauerreste auf, dann klar erkennbare Ecken von Bauwerken und bald darauf bewobnte
Häuser; auf der fast unversehrten Anhöhe von St.-Martin fand ich mein Haus wieder,
das kaum eine Schramme abbekommen hatte. - (
grac
)
Mondnacht (3)
Mondnacht
(4) Das Gepolter vorhin rührte von einem Katzenpärchen
her, das auf dem Dach rumorte und sich wechselseitig verliebte Weisen vorjaulte.
Wie sie die Kreatur beneidete! So verlassen und einsam kam sie sich vor! Immer
wieder kamen ihr die Honigworte in den Sinn, die Pao Yü, das Kind des roten
Staubes, heute an sie verschwendet hatte. Geraume Weile stand sie noch, an die
Balustrade gelehnt und in die Mondnacht hinausträumend, ehe sie seufzend von
neuem ihr Polster der Versenkung aufsuchte. Mit ihrer Ruhe war es vorbei. In
der zweiten Nachthälfte löste sich ihr Geist aus seiner heiligen Haft und schwang
sich in verbotene Regionen weltlichen Geschehens. Die Dämonen der Anfechtung
fuhren in ihren Leib und gaukelten ihr wüste Traumbilder vor. Erst waren es
hochgeborene und hochgemute Jünglinge, die um sie freiten und die sie stolz
verschmähte; Heiratsmaklerinnen rissen sich um sie und versuchten, sie in die
Brautsänfte zu zerren, zuletzt saii sie sich als Beute von Räubern, die sie
verschleppen und vergewaltigen wollten. In Schweiß gebadet, Schaum vor dem Mund,
mit gespreizten Händen und stieren Augen erwachte sie aus ihrer Ekstase.
Tagelang lag sie dann im Dämmerzustand, ehe sie dank reichlich genossener Medizinen,
die ihr der Arzt ›zur Dämpfung des Feuers im Blut‹ verordnete, genesen war.
- [Tsao Hsüe Kin:] Der Traum der roten Kammer. Frankfurt am Main 1995 (zuerst
1791)
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