- (
tac
)
Schlachtfeld (2) Sergeant Halcrow lag zu
Tode verwundet. Seine Kleidung war zerfetzt; sie schien mit Gewalt weggerissen
zu sein und entblößte die Magengegend. Einige Knöpfe seiner Jacke lagen abgerissen
auf dem Boden neben ihm; Reste seiner übrigen Kleidungsstücke waren umhergestreut.
Sein Ledergürtel hatte sich gelöst und war offensichtlich unter dem Mann weggezogen
worden. Er hatte keinen großen Blutverlust erlitten. Die einzige sichtbare Wunde
war eine weite, gezackte Öffnung in der Magengegend. Sie war mit Erde und toten
Blättern beschmutzt. Eine Schlinge des Dünndarms trat aus ihr heraus. Bei all
seiner Erfahrung hatte Kapitän Madwell noch nie eine solche Wunde gesehen. Er
konnte sich weder vorstellen, wie sie entstanden sei, noch konnte er sich die
zusätzlichen Umstände erklären - die seltsam zerrissene Kleidung, den gelösten
Gürtel und die beschmutzte weiße Haut. Er kniete nieder und unterzog alles einer
genaueren Prüfung. Als er wieder aufstand, wandte er seine Blicke in verschiedene
Richtungen, als ob er nach einem Feind suche. Etwa fünfzig Yards entfernt erblickte
er auf dem Kamm eines niedrigen, dünn bewachsenen Hügels verschiedene dunkle
Gestalten, die sich unter den gefallenen Männern bewegten. Es war eine Herde
von Schweinen. Eines davon stand mit dem Hinterteil zu ihm gewandt, seine Schultern
ragten ungewöhnlich hoch empor. Seine Vorderfüße standen auf einem menschlichen
Körper, sein Kopf war gesenkt und nicht zu sehen. - Ambrose Bierce, Der Gnadenstoß. In:
A.B., Der Gnadenstoß. Reinbek bei Hamburg 1965 (rk 184)
Schlachtfeld (3) »Von vielen Tapferen«, bemerkte
Curzio, »liegt der gestrige Kot noch auf der Erde, und sie selber sind schon
im Himmel«, und er bekreuzigte sich. - (
vis
)
Schlachtfeld (4)
Schlachtfeld (5) Die verwirrendste Kriegsphotographie,
die ich vor Augen hatte (und sicherlich eine der ältesten überhaupt) war eine
Ansicht der Schlucht Balaklava, die einige
Tage nach dem berühmten Angriff (und auch nachdem man die Toten und Verwundeten
weggeschafft hatte) aufgenommen worden war. Ein wiegenförmiges, nicht sehr tiefes,
trockenes, aber eng eingeschnittenes Tal, ein Ovrag der russischen Steppe,
unten gänzlich mit kurzem Gras bestanden, ohne einen Strauch, ohne einen Baum.
Und willkürlich auf die kahle Wiese gestreut wie karambolierte Billardkugeln
auf das grüne Tuch lagen hier Hunderte von Kanonenkugeln durcheinander - es
sah eher wie ein Spiel aus, wie ein gigantisches Boule-Festspiel. -
(
grac2
)
Schlachtfeld (6) Es tönte Geschrei vom Schlachtfeld herüber. Geht, Sir Lucas, sagte der König, und laßt mich wissen, was dieser Lärm auf dem Feld bedeutet. Obgleich er an vielen Stellen schwere Wunden trug, ging Sir Lucas hinaus. Er sah im Mondlicht, wie Plünderer und Räuber auf das Schlachtfeld gekommen waren, um den edlen Rittern Spangen und Perlen und kostbare Ringe abzunehmen. Wer noch nicht ganz tot war, den erschlugen sie um des Harnischs oder anderer Habseligkeiten willen. Als Sir Lucas begriff, was sie taten,kehrte er zum König zurück, so schnell er konnte, und berichtete ihm, was er gehört und gesehen hatte. Darum ist es nach meiner Meinung am besten, sagte Sir Lucas zu König Artus, wenn wir Euch in eine Stadt bringen.
Ich wollte, das könnte geschehen, sagte der König, aber ich kann nicht stehen,
es arbeitet so in meinem Kopf. Ach, Sir Lanzelot, fuhr der König fort, heute
habe ich dich sehr vermißt. Wehe, daß ich gegen dich war, denn nun ist mein
Tod gekommen, vor dem mich Sir Gawein im Traum gewarnt hat. Dann wurde der König
auf der einen Seite von Sir Lucas und aut der anderen von Sir Bedivere hochgehoben.
Dabei fiel er in Ohnmacht. Aber auch Sir Lucas verlor beim Heben die Besinnung,
und seine Eingeweide traten aus dem Leib heraus.
Damit brach dem edlen Ritter das Herz. Als der König wieder zu sich kam, sah
er, wie Sir Lucas mit Schaum vor dem Mund und herausgequollenen Eingeweiden
zu seinen Füßen dalag. Wehe, klagte der König, das ist ein bitterer Anblick
für mich, diesen edlen Herzog so um meinetwillen sterben zu sehen. - (artus)
Schlachtfeld (7) Wenn du in der Schlacht,
wo Tausende mit dir wirken und stürmen, mitten in der blitzenden donnernden
Menschenwelt stehst und mitglühst: so siehst du keine Einsamkeit, sondern eine
ganze Menschheit um dich; - und doch ist eigentlich niemand bei dir als du.
Eine einzige Bleikugel, welche als ein finsterer Erdball in deine Himmel- oder
Gehirnkugel dringt, wirft das ganze Schall- und Feuerreich der Gegenwart um
dich fern hinunter in die Tiefe, du liegst als Einsiedler im Getümmel, und hinter
den zugeschloßnen Sinnen schweigt die Welt; dieselbe Einsamkeit umschließt dich,
ob dir in der entlegnen Waldhütte oder auf dem Pracht-und Trommelmarkte des
Todes die Sinnen brechen. Neben dir bluten die andern Einsiedler, jeder in seiner
zugebaueten Kerkerwelt. - Wenn aber auf diese Weise, was aus der Ferne als Menschenbund
gesehen, in der Nähe nur eine Menschentrennung wird und ein Einsiedlerheer,
ein unauflöslicher Nebelfleck zusammenfließender Sonnen ist, welche in der Wahrheit
sich voneinander durch Weltenräume scheiden; - und wenn dieses, was für die
Prunkstätten des Lebens gilt, ebenso für jede andere Stätte gilt: ist denn nichts
vorhanden, damit der einzelne nicht einzeln bleibe, sondern sich zu einem Ganzen
und Großen vereine? -
Jean Paul, Der Komet oder Nikolaus Marggraf. Eine komische Geschichte. Zürich
2002 (entst. ca. 1820-25)
Schlachtfeld (8)
|
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
|
|
|
![]() ![]() |
![]() ![]() |