Lust am Untergang   Laßt uns den Becher schwingen, solange das Leben uns noch in seinem Kreise hält. Denn noch sind wir Träger der großen Kraft, und sind vielleicht so bald nur noch ihr zersplittertes Gefäß, wie hier die Flaschen, aus denen der rote, berauschende Wein auf den Boden fließt. Aber vorher wollen wir ein Fest aus unserem Untergange machen, ein Fest, zu dem das Geschütz der ganzen Welt einen brüllenden, noch niemals gehörten Salut schießen soll. Dort vorn erwartet uns der Tod mit seinem riesigen Arsenal, aber es ist nicht das Schicksal des Kriegers, im Bette zu sterben. Sein Bett ist das Schlachtfeld, auf dem durch Sterben gezeugt wird, gezeugt durch Kampf und Untergang!

Wir haben gehungert und gedurstet, aber was machen Hunger und Durst, solange noch Blut und nicht Dreck durch die Adern fließt. Heute berauschen wir uns am Wein und morgen an der Macht, morgen wachsen wir herrisch empor als Verkünder über Leben und Tod. Leben und Tod in der Hand zu halten, das ist für den Mann ein stolzes Gefühl, und in der Schlacht gibt es keine Gesetze mehr außer den ewigen Gesetzen der Natur.

Dort vorn lauert sie auf uns wie ein gefährliches Tier. Aber auch Raubtiere sind schön, nur darf man keine Furcht haben, um im Gefährlichen das Schöne zu sehen. Den Schwächling freilich blendet die Gefahr, er erkennt in ihr nur das Entsetzliche, aber der Mutige fordert sie gerne heraus. Für ihn ist sie ein lockendes Spiel, das sich an den Grenzen des Daseins bewegt. Wir wollen keine friedliche und ausgeklügelte Welt, wir wollen die Welt mit ihrer vollen Summe von Möglichkeiten, mit ihren bunten Bändern von Farben und Tönen, mit ihrer umfassenden Melodie und der reißenden Spannung, die ihre Kontraste belebt. Für uns ist sie, so wie sie ist, gerade recht.

Ach, und was gibt es für sonderbare, für reiche, schöne, kleine, große, bunte und fürchterliche Dinge auf dieser Welt!

Sind die Landschaften, die uns erwarten, denn nicht unmöglich und fabelhaft? Diese glühenden Gefilde hat noch kein Dichter in seinen Träumen geschaut. Da sind eisige Kraterfelder, Wüsten mit feurigen Palmeninseln, rollende Wände aus Feuer und Stahl und ausgestorbene Ebenen, über die rötliche Gewitter ziehen. Da schwärmen Rudel von stählernen Vögeln durch die Luft, und gepanzerte Maschinen fauchen über das Feld. Und alles, was es an Gefühlen gibt, vom gräßlichsten körperlichen Schmerz bis zum höchsten Jubel des Sieges, wird dort zu einer brausenden Einheit, zu einem blitzartigen Sinnbild des Lebens selbst zusammengeballt. Singen, Beten und Jubeln, Fluchen und Weinen — was wollen wir mehr?

Ja, was wollen wir mehr? Hier kann sich jede Kraft erschöpfen, hier kann jeder zeigen, was in ihm steckt. Hier darf sich die Lust und der Übermut zur wilden Tat sättigen auf Geschlechter hinaus. Und fern an den Himmel ist das funkelnde Flammenzeichen des Sieges gehängt.

Laßt uns nach dem Siege greifen mit lachendem Schlachtenzorn, ins Meer des Ungewissen stoßen mit buntbemalten Schiffsschnäbeln wie die alten Wikinger, bei denen das Wort vom fröhlichen Kampfe noch galt. Den Drang ins Weite und Grenzenlose, wir tragen ihn als unser Erbteil im Blut. Sterben muß jeder; wir aber wollen vom Tode im Angriff betroffen sein.   - Ernst Jünger, Feuer und Blut. Hamburg 1929

 

Lust Untergang

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme